Mittwoch, 18.05.2022: Die andere Wange

Julio Diaz ist ein junger Sozialarbeiter in New York. Nach Feierabend will er noch einen Happen essen. Doch nach dem Aussteigen aus der Metro hält ihm ein Jugendlicher an der U-Bahn-Haltestelle ein Messer an den Hals. Julio gibt ihm sein Portmonee. Als der Räuber weglaufen will, sagt Julio: "Wenn du noch den ganzen Abend Leute ausrauben willst, brauchst Du vielleicht meine Jacke, um dich warmzuhalten!?" Der Junge mit dem Messer schaut Julio ungläubig an. Und dieser fährt fort: "Ich wollte eigentlich nur eine Kleinigkeit essen. Wenn du auch magst, bist du willkommen." Kurze Zeit später sitzen beide in Julios Lieblingsimbiss. Später wird Julio einem Reporter des National Public Radio antworten: "Wenn du Menschen gut behandelst, kannst du nur hoffen, dass sie dich auch gut behandeln. Einfacher wird es nicht in dieser komplizierten Welt."*

Julios Geschichte mag märchenhaft, ungeheuerlich oder auch nur sentimental klingen. Normalerweise spiegeln wir Menschen in unserem Verhalten andere Menschen. Das heißt: Wer ein Kompliment bekommt, erwidert es gern. Wer angelächelt wird, lächelt zurück. Doch, wer beschimpft wird, reagiert ebenfalls unfreundlich. Positive wie negative Stimmungen verstärken sich gegenseitig.

Julio hat das ausgehebelt: Er hat das Gute in dem Jungen mit dem Messer vermutet, obwohl es nicht den Anschein machte, und ihm genau das gespiegelt. Damit tritt er in eine Reihe mit Mahatma Gandhi, Martin Luther King und Jesus, die genau das vorgelebt haben. Jesus sagt (frei nach Lukas 6, 32ff): "Wollt ihr etwa noch dafür belohnt werden, dass ihr die Menschen liebt, die euch auch lieben? (...) Ist es etwas Besonderes, denen Gutes zu tun, die auch zu euch gut sind? Das kann jeder. (...) Ihr aber sollt eure Feinde lieben und den Menschen Gutes tun. Ihr sollt anderen etwas leihen, ohne es zurückzuerwarten. Dann werdet ihr reich belohnt werden."

Was Jesus verlangt, scheint absurd, realitätsfern. Aber Julios Erfahrung zeigt, dass Unglaubliches passieren kann.

*(https://www.npr.org/2008/03/28/89164759/a-victim-treats-his-mugger-right?t=1650461862957)

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

Kurzbiografie Guido Erbrich | Senderbeauftragter der katholischen Kirche beim MDR

Guido Erbrich | Senderbeauftragter der katholischen Kirche beim MDR

geboren 1964 | Ausbildung zum Tontechniker | Arbeit beim Sender Leipzig | Studium der Theologie und Philosophie in Erfurt, Prag und New Orleans | Seit 1996 Referent im Bistum Dresden-Meißen | Leiter des "Roncalli Hauses" Heim-Volkshochschule und die Erwachsenenbildungsstätte des Bistum Magdeburg | Senderbeauftragte der katholischen Kirche beim Mitteldeutschen Rundfunk

Kurzvita Mira Körlin

Mira Körlin

Geboren am 01.10.1976 in Dresden | 1995 Abitur | 1995-1996 freiwilliges Soziales Jahr in Zwickau | 1996-2002 Studium der Germanistik, Literaturwissenschaft, Kommunikationswissenschaft und Ev. Theologie an der TU Dresden | 2002-2003 Pressereferentin in der Sächsischen Staatskanzlei | seit 2003 Referentin für Öffentlichkeitsarbeit für die beiden Dresdner Kirchenbezirke | verheiratet, zwei Kinder

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.