Stern word von Schwarzem Loch zerfetzt
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Astrophysik Schwarze Löcher: Wenn David vorbeikommt, kriegt Goliath Husten

28. März 2024, 04:59 Uhr

Regelmäßig alle achteinhalb Tage "hustete" ein riesiges Schwarzes Loch in einer weit entfernten Galaxie. Dabei wurde jeweils eine Gaswolke ausgestoßen, bevor wieder für achteinhalb Tage Ruhe war. Forscher aus mehreren Ländern haben gemeinsam nach einer Erklärung gesucht und eine sehr wahrscheinliche gefunden: Ein zweites, aber deutlich kleineres Schwarzes Loch, das seinem großen Pendant nicht von der Pelle rückt.

Mann mit Brille und Kopfhörern vor einem Mikrofon
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Astronomen und Astrophysiker kennen das Phänomen, dass sich ein leuchtendes Objekt am Himmel in regelmäßigen Abständen verdunkelt. Zumindest dann, wenn es sich bei dem leuchtenden Objekt um einen Stern handelt. Das regelmäßige Verdunkeln ist dann meist ein untrügliches Zeichen, dass ein Planet um diesen Stern kreist und in periodisch wiederkehrenden Abständen mal kurz etwas weniger Licht des Sterns in Teleskop-Richtung durchlässt.

Aber was bitte kann den gigantischen Lichtschein einer ganzen Galaxie in regelmäßigen Abständen spürbar verdunkeln? Dieser Frage wollte Dheeraj Pasham vom Massachusetts-Institut für Technologie (MIT) unbedingt auf den Grund gehen, seitdem er sich mit einem sogenannten "Tidal Disruption Event" (TDE) in einer weit entfernten Galaxie intensiver beschäftigte.

Tidal Disruption Events (TDEs) ... ... die man wörtlich mit "Gezeiten-(Stern-)Zerreiß-Ereignisse" übersetzen könnte, geschehen dann, wenn ein Stern in die Nähe eines supermassereichen Schwarzen Lochs kommt.

Der Stern verliert dabei wegen der großen Gravitation einen Teil seiner Materie an das Schwarze Loch beziehungsweise zuerst an die Akkretionsscheibe um das Loch herum, aus der das Loch dann nach und nach "gefüttert" wird.
So ein TDE führt zu einem Ausbruch der Leuchtkraft im ultravioletten und im Röntgenbereich, der als Tidal Flare bezeichnet wird.

Im Dezember 2020 wurde so ein TDE in einer Galaxie in etwa 800 Millionen Lichtjahren Entfernung entdeckt. Dieser Teil des Himmels war bis zur Entdeckung durch die Teleskope relativ ruhig und dunkel gewesen, als die Galaxie plötzlich um den Faktor 1.000 heller wurde. Dheeraj Pasham entschied sich, die Eruption mit dem NICER ("Neutron star Interior Composition Explorer") der Nasa zu beobachten, einem Röntgenteleskop an Bord der Internationalen Raumstation ISS, das den Himmel kontinuierlich auf Röntgenausbrüche überwacht.

Dieses Muster passt zu nichts, was wir über diese Systeme wissen.

Dheeraj Pasham, Astrophysiker

Der Ausbruch dauerte etwa vier Monate, bevor er abebbte. Während dieser Zeit nahm NICER täglich mit hoher Frequenz Messungen der Röntgenemissionen der Galaxie vor. Als Pasham sich die Daten genauer ansah, bemerkte er ein merkwürdiges Muster: subtile Einbrüche in einem sehr schmalen Band von Röntgenstrahlen, die alle achteinhalb Tage auftauchten. "Ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, was das zu bedeuten hat, denn dieses Muster passt zu nichts, was wir über diese Systeme wissen", erinnert sich Pasham.

Theorie vom zweiten Schwarzen Loch kam aus Tschechien

Dheeraj Pasham, Astrophysiker am MIT
Dheeraj Pasham, Astrophysiker am MIT Bildrechte: Dheeraj Pasham / MIT

Auf der Suche nach einer Erklärung für die periodischen Einbrüche stieß Pasham auf eine aktuelle Arbeit von theoretischen Physikern aus Tschechien. Jene tschechischen Physiker hatten getrennt voneinander herausgefunden, dass es theoretisch möglich ist, dass ein zentrales supermassereiches Schwarzes Loch einer Galaxie noch ein zweites, viel kleineres Schwarzes Loch bei sich hat. Dieses kleinere Schwarze Loch müsse dabei nicht im gleichen Winkel wie die Akkretionsscheibe um seinen "großen Bruder" kreisen.

