Wahlzone Sachsen Glaubwürdigkeit? Fehlanzeige!

04. September 2017, 16:43 Uhr

Rainer Müller gehört zu denjenigen, die sich noch nicht entschieden haben, wo am 24. September das Kreuz gesetzt werden soll. Die großen Parteien sind für ihn mittlerweile unglaubwürdig. Sich deswegen von der Politik abzuwenden, kommt dem Leipziger aber nicht in den Sinn.

Der Leipziger Rainer Müller – Jahrgang 1970 – ist enttäuscht von den sogenannten Volksparteien. Zu oft habe er für sich festgestellt, dass das, was vor den Wahlen erzählt wurde, danach vergessen war. Politikverdrossen ist er aber nicht, im Gegenteil. Schon zu Zeiten, als er die Brötchen als Finanzdienstleister verdient hatte, begann er sich für Politik zu interessieren. In der Branche habe er gelernt, wie viele Subventionsgesetzte es gibt und wie viele Mitarbeiter das Finanzamt zur Verfügung hat, diese auch durchzusetzen. Von da an wollte er wissen, wer die Gesetze eigentlich macht, wie sie zustande kommen und wem sie wirklich etwas nützen. Und wenn er dann davon hört oder liest, dass manche Millionäre ihr Geld ins Ausland schaffen, um dadurch den deutschen Fiskus zu umgehen, dann ärgert ihn das maßlos. 

Dass die Union oder die SPD daran etwas ändern werden, daran glaubt Rainer Müller nicht. "Die SPD schimpft von sozialer Ungerechtigkeit, ist aber Teil der Regierung und hat nichts an der Steuergesetzgebung geändert” , stellt Rainer Müller fest.

"Sozial gerecht muss sein - aber bitte ehrlich gemeint"!

Soziale Gerechtigkeit liegt ihm besonders am Herzen. Als Vater von drei Kindern weiß er, was es heißt, nicht genug Geld in der Haushaltskasse zu haben. Als gelernter Restaurantfachmann musste er in seinem Leben viel Lehrgeld bezahlen. 

Während seiner Lehre in einem Hotel arbeitete der damals 20-Jährige bereits nebenbei als Finanzdienstleister und verdiente gutes Geld. “Da habe ich manchmal zwei bis dreitausend Mark verdient, dazu das Lehrgeld. Das war nicht schlecht, mit 20 Jahren, da stand mir die Welt offen”, blickt Rainer Müller zurück. Das verdiente Geld gab er gleich und reichlich aus. Mal wurden an einem Wochenende 1.500 Mark auf den Kopf gehauen, mal ein Auto gekauft - alles frei nach dem Motto “Was kostet die Welt?”. Doch dann ist Rainer Müller finanziell baden gegangen.

Da habe ich, wie man so schön sagt, die Wurst über die Schnitte gezogen.

Rainer Müller

Die berufliche Bruchlandung passierte ihm noch zwei-, dreimal. Irgendwann schaffte er es aber, sich mit einem Büroservice erneut ein berufliches Standbein zu schaffen. Als seine beiden jüngsten Kinder auf die Welt kamen, merkte Rainer Müller schnell, wie schwer es ist, als Selbstständiger eine fünfköpfige Familie zu ernähren und Rechnungen zu bezahlen. 

Elternrat statt Stammtisch

Diese Erfahrung machte er auch in seiner Funktion als Elternratsvorsitzender an dem Gymnasium seiner ältesten Tochter. Oft wurde ihm in persönlichen Elterngesprächen erzählt, dass man sich trotz zweier Vollzeitjobs kaum etwas leisten kann.

Wenn man ganz knapp über HartzIV liegt, dann fällt man komplett aus den staatlichen Hilfeleistungen raus, muss aber alles selbst zahlen. Das ist für viele Familien ein Genickbruch.

Rainer Müller

Dass die SPD nun mit dem Thema “Zeit für mehr Gerechtigkeit” wirbt, darüber kann er nur den Kopf schütteln. “Die SPD war und ist nach wie vor an der Regierung beteiligt, hat aber die sozialen Themen vor der Wahl nie wirklich besetzt und umgesetzt.” Und auch die CDU verspreche nun mehr für die Familie zu tun, Familien mit mehr Respekt zu begegnen, resümiert Rainer Müller und fragt sogleich: “Was hat sie denn die letzten 25 Jahre dafür gemacht?” Die Antwort gibt er sich selbst: “Gar nichts!”

Einmischen erwünscht

Trotzdem mischt sich Rainer Müller immer wieder in die Politik ein. Derzeit am liebsten bei der sächsischen Bildungspolitik. Als Elternratsvorsitzender und als stellvertretender Vorstand im Landeselternrat. Er weiß, dass sich das lohnen kann. “Vor 20 Jahren haben Eltern des Landeselternrats bewirkt, dass im sächsischen Schulgesetz die Elternmitwirkung verankert wird.” Ein schöner Sieg der Eltern und die Möglichkeit sich auch politisch einzumischen. 

Das funktioniere auch bei allen anderen Themen, sagt Rainer Müller und zählt die Möglichkeiten auf, die jeder Bürger hat: Petitionen, Anfragen, Bürgerinitiativen und natürlich auch wählen.

Bis zur Wahl will Rainer Müller noch einmal alle Parteien auf Herz und Nieren prüfen - auch die allerkleinsten. Und dann wird er seine Kreuze setzten.

Quelle: MDR/bb

Über dieses Thema berichtet MDR SACHSEN im Radio: MDR SACHSEN | 04.09.2017 | ab 05:00 Uhr

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