Blick auf die Wipper bei Drohndorf, rechts im Bild eine marode Brücke
Bildrechte: MDR/Tom Gräbe

Brücke ist einsturzgefährdet Kleine Brücke, großes Problem: Warum Anwohner von Drohndorf kilometerlange Umwege hinnehmen müssen

12. Juli 2020, 14:57 Uhr

Mal eben den Müll rausbringen? Das kann Bianca Triebel nicht. Das Müllauto kommt nicht zu ihrem Haus. Und auch kein anderes großes Fahrzeug. Der Grund: eine kleine marode Feldsteinbrücke. Über sie führt der direkte Weg nach Drohndorf bei Aschersleben. Doch die Brücke wurde schon vor Jahren für den Lkw-Verkehr gesperrt. Jetzt darf niemand mehr drüber. Das macht den Alltag der Anwohner "An der Gipshütte" umständlich. Eine schnelle Lösung wird es nicht geben. Tom Gräbe hat sich in Drohndorf umgesehen.

Tom Gräbe
Bildrechte: MDR/Fabian Frenzel

Der Platz am Rande des Dorfes könnte eine Postkartenidylle sein. Hinter mir ein Spielplatz, vor mir schlängelt sich die Wipper gesäumt von alten Bäumen unter einer uralten Feldsteinbrücke durch. Doch rot-weißes Flatterband, Bauzäune und ein Sperrschild auf der Brücke trüben das Bild. Hinter der Absperrung: ein Feldweg, eine Bahnlinie, ein Feld und dann am Hang: die Häuser von Bianca Triebel und ihren Nachbarn. Um hierher, auf die Dorfseite zu kommen, war sie lange unterwegs.

"Fünf Kilometer, einmal eine Runde", sagt sie. Der Weg nach Drohndorf führt für sie über den Nachbarort. Die direkte Verbindung, die alte Feldsteinbrücke, ist marode. An einer Seite hängen lose Steine. Und das nicht erst seit gestern: Schon vor Jahren haben die Behörden die Fahrbahn eingeengt. Lkw durften seitdem nicht mehr drüber. Fußgänger, Radfahrer und Autos schon. Bis vor ein paar Wochen. Dass die Brücke gesperrt ist, erfuhr Bianca Triebel erst, als die Arbeiter anrückten und die Sperrzäune stellten.

Eine Frau steht vor einer Brücke, die für Fußgänger gesperrt ist.
Bianca Triebel und ihre Nachbarn müssen wegen der Sperrung lange Umwege in Kauf nehmen. Bildrechte: MDR/Tom Gräbe

"Die Brücke ist einsturzgefährdet. Das war die einzige Information", sagt sie. Das macht den Alltag von Bianca Triebel und ihren Nachbarn noch mal schwieriger. Ihre Häuser sind abgeschnitten vom direkten Weg ins Dorf. Der führt jetzt über einen holprigen Feldweg außen herum. Die Stadt hat den Feldweg zwar neu geschottert, Lkw dürfen aber trotzdem nicht dort lang.

Und das sorgt für eine Vielzahl an Problemen: "Mein Nachbar ist 82 Jahre und fährt die Mülltonnen mit dem Traktor", sagt Bianca Triebel. Das Angebot, verschließbare Müllcontainer nebenan in Mehringen aufzustellen, haben die Anwohner abgelehnt. Auch die Versorgung mit Heizöl ist schwierig, aufwändig ist auch der Schülertransport. Die Häuser sind quasi abgeschnitten vom Lieferverkehr. "Man kriegt nichts mehr ran", sagt Bianca Triebel. Kein Lkw komme da hinter. "Also wird das irgendwo abgestellt und gut ist."

So klein die Brücke auch ist – sie ist teuer

Und auch hier, auf der Dorfseite endet die Straße an der Absperrung. Ein Landwirt muss deshalb lange Umwege zu seinen Feldern fahren. Auch der Wipperradweg führt über die Brücke. Rettungsdienst und Feuerwehr haben jetzt längere Anfahrtswege. 

Allerdings: So klein die Brücke ist, so sehr das Mauerwerk bröckelt, so teuer ist sie auch: In der Prioritätenliste der Stadt für Bauvorhaben, die in diesem Jahr nicht berücksichtigt werden konnten, sind Gesamtkosten von 750.000 Euro veranschlagt. Die Liste hatte der Stadtrat beschlossen, falls Geld frei wird. Die Wipperbrücke steht an 17. Stelle. Vorrang haben momentan noch zwei Straßen in Drohndorf. Verpflichtungen aus dem Eingemeindungsvertrag. Seit 2008 gehört der Ort zu Aschersleben. 

Das Dilemma mit der Brücke: Menschen in Drohndorf brauchen Geduld

Auf einer Brücke stehen mehrere Schilder und Absperrungen.
Seit Wochen ist die Wipperbrücke in Drohndorf voll gesperrt. Bildrechte: MDR/Tom Gräbe
Auf einer Brücke stehen mehrere Schilder und Absperrungen.
Seit Wochen ist die Wipperbrücke in Drohndorf voll gesperrt. Bildrechte: MDR/Tom Gräbe
Neben einem Feldweg steht ein Schild, das auf die Sperrung einer Brücke hinweist.
Schon von Weitem weist ein Schild darauf hin. Bildrechte: MDR/Tom Gräbe
Nahaufnahme eines Brückenpfeilers, aus dem einige Steine herausgefallen sind.
... lässt sich beim näheren Anblick gut erkennen. Bildrechte: MDR/Tom Gräbe
Eine Frau steht vor einer Brücke, die für Fußgänger gesperrt ist.
Bianca Triebel und ihre Nachbarn müssen lange Umwege in Kauf nehmen. Bildrechte: MDR/Tom Gräbe
Blick auf ein an einem Feldweg gelegenes Haus, vor dem ein Auto steht.
Die Häuser an der Gipshütte sind jetzt vom Dorf quasi abgeschnitten. Bildrechte: MDR/Tom Gräbe
Alle (5) Bilder anzeigen

