Vor Agrarministerkonferenz Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft will zügige Agrarwende

05. Februar 2021, 06:00 Uhr

Gülleseen, mit Roundup gespritzte Felder, Kükenschreddern oder Ferkelkastrieren ohne Betäubung - die Agrarindustrie steht seit Jahren in der Kritik. Allerdings setzen sich auch viele Landwirte in konventionell und biologisch arbeitenden Betrieben für Nachhaltigkeit und Umweltschutz ein. Sie fordern kleinere Strukturen, häufigen Fruchtwechsel, mehr Augenmerk auf Tierwohl und Platz für die Natur zwischen Ställen und Feldern. Bei der Politik machen sie Druck für eine Agrarwende und liefern gleich konkrete Vorschläge.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) fordert eine gerechtere Verteilung von Fördergeldern. Statt die Agrarindustrie zu bevorzugen, sollten der Schutz von Boden, Wasser, Luft und Tieren sowie Artenvielfalt belohnt werden, hieß es von der AbL. Der AbL-Geschäftsführer für Sachsen und Nebenerwerbsbauer, Clemens Risse, sagte, der Freistaat habe mit dem diesjährigen Vorsitz bei der Agrarministerkonferenz die Möglichkeit, die Weichen zu fairer Verteilung zu stellen. In der kommenden Förderperiode könnten die EU-Mitgliedsstaaten nationale Strategiepläne für die Agrarpolitik ausarbeiten und bis Ende des Jahres der EU-Kommission vorlegen.

Am heutigen Freitag findet die nächste digitale Agrarministerkonferenz unter Leitung von Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther statt. Dabei geht es unter anderem um die Ausgestaltung des Strategiepapiers für Deutschland.

Forderung: Weg von landwirtschaftlicher Massenproduktion


Die AbL, die sich als Vertretung bäuerlicher Betriebe des konventionellen und biologischen Landbaus versteht, kritisiert die bisherige pauschale Flächenförderung und fordert eine Verteilung von Subventionen nach Kriterien des Umweltschutzes, der Artenvielfalt und des Tierwohls.

Bisher lassen die Direktzahlungen als das mit Abstand finanzstärkste Instrument der Gemeinsamen Agrarpolitik fast vollständig außer Acht, wie stark die Betriebe bereits Leistungen bei den genannten Herausforderungen erbringen. Die Direktzahlungen werden pauschal je Hektar Nutzfläche gezahlt - in Deutschland für einen nach oben unbegrenzten Flächenumfang je Betrieb - ohne Rücksicht auf die konkreten Leistungen der Betriebe. Das setzt keine positiven Anreize, sondern fördert Flächenbesitz und Landspekulation.

Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft

Vorschlag: Punkte für Nachhaltigkeit als Förderkriterien

Die AbL schlägt vor, die Finanzmittel der heutigen Direktzahlungen gezielt zur Honorierung von konkreten gesellschaftlichen Leistungen der Betriebe einzusetzen. "Die Höhe der Zahlungen eines Betriebes richtet sich dann nicht mehr nach seiner pauschalen Hektarzahl, sondern nach den grundlegenden Leistungen, die der jeweilige Betrieb für vielfältige und lebendige Kulturlandschaften, für gesunde Böden und Gewässer und für das Wohl der Tiere erbringt", so das Argument. Gefördert werden solle weiterhin der Bau tiergerechter Ställe, Ökolandbau, Naturschutzmaßnahmen für Artenvielfalt sowie regionale Verarbeitung und Vermarktung - so wie bisher mit der sogenannten zweiten Säule.

Ackerbauer, Gänsezüchter und Mutterkuhhalter Sebastian Kucka aus dem Landkreis Mittelsachsen ist sich sicher, die "hohen Summen öffentlichen Geldes an die Landwirtschaft können in Zukunft nur durch eine nachhaltige und gesellschaftlich anerkannte Ernährungssouveränität plausibel gerechtfertigt werden". Prämien nach dem Gießkannenprinzip müssten der Vergangenheit angehören.

Ministerium strebt Fahrplan für Agrarwende an

Das von den Grünen geführte sächsische Landwirtschaftsressort gibt sich vor der Agrarministerkonferenz zwar diplomatisch, lässt aber Sympathien für eine grundlegend geänderte Agrarförderung anklingen. "Es braucht einen klaren Fahrplan, was bis wann erreicht werden soll", erklärte der zuständige Fachreferent. Darum gehe es in der Sonder-Agrarministerkonferenz am Freitag. "Wir haben unterschiedliche Agrarstrukturen, unterschiedliche Probleme sowie verschiedene Interessen und Anliegen zu berücksichtigen." Deshalb stehe das sächsische Ministerium in ständigem Austausch mit Landwirtschafts- und Umweltverbänden.

