Vor schwarzem Hintergrund sehen wir zwei ineinander verschachtelte blaue Scheiben. Die äußere Scheibe ist sehr breit, die innere, im Auge der äußeren liegend, ist deutlich kleiner.
Eine neue Studie zeigt, dass supermassereiche Schwarze Löcher den gewaltigen Strudel von Trümmern (oder Akkretionsscheiben), der sie umgibt, auseinanderreißen können, indem sie an der Raumzeit zerren, was zu einer inneren und einer äußeren Subscheibe führt. Bildrechte: Nick Kaaz/Northwestern University

Wissen News Supermassive Schwarze Löcher zerreißen den Mahlstrom in ihrer Umgebung

25. September 2023, 16:59 Uhr

Materie, die in ein Schwarzes Loch fällt, sammelt sich – wie bei einem Strudel – in einer um das Loch herumkreisenden Scheibe. Forschende zeigen in einer Simulation, dass das Verhalten dieser Scheiben sehr komplex ist.

Schwarze Löcher krümmen Raum und Zeit in ihrem Umfeld. Diese Krümmung müsste auch die Akkretionsscheiben verändern, die die Löcher umgeben, jene Bereiche also, in denen sich die in das Loch fallende Materie sammelt wie am Rand eines Strudels. Wie komplex der Einfluss der Raumkrümmung auf die Scheibe ist, hat jetzt ein Team von Forschenden simuliert.

Fachbergriff für den Einfluss der Raumkrümmung durch die enorme Schwerkraft des Schwarzen Lochs ist Frame-Dragging. Dieses Frame-Dragging ist in der Nähe eines schwarzen Lochs sehr stark, nimmt jedoch mit größerem Abstand ab.

Die künstlerische Darstellung zeigt den Ereignishorizont um das schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxis
Die künstlerische Darstellung zeigt den Ereignishorizont um das schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxis Bildrechte: M. Moscibrodzka, T. Bronzwaar und H. Falcke, Radboud University

Durch das Frame-Dragging wackelt die gesamte Scheibe in Kreisen – ähnlich wie bei einem Kreisel, der sich dreht. Die innere Scheibe muss dabei aber schneller wackeln als die äußeren Teile. Dieses Ungleichgewicht der Kräfte führt dazu, dass sich die gesamte Scheibe verformt und Materie aus verschiedenen Teilen der Scheibe zusammenstößt. 

Wenn die Akkretionsscheibe reißt, stürzt die innere Scheibe ins schwarze Loch

Die Kollisionen erzeugen helle Schocks, die das Material gewaltsam immer näher an das schwarze Loch herantreiben. Mit zunehmender Verwerfung wackelt die innerste Region der Akkretionsscheibe immer schneller, bis sie vom Rest der Scheibe abbricht. Nun bewegen sich die verschiedenen Teile der Scheibe unabhängig voneinander und das in unterschiedlichen Winkeln und mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. 

Der Ort, an dem sich die inneren und äußeren Teilscheiben trennen, wird Reißregion genannt. Und genau hier beginnt der Fressrausch des schwarzen Lochs. Während die Reibung versucht, die Scheibe zusammenzuhalten, will die Verdrehung der Raumzeit durch das rotierende Schwarze Loch sie auseinanderreißen. Die inneren und äußeren Scheiben kollidieren miteinander. Die äußere Scheibe schabt Schichten der inneren Scheibe ab und drückt sie nach innen.

Die Teilscheiben überschneiden sich in verschiedenen Winkeln. Die äußere Scheibe schüttet Material auf die innere Scheibe und die zusätzliche Masse schiebt auch die innere Scheibe in Richtung des Schwarzen Lochs. Dort wird die Materie verschlungen. Die Schwerkraft des Schwarzen Lochs zieht dann Material aus der äußeren Region in die nun leere innere Region, um sie wieder aufzufüllen. Ein ständiger Zyklus von Fressen, Auffüllen und Fressen. 

Eine große grüne Scheibe kreis vor Schwarzem Hintergrund um einen grünen Balken in der Mitte, der eine Seitenansicht einer liegenden Scheibe ist.
Dieses Standbild aus einer Simulation zeigt, wie die Akkretionsscheibe eines supermassiven Schwarzen Lochs in zwei Teilscheiben zerreißen kann, die in diesem Bild falsch ausgerichtet sind. Bildrechte: Nick Kaaz/Northwestern University

Studie

Die Studie wurde am 20. September 2023 im Fachmagazin The Astrophysical Journal veröffentlicht: Nozzle shocks, disk tearing and streamers drive rapid accretion in 3D GRMHD simulations of warped thin disks (engl. Düsenstöße, Scheibenrisse und Streamer treiben die schnelle Akkretion in 3D-GRMHD-Simulationen von verzogenen dünnen Scheiben an). Eine erste Version wurde am 18. Oktober 2022 auf dem Pre-Print-Server arxiv.org veröffentlicht.

pk

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Dieses Thema im Programm: Das Erste | Space Night science | 08. Januar 2023 | 01:25 Uhr

3 Kommentare

MDR-Team vor 32 Wochen

@C.T.
Wie Sie sehen, können Sie hier kommentieren - und auch bei der überwiegenden Zahl der Artikel von MDR Wissen. Was für eine Studie sollte dies sein? Jedenfalls keine, die in einem Fachjournal veröffentlicht wurde. Und über diese berichten wir im Regelfall.
LG, das MDR-Wissen-Team

C.T. vor 32 Wochen

... die entsprechenden Beiträge sind leider oft nicht kommentierbar. Also bleibt kaum die Wahl. Aber so abwägig ist das garnicht. Wundern würde es micht jedenfalls nicht, wenn igendeinem Witzbold in Berlin eine Studie in die Hände fallen würde... Denn man sieht in einschlägigen Medien eine kollektive Tendenz die AFD mit allen Mitteln irgendwie zu framen.

MDR-Team vor 32 Wochen

@Rocky
Von der AfD war in diesem Artikel überhaupt keine Rede. Also sollten Sie auch keine solchen (vermutlich ironisch gemeinten) Behauptungen aufstellen.
LG, das MDR-Wissen-Team

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