
Weihnachtsbrauch War eine Thüringerin die internationale Trendsetterin für den Weihnachtsbaum?
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25. Dezember 2024, 10:41 Uhr
Man könnte sagen: Meiningen bricht gerade einen kleinen Nachbarschaftszwist vom Zaun. Denn bisher reklamieren die Coburger für sich, dass sie den Trend des Weihnachtsbaums in die Welt hinausgetragen haben. Aus Meiningen behaupten nun neuerdings Stimmen, die bayrische Erzählung unterschlage den entscheidenden Einfluss einer Meininger Prinzessin. Muss die Geschichte umgeschrieben werden?
Er ist das Weihnachtssymbol schlechthin: Der Christbaum. Festlich geschmückt, verbreitet er zur Weihnachtszeit in Wohnzimmern und auf Markplätzen feierliche Stimmung. Ihren Ursprung hat die Tradition entgegen mancher Erwartung nicht im Religiösen, sondern in einem heidnischen Brauch. Schon im Mittelalter nahmen Menschen hierzulande in der kalten, kahlen Jahreszeit Tannengrün mit in die Häuser - als Zeichen für neues Leben und Hoffnung. Auch glaubten die Menschen, die Zweige könnten böse Geister vertreiben.
Ab Ende des 15. Jahrhunderts gibt es erste Überlieferungen ganzer Tannenbäume, die zur Weihnachtszeit aufgestellt - und mit Schmuck sowie essbaren Dingen, wie Äpfeln, Nüssen und Lebkuchen behängt wurden. Popularisiert hat sich die Tradition innerhalb des deutschen Kulturraums dann im 18. Jahrhundert. Wobei sich einen eigenen Baum zunächst nur die Oberschicht leisten konnte, wie die Meininger Kulturhistorikerin Andrea Jakob zu berichten weiß.
Thüringische und fränkische Adelshäuser machen Weihnachtsbaum salonfähig
Die langjährige Mitarbeiterin der Meininger Museen hat eine wissenschaftliche Publikation zur Verbreitung des Weihnachtsbaums veröffentlicht. Ihren Recherchen nach machten vor allem Vertreter der thüringischen und fränkischen Adelshäuser den Trend salonfähig. Im folgenden Jahrhundert sollte sich die Tradition des deutschen Weihnachtsbaums dann auch international verbreiten - und hier kommt es nun zum neuerlichen Streitpunkt zwischen den Nachbarstädten Coburg und Meiningen.
Brachte Prinz Albert den Weihnachtsbaum nach England?
In der Coburger Version ist Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha dafür verantwortlich, dass der heute wohl berühmteste Weihnachtsbaum vor dem New Yorker Rockefeller Center steht. Die Theorie geht so: Albert, der im Jahr 1840 die englische Königin Victoria heiratete, brachte die deutsche Tradition nach England, von wo aus sie sich nach Amerika ausbreitete.
Als Beleg wird ein schwarz-weiß Druck angeführt, der Victoria und Albert gemeinsam mit ihren Kindern unter einem mit Kerzen versehenen Christbaum zeigt. Veröffentlicht wurde das Bild 1848 in dem Magazin "The Illustrated London News". Auch damals interessierten sich die Menschen schon für das private Leben der Mitglieder des Königshauses. Überdies wirkten Queen Victoria und ihr Prinzgemahl als Vorbild, sodass der Weihnachtsbaum en vogue wurde.
Dirk Bratschedl, Mitarbeiter der Meininger Touristinformation führt dagegen an, dass der Baum nicht auf Albert, sondern auf Victoria zurückzuführen ist. Und sie wiederum habe die Tradition von ihrer Tante Adelheid gekannt - ihrer Vorgängerin auf dem englischen Thron und: eine gebürtige Meiningerin.
Queen Victoria feierte Fest schon als Kind mit Weihnachtsbaum
Als Queen Adelaide regierte die Tochter von Herzog Georg I. ab 1830 sieben Jahre an der Seite von König William das britische Königreich. Tatsächlich ist überliefert, dass Victoria schon als 13-Jährige bei ihrer Meininger Tante Adelheid das Weihnachtsfest mit Weihnachtsbaum und Geschenken gefeiert hatte, wie Kunsthistorikerin Andrea Jakob bestätigt. Demnach gibt es Tagebuchaufzeichnungen, in denen Victoria über den deutschen Brauch schwärmt.
Der Weihnachtsbaum war dort schon vorher durch eingeheiratete deutsche Familienmitglieder bekannt - unter anderem durch die Meiningerin Adelheid, die als besonders kultur- und heimatbewusst galt.
Für Dirk Bratschedl ist daher klar: Meiningen kann zumindest einen Anteil an dem internationalen Exporterfolg des Christbaums ab Mitte des 19. Jahrhunderts für sich beanspruchen. Wenngleich er diesen Anspruch augenzwinkernd verstanden wissen will: "Wir sind ja sehr bescheiden. Und leben mit den Coburgern ja auch in einer angenehmen Nachbarschaft. Aber dieser Aspekt der Geschichte sollte schon mal erzählt werden."
Auch Kunsthistorikerin Andrea Jakob sieht etwas Korrekturbedarf in der Coburger Version. Zwar sei es das medienwirksame Bild von Victoria und Albert gewesen, welches die weltweite Verbreitung der ehemals nur deutschen Tradition anschob. Aber es sei nicht der Coburger Albert gewesen, der den Weihnachtsbaum im englischen Königshaus eingeführt hat: "Der Weihnachtsbaum war dort schon vorher durch eingeheiratete deutsche Familienmitglieder bekannt - unter anderem durch die Meiningerin Adelheid, die als besonders kultur- und heimatbewusst galt."
MDR (caf)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Morgen | 21. Dezember 2024 | 06:00 Uhr
Anita L. vor 15 Wochen
Tja, besonders weit scheint es mit dem "deutschen Volksbewusstsein", oder wie rechte und völkische Truppen diesen mythischen Kleister auch immer bezeichnen, wohl doch nicht zu sein. Wenn sich Bundesländer schon über die mögliche oder unmögliche Traditionsstiftung vergangener Herzoghäuser streiten...
Stealer vor 15 Wochen
Mmh ja, die eine stammte aus Sachsen-Meiningen, der andere aus Sachsen-Coburg-Gotha. Wobei sowohl Meiningen als auch Coburg fränkische Städte sind. Die allerdings nur die östlichsten Gebiete des ursprünglichen Frankenreichs waren und vorher mal zum Reich der Thüringer gehörten. Und mit dem Stamm und ursprünglichen Herzogtum der Sachsen haben sie, ebenso wie das heutige Sachsen, eigentlich auch nichts zu tun.
Was wollte ich eigentlich sagen... ach ja, Frohes Fest!
Maria A. vor 15 Wochen
Ja, die deutschen Weihnachtsbräuche sind sehr bekannt geworden, nicht nur in England. Besondere Aufmerksamkeit wurde ihnen in Amerika zuteil, wo beim allgemeinen Dekorieren, wie auch beim Schmücken von Weihnachtsbäumen, oftmals noch "eine Schippe draufgesetzt wird".