Person liest Packungsbeilage, am Tisch sind Tabletten und Glas Wasser
Beipackzettel sollten die postiven Effekte stärker kommunizieren, statt der möglichen Nebenwirkungen und Komplikationen. Bildrechte: Colourbox.de

Nocebo-Effekt Das Lesen des Beipackzettels kann krank machen

05. Juni 2023, 11:06 Uhr

Auf einem internationalen Kongress zur Placebo-Forschung haben sich Forschende dafür ausgesprochen, dass bei Aufklärungsgesprächen und Beipackzetteln nicht ausschließlich auf die Risiken und Nebenwirkungen geschaut werden, sondern der Fokus auf einer positiven Kommunikation liegen sollte, weil diese den Erfolg von Therapien steigern kann.

Wenn Patienten und Patientinnen sich nur mit den möglichen Risiken und Nebenwirkungen von Medikamenten, Eingriffen und Therapien beschäftigen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass genau diese auch eintreten. Nocebo-Effekt wird das in der Medizin genannt. Gemeint sind im Gegensatz zum positven Placebo-Effekt negative Veränderungen des Gesundheitszustandes, die nicht auf die eigentliche Wirkung von Medikamenten oder Operationen zurückzuführen sind.

Placebo- und Nocebo-Effekte nicht einfach nur Einbildung

Laut Ulrike Bingel, Professorin für Neurologie und Leiterin des Zentrums für Schmerzmedizin an der Uniklinik Essen sind Placebo- und Nocebo-Effekte nicht einfach nur Einbildung. Man weiß, dass es zu sehr komplexen neurobiologischen Prozessen kommt. Daher ist das Aufklärungsgespräch vor einer Operation, bei dem sich der Fokus vor allem auf die Risiken richtet, nicht unproblematisch. Das gleiche gilt für den Beipackzettel, auf dem vor allem Nebenwirkungen thematisiert werden, aber nicht darüber aufgeklärt wird, welche Therapieeffekte erzielt werden sollen.

Eine positive Kommunikation hingegen kann den Erfolg einer Therapie unterstützen. In einer Studie hat Ben Colagiuri, Professor für Psychologie an der Universität Sydney, auf zwei verschiedene Weisen über die Nebenwirkungen einer Chemotherapie informiert. Einer Gruppe erzählten die Forscher, dass bei 30 Prozent der Patienten Übelkeit auftritt. Der anderen Gruppe erzählten sie, dass bei 70 Prozent der Patienten keine Übelkeit auftritt. Das Ergebnis: Die Patienten, denen die Botschaft positiv vermittelt wurde, litten seltener an Übelkeit.
Die Berücksichtigung des Placebo- und des Nocebo-Effektes in der medizinischen Praxis kann laut den Experten und Expertinnen der Placebo-Forschung die Gesundheitsversorgung verbessern, Patienten und Patientinnen helfen und auch Kosten reduzieren, weil Behandlungen effektiver sind.

mdrwissen

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | 20. März 2023 | 06:40 Uhr