Neomir-Observatorium der ESA in Erdumlaufbahn zwischen Erde und Sonne
Das künftige NEOMIR-Observatorium der ESA in der Erdumlaufbahn zwischen Erde und Sonne. Bildrechte: ESA / Pierre Carril

NEOMIR-Mission ESA plant Weltraum-Teleskop gegen Asteroiden aus der Sonne

21. Februar 2023, 10:02 Uhr

Mit einem Infrarot-Teleskop zwischen Erde und Sonne will die ESA kleinere Asteroiden aufspüren, die aufgrund des grellen Lichtes der Sonne von der Erde aus nicht zu sehen sind. Damit soll rechtzeitig vor Objekten über 20 Meter Durchmesser gewarnt werden.

"Aus der Sonne kommen" steht für eine Attacke, die für den Angegriffenen völlig überraschend kommt. Die Redewendung stammt aus der Fliegersprache. Sie bedeutet, dass ein Pilot im Luftkampf seinen Gegner aus einer Position angreift, in der er wegen des in seinem Rücken stehenden grellen Sonnenlichts für den Kontrahenten nicht zu sehen ist. Letzterer wird somit das Opfer eines Angriffs, den er nicht rechtzeitig erkennt und auf den er nicht reagieren kann.

Tscheljabinsk-Asteroid mit 1.500 Verletzten

Feuerball nach Asteroiden-Explosion über Tscheljabinsk 2013
Feuerball nach der Asteroiden-Explosion in der Atmosphäre über Tscheljabinsk, 2013. Bildrechte: IMAGO/piemags

"Angriffe aus der Sonne" sind auch für die Erde eine immer wiederkehrende Gefahr. So hatte niemand jenen mit 20 Metern Durchmesser vergleichsweise kleinen Asteroiden kommen sehen, der sich am 15. Februar 2013 aus Richtung Sonne der Erde näherte und über der russischen Stadt Tscheljabinsk im Ural explodierte. Tausende Gebäude wurden beschädigt und 1.500 Menschen verletzt. Statistisch gesehen schlagen Asteroiden dieser Größe alle 50 bis 100 Jahre auf der Erde ein. Größere Asteroiden sind viel seltener, hinterlassen aber auch gewaltigere Schäden.

Mittlere Asteroiden noch immer "unter Radar"

Brennende Sonne über der Antarktis
Im Moment dieser Aufnahme am 20. Februar 2020 fliegt die ESA-Raumsonde "Solar Orbiter" auf die brennende Sonne über der Antarktis zu. Sehen kann man vor dem grellen Licht aber nichts. Bildrechte: ESA/IPEV/PNRA–S. Thoolen

Immerhin haben Astronomen mittlerweile fast alle Asteroiden von über einem Kilometer Durchmesser entdeckt, die uns gefährlich werden könnten. Bei den kleineren und mittelgroßen Asteroiden ist das jedoch nicht der Fall, auch wenn diese ebenfalls sehr große Schäden anrichten können. Viele von ihnen fliegen gewissermaßen immer noch "unter Radar".

Zwar hilft uns die Sonne, Asteroiden zu erkennen, weil letztere das Licht des Sterns reflektieren. Doch je näher die Asteroiden der Sonne kommen, desto schwieriger sind sie zu sehen. Asteroiden, die die Sonne kreuzen, sind besonders schwer zu erkennen. Aber auch von der Erde aus sind wir für Asteroiden in der Nähe der Sonne blind, da die Planetoiden vom grellen Licht des Sterns überstrahlt werden.

Umlaufbahnen der 42 neu fotografierten Asteroiden 1 min
Bildrechte: ESO/M. Kornmesser/Vernazza et al./MISTRAL algorithm (ONERA/CNRS)
1 min

Die Europäische Südsternwarte (ESO) hat Gesteinsbrocken aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter fotografiert und vermessen. Dass genau 42 Bilder veröffentlicht werden, liegt an einem Jahrestag.

Di 12.10.2021 14:24Uhr 01:23 min

https://www.mdr.de/wissen/videos/aktuell/die-asteroiden-in-unserem-sonnensystem100.html

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Infrarot-Teleskop zwischen Sonne und Erde

Um künftig besser auf "aus der Sonne" kommende Asteroiden von 20 Metern Durchmesser und größer vorbereitet zu sein, plant die Europäische Weltraumorganisation ESA die sogenannte NEOMIR-Mission.