Stadtrat diskutiert

Vor kurzem stand das Brückenproblem auf der Tagesordnung des Stadtrates. Die Linke-Fraktion hatte eine aktuelle Stunde beantragt. Die Räte haben diskutiert: Ob die Prioritätenliste überarbeitet werden kann, ob es Förderprogramme gibt. Das eigentliche Problem bleibt aber: Es fehlt an Geld. Ascherslebens Oberbürgermeister Andreas Michelmann sagte am Rande der Sitzung: "Wir haben in Sachsen-Anhalt das eigenartige Verhältnis von wenig bis kein Geld zu Reparatur von Brücken und gleichzeitig hohe Standards, was die Sicherheit anbelangt."

Vorbild sei Baden-Württemberg. Dort gebe es ein Brückenbauprogramm. Der Investitionsstau bei der Sanierung von Brücken sei seitdem zum Großteil Geschichte. "Wir haben das nicht, aber die hohen Sicherheitsstandards. Und die müssen wir auch einhalten“, so Michelmann weiter. Die Folge sei, dass man im Zweifelsfall – wenn es die Sicherheit gebiete – die Brücken sperren müsse. Zum Leidwesen der Bevölkerung.

In der Stadt Aschersleben und ihren elf Ortsteilen gibt es übrigens 77 Brücken. Für ihren Zustand gibt es ein Benotungssystem. "Insgesamt 7 Brücken haben die Note gut und sehr gut", schreibt die Stadt in einer Mitteilung. An 48 Brücken werden mittel- und kurzfristig Reparaturen und Unterhaltungsmaßnahmen notwendig. Voll gesperrt sind zwei Brücken. Die Wipperbrücke in Drohndorf und eine Fußgängerbrücke in Mehringen. "Selbst Maßnahmen mit anteiligen Förderungen sind nur schwer realisierbar", schreibt die Stadt weiter. Die hohen Baukosten würden enorme Mengen an Eigenmitteln binden.  

Keine schnelle Lösung

Ein Dilemma für die Drohndorfer. Einige sehen sich die Sitzung des Stadtrates an. Währendessen wird auch noch einmal klar: Eine schnelle Lösung wird es nicht geben. Damit dürfte Bianca Triebel auch nicht gerechnet haben. Nach der Sitzung ist sie aber trotzdem geknickt und sauer. Auch wegen der Sache mit dem Müll.

Wenn man zu hören kriegt, dass man seine Müllbeutel fahren soll. Die siffigen Dinger in sein eigenes Auto stellt und sich das Auto versaut. Das sehe ich nicht ein.

Bianca Triebel Anwohnerin in Drohndorf bei Aschersleben

Seit die Brücke gesperrt wurde, ist es einsamer geworden. "Soziale Kontakte fallen weg. Allein für die Kinder“, sagt Bianca Triebel noch. "Die Kinder gehen jetzt durch die Wipper." Und tatsächlich. Das geht. Im Sommer. Mit Gummistiefeln. Aber das ist natürlich auch kein Zustand. Die Feldsteinbrücke mit ihren zwei Bögen steht übrigens wohl schon seit mehr als 200 Jahren in Drohndorf. So lange gibt es die direkte Verbindung über das Flüsschen schon. Jetzt ist sie gesperrt.

Aber es gibt einen Hoffnungsschimmer. Vielleicht findet sich doch noch ein Fördertopf. 

Bis klar ist, was mit der Brücke passiert, versuchen die Behörden Lösungen für den Alltag von Bianca Triebel und ihren Nachbarn zu finden. Für den Feldweg ins Nachbardorf soll es einen Winterdienst geben. Die Anwohner "An der Gipshütte" werden weiter lange Umwege in Kauf nehmen müssen. Das Leben hinter der Brücke bleibt umständlich.

Tom Gräbe
Bildrechte: MDR/Fabian Frenzel

Über den Autor Tom Gräbe arbeitet seit 2014 für MDR SACHSEN-ANHALT – als Reporter für den Salzlandkreis und ist daher sehr viel von Aschersleben, Staßfurt, Egeln bis zur Stadt Seeland unterwegs. Er produziert Hörfunkbeiträge, schreibt Texte für die Online-Redaktion und ist ab und zu auch für das Regionalmagazin MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE mit der Kamera unterwegs. Aufgewachsen ist er in Aschersleben. Zum Hörfunk gekommen ist er als Teenager. Nach einem Praktikum bei einem Freien Radio hat er viele Jahre im Vorharz gefunkt. Zu seinen Lieblingsorten in Sachsen-Anhalt gehören die Seen um Plötzky, der Harz und die ruhigen Ecken im Ascherslebener Stadtpark.

Quelle: MDR/ld

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 09. Juli 2020 | 06:40 Uhr

1 Kommentar

Realist62 am 13.07.2020

Das kann man machen. Denn bei uns in der Gemeinde Schkopau ging das mal vor Jahren ratz-fatz als sich sich die Einwohner beschwerten. Und die provesorische Brücke war da. Okay das war eine wichtige Landstrasse über die Elster. Auch das sollte auch in Aschersleben kein Problem sein.

Mehr aus Salzlandkreis, Magdeburg, Börde und Harz

Mehr aus Sachsen-Anhalt