Dienstag, 17.05.2022: Krieg soll nicht sein

Der Kriegsberichterstatter und Militärhistoriker Samuel Marshall erlebt vier Kriege mit, an denen die USA beteiligt sind: Den Ersten wie den Zweiten Weltkrieg, den Koreakrieg und den Vietnamkrieg. Währenddessen interviewt er unzählige Soldaten. Bei seinen Befragungen darf jeder sprechen wie er will, unabhängig vom Dienstgrad. Jede Erfahrung wird dokumentiert. Und egal, wo er mit Kämpfern spricht, ob an Fronten in Europa oder irgendwo im Pazifik: Samuel Marshall stellt fest, dass nur 15 bis 25 Prozent der Soldaten bei ihren Einsätzen schießen. Nur, wenn ein Vorgesetzter sich drohend aufbaut und brüllt: "Schieß endlich!", oder, wenn ein Kamerad in Lebensgefahr war, richten die Soldaten die Waffen auf ihre Gegner. "Der gesunde Durchschnittsmensch", schreibt Marshall "hat eine innere und gewöhnlich uneingestandene Hemmung dagegen, einen Mitmenschen zu töten [...] so dass er aus eigenem Entschluss niemandem das Leben nimmt."*

Nachdem diese Erkenntnisse bekannt werden, werden auch andere bewaffnete Konflikte untersucht. Und es stellt sich heraus: Im amerikanischen Bürgerkrieg des 19. Jahrhunderts sind im Anschluss an Schlachten noch 90 Prozent der Waffen geladen, zum großen Teil sogar mit mehreren Kugeln überladen. Historiker deuten das so, dass das Laden der Gewehre und Musketen für den Moment die beste Entschuldigung war, um nicht schießen zu müssen.

"Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein", heißt es 1948 im Gründungsaufruf des Ökumenischen Rates der Kirchen, einer Gemeinschaft aus 350 christlichen Kirchen. Sie vertritt mehr als eine halbe Milliarde Christen in der Welt.

Trotz all der Bilder, all dem Schlimmen der letzten Wochen und Monate, ja, Jahre, lässt mich dieser Satz hoffen. Vielleicht kennt Gott uns Menschen besser als wir selbst. Hass und Gewalt brechen sich immer wieder Bahn. Das ist katastrophal und nicht schönzureden. Und doch hat Gott das Gute in uns angelegt: Menschlichkeit im besten Sinne des Wortes.

* (Aus: Samuel L. A. Marshall: Soldaten im Feuer. Gedanken zur Gefechtsführung im nächsten Krieg.)

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

Kurzbiografie Guido Erbrich | Senderbeauftragter der katholischen Kirche beim MDR

Guido Erbrich | Senderbeauftragter der katholischen Kirche beim MDR

geboren 1964 | Ausbildung zum Tontechniker | Arbeit beim Sender Leipzig | Studium der Theologie und Philosophie in Erfurt, Prag und New Orleans | Seit 1996 Referent im Bistum Dresden-Meißen | Leiter des "Roncalli Hauses" Heim-Volkshochschule und die Erwachsenenbildungsstätte des Bistum Magdeburg | Senderbeauftragte der katholischen Kirche beim Mitteldeutschen Rundfunk

Kurzvita Mira Körlin

Mira Körlin

Geboren am 01.10.1976 in Dresden | 1995 Abitur | 1995-1996 freiwilliges Soziales Jahr in Zwickau | 1996-2002 Studium der Germanistik, Literaturwissenschaft, Kommunikationswissenschaft und Ev. Theologie an der TU Dresden | 2002-2003 Pressereferentin in der Sächsischen Staatskanzlei | seit 2003 Referentin für Öffentlichkeitsarbeit für die beiden Dresdner Kirchenbezirke | verheiratet, zwei Kinder

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.