Comeback des Polit-Showmans Krawall-Politiker Saakaschwili darf in die Ukraine zurück

29. Mai 2019, 15:01 Uhr

Vor zwei Jahren wurde dem georgischen Ex-Präsidenten Michail Saakaschwili der ukrainische Pass entzogen. Nun gibt der neue Präsident Wolodymyr Selenskyj Saakschwili seine Staatsbürgerschaft zurück. Am Mittwoch kehrt der Politstar bereits zurück in seine Wahlheimat Ukraine.

2015 wurde Georgiens Ex-Präsident Michail Saakaschwili ukrainischer Staatsbürger. Sein Studienfreund Petro Poroschenko, damals erst seit kurzem als Staatschef der Ukraine im Amt, holte ihn als Reformer ins Land und ernannte Saakaschwili zum Gouverneur der südukrainischen Region Odessa. Die größte Hoffnung, die man damals mit Saakaschwili verband war, er würde die allgegenwärtige Korruption bekämpfen. Viel Erfolg war ihm dabei aber nicht beschieden und seine Karriere als ukrainischer Spitzenpolitiker war nicht von langer Dauer. Schon um die Jahreswende 2016/2017 wurde Saakaschwili plötzlich der größte Schlagzeilenmacher des politischen Kiews. Nach seinem Rücktritt als Gouverneuer von Odessa begann er nämlich, Poroschenko hart zu kritisieren und warf ihm vor, zu lasch gegen die Korruption vorzugehen. Der Präsident reagierte prompt und hart – er entzog dem 51-jährigen Ex-Georgier die Staatsbürgerschaft, die er ihm wenige Jahre zuvor selbst verliehen hatte.

Comeback nach anderthalb Jahren

Was danach folgte, war fast noch absurder. Im September 2017 reiste Saakaschwili illegal wieder ein: Gemeinsam mit seinen Anhängern hatte er einen Kontrollpunkt an der polnisch-ukrainischen Grenze gestürmt. Später versuchte der ukrainische Inlandsgeheimdienst mehrmals vergeblich, Saakaschwili festzunehmen, der als Anführer wöchentlicher Proteste gegen Poroschenko von sich reden machte. Erst im Februar 2018 wurde er von der Grenzpolizei in einem georgischen Restaurant festgenommen, gefesselt und nach Polen ausgeflogen. Dort und in den Niederlanden verbrachte er in den letzten eineinhalb Jahren die meiste Zeit, doch nun kommt für Saakaschwili die Wende. Am Dienstag gab der neue ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Saakaschwili seinen ukrainischen Pass zurück. Noch am Mittwoch, um 17:15 Uhr Kiewer Zeit, soll in der ukrainischen Hauptstadt ein Flieger aus Warschau landen - mit Saakaschwili an Bord.

Großes Lob für Selenskyj

"Ich danke dem Präsidenten Selenskyj! Ruhm der Ukraine", war Saakaschwilis erste Reaktion auf seine Wiedereinbürgerung. Zuletzt machte der Politiker keinen Hehl aus seiner Sympathie für den Ex-Komiker Selenskyj, trotz dessen Verbindung zum umstrittenen Oligarchen Ihor Kolomojskyj, zu dem Saakaschwili eher schwierige Beziehungen pflegt. "Ich unterstütze Selenskyj und sein Team. Er ist eine große Chance für die Ukraine", erklärte Saakaschwili in einem Interview mit dem russischen Wirtschaftsmedium RBK. "Ich habe keine [politischen - Anm. d. Red.] Ambitionen, werde aber meinen Kampf gegen die Korruption und die Oligarchen fortsetzen", ergänzte er.

Vor- und Nachteile für den Präsidenten

Ob Saakaschwili mit der Partei "Diener des Volkes" von Präsident Selenskyj zusammenarbeiten wird, ist noch unklar. Für Selenskyj hätte die sowohl Vor- als auch Nachteile. Der Ex-Kabarettist stilisiert sich zum großen Korruptionskämpfer - auf diesem Feld hatte Saakaschwili unumstrittene Erfolge in Georgien. Auch gehört Saakaschwili zu den bekanntesten Politikern in der Ukraine und konnte nach seiner Ausbürgerung jede Woche mehrere Tausend Ukrainer für Proteste mobilisieren. Das waren zwar keine Riesendemos, dennoch ein wertvolles politisches Kapital, das man bei der vorgezogenen Parlamentswahl am 21. Juli wieder gebrauchen könnte.

Trotzdem wird Saakaschwili nach dem Theater um seine Ausbürgerung kaum noch ernst genommen, das Image des Politclowns haftet dem 51-Jährigen an. Außerdem gilt Saakaschwili als äußerst schwieriger Partner, der meist nur seine Linie verfolgt und den politischen Partnern schnell den Rücken kehren kann. Ein Bündnis mit Saakaschwili hätte für Selenskyj also Risiken, was auch das Beispiel Poroschenko zeigt.

"Politische Rache" wiedergutgemacht

Saakaschwilis Ausbürgerung durch Poroschenko wurde seinerzeit von den Ukrainern negativ wahrgenommen. "Die Ausbürgerung war eine politische Rache von Poroschenko. Ich freue mich, dass die Gerechtigkeit wiederhergestellt wurde", kommentierte daher Julia Timoschenko, zweifache Ministerpräsidentin und Anführerin der Vaterlantspartei, die an der illegalen Einreise Saakaschwilis über Polen im September 2017 teilnahm, sich später aber von dem 51-Jährigen distanzierte.

Die illegale Einreise von damals könnte nun übrigens zu einem juristischen Problem für Saakaschwili werden, allerdings bestätigte die ukrainsche Grenzbehörde bereits, dass er nun ins Land zurückkehren darf. "Einem ukrainischen Staatsbürger darf das Recht nicht entzogen werden, in die Ukraine einzureisen", betonte Behörden-Sprecher Oleh Slobodjan - und Saakaschwili ist seit gestern wieder Ukrainer.

Politshow garantiert

Und so darf man sich in der Ukraine nach einer erzwungenen Pause auf neue Folgen der Politshow von Saakaschwili freuen. Bei der anstehenden Parlamentswahl wird er aber wohl nicht antreten können. "Saakaschwili hätte fünf Jahre lang in der Ukraine leben müssen, um kandidieren zu dürfen. Das ist nicht der Fall", meinte Dmytro Rasumkow, Vorsitzender der Partei "Diener des Volkes", am Dienstag. Trotzdem wird es mit Saakaschwili nicht langweilig, darüber ist man sich in Kiew einig.

MDR aktuell 17:45 Uhr

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