Montag, 16.05.2022: An den Frieden glauben
Die Sophienkathedrale in Kiew gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe und wurde vor einigen Jahren zu einem der sieben Weltwunder der Ukraine erklärt. Das tausend Jahre alte Gotteshaus ist aufs Engste mit der Kiewer Rus, dem Vorgängerreich Russlands, der Ukraine und Weißrusslands, verbunden. Sophia, die Namenspatronin, sollte von der Weisheit des Christentums künden. Wer die Sophienkathedrale nicht gesehen habe, kenne Kiew nicht, sagen die Ukrainer.
Ich muss an die Dresdner Frauenkirche denken. Sie steht für die Stadt wie kaum eine andere Sehenswürdigkeit. Ihre wiederaufgebaute Kuppel symbolisiert Frieden und Versöhnung.
Seit einem viertel Jahr sind wir nun täglich mit dem Leid aus Krieg, Zerstörung und Despotismus in Europa konfrontiert. Und die Suche nach gewaltlosen Wegen der Verständigung scheint schwieriger denn je. Dabei waren wir uns doch seit mehr als 30 Jahren darüber einig, dass es nur so gehen kann. Die wiedererstandene Frauenkirche schien der Beweis zu sein, dass nur dies die Zukunft sein kann.
Ein Irrtum? Rational verstehe ich, dass grundlosem Angriff Einhalt geboten werden muss. Dass Verteidigung nötig ist. Emotional ist mein inneres Weltbild im Februar, als der Krieg begann, binnen eines Tages zerbröselt. Ich weiß, dass tausende, vielleicht sogar Millionen von Menschen Gott in den Ohren liegen mit ihrer Bitte um Frieden. Das ist gut so. Wunder sind möglich. Das hat der Herbst 1989 gezeigt.
Das Leitbild der Frauenkirche lautet: Brücken bauen, Versöhnung leben, Glauben stärken. Auch den Glauben an den Frieden. Denn bis dato hat doch jeder Krieg im Desaster geendet. Nun gilt es, dieses Motto mit Leben zu füllen. In Richtung Osteuropa. Wenn wir auf den Straßen die russische Sprache vernehmen. Oder wenn uns ukrainische Großmütter, Mütter und Kinder begegnen.