Pasham schickte den Tschechen eine E-Mail, in der er sinngemäß schrieb: "Das, was eure Theorie vorhersagt, beobachte ich hier wahrscheinlich gerade." Von da an arbeiteten Tschechen und US-Amerikaner zusammen, auch Forscher aus Italien waren an dem großen Projekt beteiligt. Ihre abschließende Erklärung des Geschehenen und Gesehenen fügt dem Buch des Wissens um Schwarze Löcher ein völlig neues Kapitel hinzu, das man mit "David-und-Goliath-System" überschreiben könnte.

Neues System von Schwarzen Löchern: David umkreist Goliath und sorgt für regelmäßige "Husten"-Wolken

Die Forscher vermuten, dass im Dezember 2020 ein naher Stern dem David-und-Goliath-System zu nahe kam und von der immensen Schwerkraft Goliaths in Stücke gerissen wurde. Der plötzliche Zustrom stellaren Materials ließ die Akkretionsscheibe des Schwarzen Lochs aufhellen, während die Trümmer des Sterns in das Schwarze Loch hinein wirbelten. Vier Monate lang "ernährte" sich Goliath von den Sterntrümmern, während David weiter um die Scheibe kreiste.

Dabei durchstieß das kleine Schwarze Loch in periodischen Abständen die helle Akkretionsscheibe und setzte dort eine Gaswolke frei. Weil diese Wolke in Richtung des Beobachtungsteleskops zeigte, konnte man einen Einbruch der Gesamtenergie der Galaxie wahrnehmen, das Licht wurde immer wieder kurz blockiert. "Das ist etwas völlig Neues", sagt Dheeraj Pasham. "Es passt zu nichts, was wir über diese Systeme wissen. Wir sehen Anzeichen für Objekte, die in die Scheibe eindringen und sie durchqueren, und zwar in verschiedenen Winkeln, was das traditionelle Bild einer einfachen gasförmigen Scheibe um Schwarze Löcher in Frage stellt."

Übrigens sind die Begriffe "David" und "klein" in so einem System von Schwarzen Löchern relativ zu betrachten. Denn schon der "kleine David" im untersuchten Szenario bringt laut den Wissenschaftlern zwischen 100 und 10.000 Sonnenmassen auf die "Waage". Aber das ist eben noch sehr, sehr wenig im Vergleich zum großen Schwarzen Loch. Dieses hat eine Gravitation, die nach Schätzungen der Wissenschaftler 50 Millionen Mal so groß ist wie die unserer Sonne. Irgendwie beruhigend, dass Goliath 800 Millionen Lichtjahre entfernt ist.

Links/Studien

Die Studie "A Case for a Binary Black Hole System Revealed via Quasi-Periodic Outflows" ist im Wissenschaftsmagazin "Science Advances" erschienen.

Dieses Thema im Programm: ARD Videopublisher | Planet Wissen | 20. Dezember 2023 | 10:55 Uhr

1 Kommentar

Rainer Kirmse vor 4 Wochen

Im Zentrum der Galaxie,
auch anderswo trifft man sie.
Schwarze Löcher sind aktiv,
manche gar supermassiv.
Sie woll'n sich alles einverleiben,
wir sollten den Monstern fernbleiben.😉
Spaghettisierung droht uns dort,
wahrlich ein unheimlicher Ort.

DAS SCHWARZE LOCH

Dieses obskure Objekt
hält sich im Weltall versteckt.
Es wird von Sternen umkreist,
was uns sein Dasein beweist.

Ein kosmisches Schwergewicht,
zu keiner Diät bereit.
Sternenstaub das Hauptgericht,
verschmäht wird keine Mahlzeit.
Die Materie superdicht,
stark verbogen die Raumzeit.
Dem Monster entkommt kein Licht.
Gefängnis für die Ewigkeit.
Der Ereignishorizont ist Grenze,
dahinter ist einfach Sense.

Rainer Kirmse , Altenburg

Herzliche Grüße aus der Skatstadt

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