Nachtzug an einem Bahnsteig
Nachtzug an einem Bahnsteig Bildrechte: IMAGO/Manuel Stefan

Bahn Kein Nachtzug nach Paris: Warum es von Erfurt aus stockt

13. September 2024, 18:13 Uhr

Mit dem Nachtzug nach Paris? Als dieses Angebot kurz vor Weihnachten 2023 das erste Mal über die Schienen gerollt ist, war der Medienrummel groß. Sogar Linke-Ministerpräsident Bodo Ramelow hat sich damals in den ersten Zug gesetzt. Richtige Fernreisen, das war das Signal, sind ab Erfurt wieder möglich. Nun hat der Zug seit August Pause. MDR THÜRINGEN klärt Fragen rund um die Schwierigkeiten mit dem nationalen und internationalen Fernverkehr via Thüringen.

Kommt der Nachtzug nach Paris wieder?

Das haben zumindest die Österreichischen Bundesbahnen auf Nachfrage von MDR THÜRINGEN versprochen. Sie sind für diese Nachtzüge verantwortlich und teilten mit, dass die Nachfrage nach den Zügen generell gut und die Auslastung hoch ist. Aber weil eben derzeit in Deutschland und Frankreich viel gebaut wird, zum Beispiel auf der Strecke zwischen Erfurt und Eisenach, könnten weniger Züge fahren.

Wann geht's wieder los?

Ab 25. Oktober sollen die Züge nach Paris wieder drei Mal pro Woche fahren, sofern mit den Bauarbeiten alles klappt. Wie zuverlässig diese Aussage ist, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Ein Beispiel für die Ungewissheit ist der Intercity 51, der dreimal täglich zwischen Gera, Köln und Düsseldorf unterwegs ist und jetzt knapp sechs Wochen wegen Bauarbeiten bei Gotha planmäßig nur ab und bis Eisenach gefahren ist.

Ab Donnerstag sollte der IC eigentlich wieder bis Gera durchfahren. Aber jetzt, wo die Bauarbeiten zu Ende sind, fällt er ganz aus. Ein Stellwerk in Soest in Nordrhein-Westfalen muss nach einem Blitzeinschlag repariert werden. Deshalb sind manche Linien gleich ganz ausgefallen. Laut Bahn soll der IC 51 ab Sonnabend (14.9.) aber wieder fahren.

Nachtzugexperte Tim Euler im Studio mit Moderatorin Julia Menger. 16 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Vor ein paar Wochen hieß es auch, die Schweiz weist Züge aus Deutschland ab, die verspätet kommen. Hat das auch Züge aus Erfurt betroffen?

Es gibt tatsächlich eine Linie, die von Berlin über Erfurt bis Basel fährt. Eine Zeitung hatte Ende August geschrieben, diese Züge würden jetzt oft in Karlsruhe enden, damit diese nicht ganz zurückgewiesen werden. Wie oft das passiert ist, dazu hat die Bahn MDR THÜRINGEN nicht geantwortet.

Aktuell fahren diese Züge laut Fahrplanauskunft alle ganz normal bis in die Schweiz - und zwar fünf Mal am Tag in beide Richtungen. Das ist mehr als eigentlich vorgesehen. Hier profitiert Erfurt von Baustellen anderswo. Ab Dezember ist es dann wieder eine Verbindung pro Tag.

Wo kann man sonst noch direkt hinfahren von Erfurt ins Ausland?

Nach einer längeren Pause fährt jetzt wieder nachts ein Eurocity in Richtung Prag. Außerdem gibt es noch einen oder zwei Züge täglich in Richtung Wien.

Moderator Lars Wohlfarth 17 min
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Wie ist es generell um die Zuverlässigkeit im Fernverkehr bestellt?

Nicht so gut. Das findet jedenfalls der Fahrgastverband Pro Bahn in Thüringen. Pünktlich sind bundesweit ohnehin nur etwa zwei Drittel der Fernzüge. Zur Einordnung: Als pünktlich gelten auch Züge, die sechs Minuten Verspätung haben. Was Thüringen angeht: Die Intercity-Züge, die von Berlin über Leipzig und Jena bis nach Karlsruhe fahren (IC 50), fallen auch immer mal aus.

Der Thüringer Pro-Bahn-Vorsitzende Olaf Behr sagt, wenn es wirklich immer irgendwo hakt, nähmen Reisende das Angebot einfach irgendwann nicht mehr für voll. Die Unzuverlässigkeit der Intercity-Züge sei viel bedeutender als der zeitweise Ausfall bei den Nachtzügen nach Paris, weil es mehr Menschen betreffe. Die ganz langen Verbindungen würden nur von sehr wenigen Menschen regelmäßig genutzt.

MDR (flog/sar)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 12. September 2024 | 18:45 Uhr

20 Kommentare

Peter Mueller vor 3 Wochen

Die Politik hat über den Verlauf der Neubaustrecken entschieden, das ist richtig. Es gibt aber keinen zwingenden Zusammenhang, dass deswegen auf den anderen Strecken kein Fernverkehr mehr fahren darf. Ob dort noch etwas fährt, hängt von den Rahmenbedingungen ab, die die Politik, nicht irgendwelche Bahnmanager, zu gestalten hat. Und zwar so, dass das Angebot den Bedürfnissen aller Bürger entspricht, nicht nur denen von Landeshauptstädtern. Lesen Sie es nach, Art. 87e Grundgesetz. Leider tut das die Politik nicht. Das im Grundgesetz geforderte Fernverkehrsgesetz gibt es bis heute, 30 Jahre nach der Bahnreform, nicht. Das ist astreines Politikversagen. Und dann haben wir unabhängig davon ja auch noch das politische Leitbild gleichwertiger Lebensverhältnisse. Auch das erfüllt die Politik in zunehmendem Maße nicht mehr, was eine zunehmende Unzufriedenheit der Abgehängten zur Folge hat. Daraus könnte kritische Berichterstattung folgen. Trauen Sie sich doch mal, es lohnt sich!

MDR-Team vor 3 Wochen

Hallo Peter Mueller, dazu zwei Punkte: Wir thematisieren den Bahn-Fernverkehr an anderen Halten als Erfurt kontinuierlich, etwa hier
https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/intercity-ic-saalebahn-nahverkehrsticket-100.html. Aber: Der Drops ist seit 2015/2017 gelutscht, wie man so sagt, weil die Politik entschieden hat, die beiden Neubaustrecken abseits der Thüringer Zentren zu errichten und damit den Fernverkehr der Deutschen Bahn in Erfurt zu bündeln. Dass alle anderen Halte (Jena, Gera, Saalfeld, Weimar, Gotha, Eisenach) seitdem seltener, viel seltener, sporadisch oder fast gar nicht mehr angefahren werden, ist eine logische Folge. Fernverkehr wird nicht von gewählten Politikern bestellt wie die Regionalzüge, sondern von Managern auf die Schiene gestellt, die ganz genau rechnen, ob sich der Zug durch die Thüringer Prärie lohnt oder nicht.

Peter Mueller vor 3 Wochen

Ich denke, genau darum geht es xxy (und damit hat er oder sie auch recht) - Thüringen besteht im Fernverkehr nur noch aus Erfurt. Das kann man normal finden, muss man aber nicht und ist es auch nicht. Daher könnte der MDR das ruhig auch ab und zu mal thematisieren. Es dürfte nämlich weit mehr Leser im MDR-Gebiet interessieren, wie sie ohne Bimmelbahn und Umsteigerei von Weimar, Jena oder Gera nach Berlin oder Frankfurt kommen, als von Erfurt irgendwo ins Ausland.

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