Freitag, 28.06.2019: Spiegelsaal

17 Spiegel so hoch wie die 17 Fenster gegenüber, geteilt in 350 Einzelspiegelflächen. Sie vervielfältigen nicht nur das Tageslicht im Palast, sondern auch die Kerzenbeleuchtung bei Nacht und bringen die barocke Pracht des Schlosses zum Strahlen.  Der Spiegelsaal von Versailles. Paris ist eine Reise wert. Ein zusätzlicher Tag Versailles setzt dem Staunen die Krone auf. Nicht nur Prunk und Reichtum des Sonnenkönigs können hier bewundert werden, es ist auch ein Denkmal der Geschichte in Europa. Hier wurde im Deutsch-Französischen Krieg 1870 - 1871 von der Preußischen Führung das deutsche Kaiserreich ausgerufen. Eine Demütigung für das französische Volk am symbolischen Ort früherer Macht.

Und im Gegenzug wurde hier nach dem 1. Weltkrieg, heute vor 100 Jahren, der Friedensvertrag von Versailles geschlossen, der den Deutschen die Alleinschuld am Krieg zuschob, deutsche Gebietsverluste und Reparationszahlungen festschrieb. Diese Demütigung nutzte deutsch-nationale Ideologie nun ihrerseits als Begründung dafür, Europa und die Welt mit einem weiteren verheerenden Krieg zu überziehen.

Die Spiegel. Hätten sie nicht verhindern können, was an Revanchismus auf beiden Seiten im deutsch-französischen Verhältnis aufblühen konnte? Bestärkt der Spiegel die eigene Eitelkeit, oder hat er nicht auch die Funktion, kritisch mit sich selbst ins Gericht zu gehen? Die christliche Tradition kennt den Beichtspiegel. Das eigene Leben an den 10 Geboten und den christlichen Werten messen. Nicht töten. Nicht falsch Zeugnis reden. Nicht Böses mit Bösem beantworten. Verzeihen. Nicht nur im Privaten, sondern auch im politischen Leben. Die Mechanismen sind im Kleinen wie im Großen nämlich dieselben: Wer gedemütigt wird, legt sich so eine moralische Pluspunktesammlung an, die ihn scheinbar berechtigt, zu einem späteren Zeitpunkt loszuschlagen, um das erlittene Unrecht wieder auszugleichen. Das einzig wirksame Mittel gegen solche Spirale des Unrechts ist der Blick in den Spiegel: Einsicht in die eigene Schuld, die Bitte um Vergebung und die Freiheit zum Verzicht auf Entschädigung. Rache sollte niemals Sache des Menschen sein. Letzte Gerechtigkeit vermag allein Gott zu schaffen.

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

Kurzbiografie Thomas Bohne

Thomas Bohne

1957 in Leipzig geboren | katholischer Priester seit 1989 | Mitglied in der Gemeinschaft Oratoriums zu Leipzig seit 1991 | Abitur, Ausbildung zum Gärtner | Theologiestudium am Theologisch-Philosophischen Studium in Erfurt von 1982-1989 | Kaplan in Greiz (Thüringen) von 1989-1991 | 1991 Eintritt in das Oratorium zu Leipzig, 1991-2000 Seelsorger in den Pfarreien Leipzig-Lindenau und Leipzig Gohlis | ab 2001 Militärseelsorger am Standort Leipzig, in dieser Zeit 2004/2005 und 2007/2008 in Afghanistan (Kabul und Feyzabad) | ab 2009 Pfarrer in der Pfarrei Leipzig-Lindenau | ab 2019 leitender Pfarrer der neugegründeten Pfarrei St. Philipp Neri Leipzig-West, Ende 2020 Entpflichtung und ab 2021 tätig als Gefängnisseelsorger und Flughafenpfarrer, außerdem Mitglied der "Katholischen Filmkommission für Deutschland", Filmkritiken für die Zeitschrift KOMPASS und Homepage des Oratoriums Leipzig | seit 2000 mehrfach Mitglied in den ökumenischen Jurys bei nationalen und internationalen Filmfestivals, zuletzt Mitglied und auch Präsident der Interreligiösen Jury bei DOK Leipzig | Mitarbeit beim YOUTUBE-Kanal des Oratorium Leipzig CO

Kurzbiografie Holger Treutmann

Holger Treutmann

1963 in Springe bei Hannover geboren | verheiratet | 2 Kinder | Studium in Bethel, Göttingen, Berlin | 1989 1. Theologisches Examen in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover | 1989-1993 Pharmareferent bei Astra-Chemicals Wedel/Hamburg | 1993-1995 Vikariat in Bröckel bei Celle | 1995 2. Theologisches Examen in der Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannover | 1995 Wechsel in die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen | 1995-1999 Pfarrer in Eibenberg-Kemtau und Chemnitz-Reichenhain | 1999-2005 Pfarrer in St.-Pauli-Kreuz-Gemeinde Chemnitz | 2006 - Januar 2016 Pfarrer der Frauenkirche in Dresden | Ehrenamtlicher Mitarbeiter der Notfallseelsorge Dresden | seit Februar 2016 Senderbeauftragter der Ev. Kirchen beim MDR und Rundfunkbeauftragter der Ev.-Lutherischen Landeskirche Sachsens

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.