Bürgerprojekt Gahma Kläranlage, Heizwerk, Glasfaser: Wie ein Dorf sich selbst hilft

25. Mai 2024, 10:32 Uhr

In kleinen Orten rechnen sich Kläranlagen für die Zweckverbände nicht, deshalb sind Kleinkläranlagen Pflicht. In Gahma im Saale-Orla-Kreis hatten die Einwohner andere Pläne - und setzten sie als Gemeinschaftsprojekt um.

Der kleine Ort Gahma im Saale-Orla-Kreis hat 150 Einwohner, besteht aus nicht einmal 50 Häusern - meist Vierseithöfen. Hier gab es keine Möglichkeit, ans Abwassernetz angeschlossen zu werden, also sollten 2014 alle ihre eigene vollbiologische Kleinkläranlage bauen.

Nahwärmeprojekt Gahma
Gahma ist zu klein, um ans Abwassernetz angeschlossen zu werden. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Im Nachbarort wurde hitzig diskutiert. "Der Diskussionston hat mir nicht gefallen", sagt Tino König (CDU), der heute in Remptendorf Bürgermeister ist. Er ist in Gahma aufgewachsen und hatte die Idee einer Kläranlage, an die alle angeschlossen werden. Das könnte sich nur zusammen mit einem Nahwärmenetz rechnen, so die Überlegung.

Kampf um Fördermittel

Nötig war eine Genossenschaft, also ist die Wärme und Abwasser Gahma eG (WAG) gegründet worden. Ende 2016 kam der erste Fördermittelbescheid und in nur sechs Wochen war die Machbarkeitsstudie erstellt.

Dabei hat sich bereits abgezeichnet, wie viel es zu tun gibt: 1,8 Kilometer Gräben ziehen durch den Ort, zwei Behälter für die Kläranlage in die Erde bringen, die Leitungen an alle Häuser ziehen und bei der Gelegenheit noch die Glasfaseranschlüsse vorbereiten. Dazu ein Heizhaus mit Hackschnitzellager.

Holzspäne
Die Hackschnitzel kommen aus den eigenen Waldstücken. Bildrechte: MDR/Uwe Kelm

Der nötige Kredit konnte erst mit einer Bürgschaft vom Abwasserzweckverband aufgenommen werden. Unterm Strich sind mehr als 100.000 Stunden gearbeitet worden - in vier Jahren, hauptsächlich an den Wochenenden.

Ziel ist es, in den nächsten Jahren mit dieser Muskelkraft zu heizen.

Thomas Franke

Die Gesamtkosten von 1,2 Millionen Euro wären ohne die fleißigen Hände der Genossenschaftler viel höher. "Ziel ist es, in den nächsten Jahren mit dieser Muskelkraft zu heizen", sagt Thomas Franke und verweist auf den Genossenschaftsbeitrag von 1.500 Euro. Das ist deutlich günstiger als mit Flüssiggas, so Rainer Ziermann.

Nahwärmeprojekt Gahma
Die Einwohner haben geholfen, wo sie konnten. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Holz als Energieträger

 "Hier sind fast alle Waldbesitzer", sagt Tino König, da gibt es genug Brennholz. Jetzt übernimmt eine Firma das Schnitzeln, den Transport die Agrargesellschaft und keiner muss sich mit Axt oder Spalter in den Hof stellen. "Wir werden ja nicht jünger", stellt Thomas Franke fest.

Nahwärmeprojekt Gahma
Die einzelnen Nutzer sind sehr zufrieden mit der neuen Technik. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

25 Häuser sind schon an die Nahwärme angeschlossen, "da raucht kein Schlot mehr", so Franke. 40 Häuser haben die Nahwärme-Leitung schon im Keller und können sich unkompliziert anschließen lassen.

Beim Abwasser sind es 49 Anschlüsse, die die Genossenschaft verlegt hat. Nur vier Häuser im Ort haben den Anschluss abgelehnt.

Keller
Der Pufferspeicher (32.000 Liter) besteht aus mehreren gebrauchten Flüssiggastanks, die isoliert und mit Holz (OSB) verkleidet sind. Bildrechte: MDR/Uwe Kelm

Die Genossenschaft sieht sich selbst als Standortvorteil für Gahma: Wenn auf dem Dorf das warme Wasser aus der Wand kommt, die Heizung und die Kläranlage keine Wartung brauchen, dazu bald noch schnelles Internet in den Häusern liegt, dann sind das gute Argumente, dass Menschen in den kleinen Ort ziehen wollen und die Höfe auch in Zukunft nicht verfallen.

MDR (gh)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 24. Mai 2024 | 19:00 Uhr

3 Kommentare

erfurter-buerger vor 3 Wochen

Die auf Konkurrenz beruhende bisherige Lebensweise hat keine Zukunft. Kooperation ist die Basis künftiger Lebensweise, um die aus Konkurrenz geschaffenen Probleme zwischen Mensch und Natur zu bewältigen.

Jana vor 3 Wochen

Ein schönes Beispiel dafür, dass etwas voran geht wenn man zusammen anpackt. Genossenschaften sind ja keine neue Idee und schon früher gab es so manchen Fortschritt in kleinen Gemeinden nur, weil alle zusammenangapckt haben und die Kosten und das risiko gemeinsam stemmten.

Allemal besser als immer nach dem Staat zu schreien, der sicherlich nicht im kleinsten Weiler die Infrastruktur bieten kann wie in der Stadt.

Schlau dass man gleich moderne Kommunikationsnetze und Heizsysteme verlegt wenn man eh schon die Straßen offen hat. Schweres Gerät schein ja in so einer Gegend gerne im Privatbesitz vorhanden zu sein.

Mediator vor 3 Wochen

Machen statt meckern:
Super und jeder hat einen Nutzen davon.

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