Ende des Schuljahres Zeugnisse für Sachsens Schüler: Was sagen die Noten eigentlich aus?

07. Juli 2023, 08:59 Uhr

Letzter Schultag, Sommer, Sonne, Ferien - für Tausende Schülerinnen und Schüler stehen jetzt sechs Wochen Erholung auf dem Plan. Doch eine letzte Hürde gibt es: die Zeugnisse. Für manch einen ist das mit Stress, Sorge und sogar Angst verbunden. Doch sind Zensuren wirklich alles? Ganz klar nein, sagt eine Dresdner Erziehungswissenschaftlerin und gibt Tipps gegen das Verzagen.

Am Freitag geht das Schuljahr in Sachsen zu Ende. Rund 511.500 Schülerinnen und Schüler bekommen ihre Zeugnisse. Für etwa 38.000 Absolventinnen und Absolventen ist damit auch das Ende ihrer Schulzeit gekommen. Doch für einige der Schülerinnen und Schüler ist dieser letzte Tag vor den Ferien mit einem unguten Gefühl, gelegentlich sogar Angst verbunden. Denn die Noten auf dem Zeugnis sind - selbstverständlich - nicht immer nur Einsen oder Zweien.

Mit miesem Gefühl in die Ferien?

"Keiner soll mit einem miesen Gefühl in die Sommerpause starten", sagte Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) am Donnerstag anlässlich des Schuljahresendes. Und doch lässt sich das derzeit nicht immer vermeiden. Denn die Noten sind Maßstab fürs nächste Jahr, eine Bewertung, die schwarz auf weiß zeigen soll, wie "gut" oder "schlecht" der Wissensstand der Schülerin oder des Schülers ist. Aber muss das so sein?

"Vermeintlich objektives Kriterium"

Nein, sagt Anke Langner von der TU Dresden. Sie ist Professorin für Erziehungswissenschaft an der Uni und wissenschaftliche Leiterin des Projekts Universitätsschule Dresden. "Noten wurden als vermeintlich objektives Kriterium zur Bewertung von Leistungen eingeführt", meint Langner.

Noten zeigen nur, wie gut Wissen zu einem bestimmten Zeitpunkt abgerufen werden kann.

Anke Langner Professorin für Erziehungswissenschaft

In vielen Studien über die letzten Jahrzehnte sei aber deutlich geworden, dass Noten keine objektiven Einschätzungen, sondern vor allem der Ausdruck von subjektiven Annahmen über Schüler und Schülerinnen von Lehrkräften seien. "Sie sind Momentaufnahmen, zeigen, wie gut Wissen zu einem bestimmten Zeitpunkt abgerufen werden kann", so die Professorin. Dass an Tagen von Klassenarbeiten und Tests aber auch Dinge außerhalb der Schule passieren können, die die Leistungsfähigkeit des Kindes beeinflussen, spiele dabei keine Rolle. Und doch geht die verpatzte Prüfung in die Endnote ein.

Kummer nach schlechtem Zeugnis? Hier gibt es Rat!

Wer nach der Zeugnisübergabe nicht glücklich ist und mit einem schweren Herzen nach Hause geht, für den gibt es auch in diesem Jahr die Zeugnishotline. Von 12 Uhr bis 17 Uhr helfen Ansprechpartner, den Kindern Mut zu machen. Auch Eltern dürfen die Hotline nutzen. Die Zeugnishotline ist folgendermaßen erreichbar:

  • Zwickau: 0375 4444-333
  • Leipzig: 0341 4945-880
  • Dresden: 0351 8439-447
  • Chemnitz: 0371 5366-312
  • Bautzen: 03591 621-162

Kein geeigneter Maßstab

Langner spricht sich klar gegen Noten als Bewertungsmaßstab aus - mindestens bis zur 8. Klasse. "Noten vernichten Kinder, die nicht dem Normalmaßstab entsprechen. Sie können sie sogar krank machen. Prüfungsangst und Versagensängste werden damit geschürt", sagt die Erziehungswissenschaftlerin. Und trotzdem braucht es im Schulbetrieb eine Art Kriterium, anhand dessen Wissensstand und Leistung bewertet werden kann. "Zur Entwicklung braucht es die Fähigkeit der Selbsteinschätzung. Die kann sich nur durch den Abgleich mit Fremdeinschätzung systematisch entwickeln", sagt Langner. Aber derzeit sei es noch sehr fest verankert, dass dieses Feedback über Zensuren erfolgt.

Noten können Kinder vernichten!

Anke Langner Professorin für Erziehungswissenschaft

Eine Schülerin aus der Universitätsschule Dresden
Die Bewertung an der Unischule in Dresden erfolgt schriftlich. Noten gibt es für die jungen Schülerinnen und Schüler nicht. (Archivbild) Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

An der Universitätsschule versucht man sich an einer anderer Methode. Hier werden die Kinder schriftlich beurteilt. Statt mit Noten werden die Leistungen der Schüler bis zur 9. Klasse anhand von Lernbausteinen bewertet. Wie gut haben sie Lernziele erreicht? Welche einzelnen Fähigkeiten sind vorhanden? Wo ist noch Luft nach oben? Das nehme den Druck, sagt Langner und berücksichtige zugleich den Kontext, in dem Leistungen erbracht wurden.

Noten sind nicht alles

Bis Zensuren der Vergangenheit angehören, werde es noch lange dauern. Das althergebrachte System sei sehr fest verankert, so Langner. Aber für Eltern und Schüler gelte, sich darüber klar zu werden, dass Noten nicht alles sind - erst recht nicht in jungen Jahren. "Ein vermeintlich normaler Leistungsstand in der 8. Klasse in einem Gymnasium sagt nichts über ein Abitur in vier Jahren aus, denn Entwicklung ist nicht vorhersagbar", so die Erziehungswissenschaftlerin.

Vergiss die Noten, entdecke die Welt, sei neugierig!

Anke Langner Professorin für Erziehungswissenschaft

Und wie findet man die Motivation für das kommende Schuljahr? Die Professorin rät, sich von Noten als Maßstab so gut es geht frei zu machen. Denn worauf man sich verlassen könne, sei die Neugier des einzelnen Kindes. "Lernen ist ein individueller Prozess, er erfolgt nicht im Gleichschritt", sagt sie. "Vergiss die Noten, entdecke die Welt, sei neugierig", so lautet Langners Rat. Und wenigstens über die Sommerferien sollte das auf jeden Fall möglich sein.

MDR (ben)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 07. Juli 2023 | 08:00 Uhr

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