Mittwoch, 20.05.2020: "Kraniche am Boden"
Ein bisschen fehlen sie mir schon - die startenden Flugzeuge am Morgen. Ich nenne sie immer die 6-Uhr-Maschine. Wenn ich zum Lauf an der Elbe starte, zieht sie eigentlich ihre Bahn in den Morgenhimmel. Von fern hörte ich die Motoren. So begrüßten wir oft gemeinsam den neuen Tag in dieser lichten Jahreszeit.
Flugzeuge faszinieren mich. Ein wenig Fernweh wird in mir wach. Erinnerungen an eigene Urlaube und Sehnsucht nach Kindern, die weit weg wohnen. Wie gern würde ich sie auch dieses Jahr besuchen. Derzeit fehlen die Kondensstreifen am Himmel. Die Fernsehbilder zeigen die Flugzeuge auf dem Rollfeld wie zum Rapport in Reih und Glied aufgestellt. Die Triebwerke sind verhüllt mit Überziehern, als müssten sie sich auch vor der Infektion schützen. Die Kraniche am Heck markieren eine der größten Airlines der Welt. Es heißt, Millionenschäden entstehen fast täglich, wenn die Vögel nicht abheben können. Zugleich ahne ich, dass die Natur aufatmet, wenn die Atmosphäre jetzt nicht mit ihren Abgasen zu kämpfen hat.
Beim Prophet Jeremia heißt es einmal: Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit, Turteltaube, Schwalbe und Kranich halten die Zeit ein, in der sie wiederkommen sollen, aber mein Volk will das Recht des Herrn nicht wissen.
Jer 8, 7
Wie wird es sein, wenn der Flugverkehr wieder beginnt und der Himmel nicht mehr nur den Vögeln gehört? Hatten wir mit Billigfliegern und exzessivem Tourismus jedes Maß verloren? Ein gute Ordnung, die uns, anderen Völkern und der Natur noch gut tut? Was das Recht des Herrn im Blick auf den Flugverkehr ist, sagt uns nicht so ohne Weiteres der Instinkt. Es lässt sich auch nicht unmittelbar aus der Bibel ablesen. Vielmehr müssen wir abwägen zwischen unserem Wunsch nach weltweiter Mobilität und Handel und dem Schutz unserer Lebensgrundlagen.
Vielleicht wird Fliegen teurer werden. Vielleicht wird es schonendere Antriebe geben müssen? Wahrscheinlich ließe sich mancher Flugverkehr auch besser auf die Schiene verlagern. In jedem Fall dürfen wir die Natur nicht länger so behandeln, als hätten wir das Recht, sie nach Lust und Laune auszubeuten. Gottes Ordnungen und Zeiten der Schöpfung sind auch für uns Maßstäbe, die wir nicht ungestraft missachten.
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