Lagrange-Punkt im Weltall wo sich Gravitationskraft von Erde und Sonne ausgleichen
Lagrange-Punkt im Weltall zwischen Erde und Sonne. Die Gravitationskräfte beider Körper gleichen sich an diesem Punkt aus. Bildrechte: ESA

Dabei soll ein Infrarot-Teleskop in eine Umlaufbahn um den ersten Lagrange-Punkt (L1) zwischen der Sonne und der Erde gebracht werden. Dort soll das Teleskop in einer relativ gleichen Position zu den beiden Himmelskörpern einen ständigen Blick auf Asteroiden haben, die sich der Erde aus Richtung Sonne nähern.

Wie die ESA mitteilte, soll NEOMIR einen engen Ring um die Sonne überwachen, der von der Erde aus nicht beobachtet werden kann. Alle Asteroiden, die zwischen Erde und Sonne vorbeiziehen und eine Bedrohung für unseren Planeten darstellen, müssen diesen Ring durchqueren. Da das Infrarot-Teleskop die Planetoiden anhand der von ihnen abgegebenen Wärme aufspürt, kann es vom Sonnenlicht nicht "geblendet" werden. Übrigens: Auf der Erde würden solche Beobachtungen im Infrarotbereich des Lichtspektrums nicht funktionieren, da die thermische Emission der Asteroiden von der Erdatmosphäre absorbiert werden würde.

ESA-Schaubild Gefahr durch Asteroiden
ESA-Schaubild, das die Gefahren durch Asteroiden veranschaulicht. Bildrechte: ESA, CC BY-SA 3.0 IGO

Vorwarnzeit für Asteroiden über 20 Meter

Die ESA geht davon aus, das NEOMIR alle Asteroiden von 20 Metern Durchmesser und mehr, die sich auf die Erde zubewegen, mindestens drei Wochen im Voraus erkennen kann. Im schlimmsten Fall, wenn der Asteroid in der Nähe der Raumsonde vorbeifliegt, würde die Vorwarnzeit mindestens noch drei Tage betragen. Das wäre zwar viel zu wenig Zeit für eine etwaige Ablenkungsmission, aber immer noch ausreichend Zeit, um die Behörden und damit die Bevölkerung der vom Einschlag bedrohten Gebiete zu warnen.

Die Details der NEOMIR-Mission im Rahmen des ESA-Programms für Weltraumsicherheit werden derzeit ausgearbeitet. Der Start mit einer Ariane 6-2-Rakete ist für 2030 geplant.

Collage zeigt sechs planetare Radarbeobachtungen von 2011 AG5
Collage mit sechs planetaren Radarbeobachtungen von 2011 AG5. Bildrechte: NASA/JPL-Caltech

Fliegendes "Empire State Building" Ein spektakuläres Bild vom bisher längsten Asteroiden, der jemals von einem planetarischen Radar aufgenommen wurde, ist unterdessen der NASA gelungen. Eine 70-Meter-Antennenschüssel des Deep Space Network der US-Raumfahrtbehörde in Barstow/Kalifornien erfasste am 3. Februar den Asteroiden 2011 AG5 während eines Vorbeifluges an der Erde erstmals detailliert. Der Planetoid ist nach NASA-Angaben 500 Meter lang und 150 Meter breit, womit seine Abmessungen in etwa mit denen des Empire State Buildings in New York vergleichbar sind. Gefahr für die Erde bestand durch das fliegende "Hochhaus" allerdings nicht. 2011 AG5 passierte die Erde in einer Entfernung von 1,8 Millionen Kilometern, was in etwa der fünffachen Erde-Mond-Distanz entspricht.

(dn)

Asteroid 2011 ES4 kommt Erde gefährlich nah 2 min
Bildrechte: MDR / Robert Rönsch
2 min

Fr 21.08.2020 10:16Uhr 02:17 min

https://www.mdr.de/wissen/umwelt-klima/video-438624.html

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 26. Februar 2023 | 21:00 Uhr

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