Inhaltlich geht es in den kommenden Monaten im Kern darum, die Agrarpolitik so auszurichten, dass sie den Landwirten in den unterschiedlichen Regionen eine wirtschaftliche Perspektive sowie Planungssicherheit bietet und gleichzeitig dazu beiträgt, die großen Umweltprobleme wie den Rückgang der Artenvielfalt und den Klimawandel zu lösen. Hinzu kommen die Strukturfragen im ländlichen Raum. All das muss in den Blick genommen werden, wenn es darum geht, wie die EU-Mittel so eingesetzt werden, dass sie eine bessere Lenkungswirkung als bisher entfalten, um die genannten Ziele zu erreichen.

Sächsisches Landwirtschaftsministerium

Landwirtschaftsminister mit Sympathien für Gemeinwohlprämie

Minister Günther setze sich grundsätzlich für das Modell der Gemeinwohlprämie ein. "Landwirte sollen freiwillig ökologische Leistungen erbringen können und damit systematisch Einnahmen generieren", hieß es aus dem Ministerium. Eine Gemeinwohlprämie könne die Ökologie verbessern und den Betrieben eine neue Einkommensquelle eröffnen.

Bezüglich der biologischen Vielfalt seien Maßnahmen entscheidend, "die einen wirklichen Anreiz bieten, beim Schutz der Biodiversität voranzukommen". Es bedürfe konkreter Programme, "damit die Betriebe in neue Technologien investieren, die eine nachhaltigere Bewirtschaftung ermöglichen, etwa um den Pflanzenschutzmitteleinsatz oder die Mineraldüngung zu reduzieren".

Das bisherige Fördersystem mit großem Gewicht auf der bewirtschafteten Fläche bei den Direktzahlungen sei überholt und benötige einen Umbau, ist das sächsische Landwirtschaftsministerium überzeugt. Sobald die Paramenter und Themen für die Gemeinsame Agrarpolitik klarer seien, wolle man den Austausch mit den unterschiedlichen Bauernvertretern und Umweltschützern konkretisieren.

Quelle: MDR/lam

Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 05.02.2021 | 07:00 Uhr in den Nachrichten

18 Kommentare

Eulenspiegel am 06.02.2021

Hallo nasowasaberauch
Vorab um Biogas zu produzieren braucht es weder Mais noch Raps. Da gibt es mehr al genug biologische Abfallprodukte der verschiedensten Art.
Merkwürdig ist bei ihnen nur das sie hier versuchen die Bauern zu diffamieren die versuche von der sehr einseitige Subventionspolitik die klar diese riesigen Monokulturen mit Großeinsatz von Gülle und Pestiziden so bevorzugt das es Mais und Raps für die Biogaserzeugung ein bisschen billiger als umsonst gibt.

Eulenspiegel am 06.02.2021

Hallo Kritiker
Verstehe ich sie da richtig?
Sie sind also ein Kämpfer für eine großindustrielle Landwirtschaft mit möglichst viel Monokultur und möglichst viel Gülle und Pestizideinsatz egal welche Auswirkungen das auf Insekten und Grundwasser hat. Und bäuerliche Kleinbetriebe gehören abgeschafft.

Kritiker am 05.02.2021

@Eulenspiegel: +...Das ist der Unterschied ich nehme Lebensmittel zu mir während sie nur irgendetwas essen. Und das ist jeden seine ganz persönliche Endscheidung....+
Bisher bin ich /sind wir als Familie zu unseren Lebensmitteln gekommen und da haben wir auch verschiedentlich bei uns hier in einem unserer Nachbarorte zum Bäcker gegangen. Wie es auch so ist kommt man ins Gespräch.

+...Landwirtschaftliche Flächen als Spekulationsobjekt?..+ (Quelle: "Mein Land & Leben vom 20.10.2020)
Meine Empfehlung dies auch mal zu lesen und wenn nun nach Wirtschaftlichkeit nur noch Gelder fließen soll,was meinen Sie wird aus vielen landwirtschaftlichen Flächen wohl werden?

Also mögen solche Zeilen, wie meine vorab, von einem als Blödsinn von Anderen als durchaus Real angesehen werden. Auch das ist Auffassungssache.

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