Mädchen schaut durch Lupe
Raus in die Natur oder am Computer rein in die Wildnis. Hobbyforschung bietet sehr viele Möglichkeiten (Symbolbild) Bildrechte: Colourbox.de

Citizen Science in den Winterferien Runter vom Sofa - rein in die Welt der Wissenschaft

12. Februar 2022, 12:00 Uhr

Sonnenjets beobachten, Echsen zählen, das Klima vergangener Zeiten erforschen, Galaxien erkunden oder Lebensmittel retten. Dafür braucht man nicht unbedingt ein abgeschlossenes Studium. Mit Neugierde, Ausdauer und meist nur wenigen Vorkenntnissen kann jeder "Citizen Scientist", Bürgerforscher werden. Und zwar nicht mehr nur, indem er Vögel und Insekten vor der Haustür zählt, sondern überall auf der Welt. Eine Idee für die ganze Familie, auch geeignet für Winterferien oder Quarantäne.

Ohne die Mitwirkung interessierter Laien sind viele wissenschaftliche Studien und Dokumentationen gar nicht möglich. So schätzt der NABU sei nunmehr 18 Jahren die Mithilfe von Naturliebhabern, die Jahr um Jahr Vögel und Insekten beobachten, bestimmen und zählen. Rund 176.000 Menschen haben sich zum Beispiel Anfang Januar an der zwölften „Stunde der Wintervögel“ beteiligt und 4,2 Millionen Vögel gemeldet. So viele Daten könnte keine wissenschaftliche Institution erheben, so ein großes Untersuchungsfeld könnte sie nicht abdecken so viele Experten könnte sie gar nicht dafür bereitstellen. Dafür nehmen die Forscher auch in Kauf, dass bei der Dokumentation Unschärfen entstehen.

Die Bürgerforscher sind trotzdem zu einer wichtigen Säule der Wissenschaft geworden, in vielen Bereichen. Neben Feinstaubmessung und Vogelzählung gibt es auch exotischere Projekte, für die Freiwillige gesucht werden, aktuell zum Beispiel an der Universität Leipzig. Ein Forscherteam hatte mit Drohnen Luftbilder auf den Galápagos-Inseln aufgenommen, um den Bestand der einzigartigen Galápagos-Meerechse zu dokumentieren und sucht nun Unterstützung bei der Auswertung der Aufnahmen.

Weltweit gibt es viele weitere Forschungsprojekte, an denen man sich ganz einfach von Zuhause aus beteiligen kann. Zum Beispiel als Sonnenbeobachter in Zusammenarbeit mit dem Solar Dynamics Observatory der NASA. Dort wird seit mehr als einem Jahrzehnt die Aktivität der Sonne beobachtet. Nun sollen die Sonneneruption und die Plasmastrahlung genauer untersucht werden, um das Weltraumwetter besser zu verstehen. Dazu werden Hobbyastronomen gesucht, die die Aufnahmen auswerten. Damit dokumentieren sie nicht nur die Ereignisse, die von der Sonne ausgehen und in ihrem Umfeld zu sehen sind, sondern sie liefern auch Daten für die Entwicklung eines Computerprogramms, mit dem Sonneneruptionen später automatisch erkannt werden können.

Sonneneruption
Als Sonnenbeobachter die NASA unterstützen: Citizen Scientists für die Auswertung von Bildern gesucht Bildrechte: IMAGO / UPI Photo

Klimawandel im Check: Alte Logbücher studieren

Um zu bewerten, wie stark der aktuelle Klimawandel von Schwankungen abweicht, die es auch früher schon gegeben hat, analysieren Wissenschaftler die Wetterdaten vergangener Epochen. Für das 20. Jahrhundert sind die meteorologischen Ereignisse fast lückenlos dokumentiert, doch für das 19. Jahrhundert ist die Datenlage bislang dürftig. Die Hoffnung der Forschenden liegt nun auf historischen Wetterlogbüchern, die auf Schiffen damals geführt wurden und nun ausgewertet werden sollen. Auch für dieses Projekt werden wieder freiwillige Helfer gesucht. Willkommen ist jeder, der Zugang zum Internet hat und die alte Schrift lesen kann. Hier finden Sie den Zugang.

Wissen

Ein wildlebender Schimpanse 4 min
Bildrechte: Colourbox.de

Weltweit gibt es also unzählige Forschungsprojekte zum Mitmachen. Einen Überblick dazu und auch einen Zugang zu den einzelnen Vorhaben gibt es auf der Website "zooniverse". Dort finden Sie auch das "Chimp&See"-Projekt des Leipziger Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie. Auf der Online-Plattform können Sie selbst zum Assistenz-Forscher werden und die Videoaufnahmen von Wildtierkameras für die Leipziger Primaten-Forscher sichten und auswerten.

Lebensmittel retten oder Asteroiden jagen

Aber Sie können auch in ihrer eigenen Küche Hobby-Wissenschaftler werden. Den mit dem MDR Resteretter Projekt hat MDR WISSEN gemeinsam mit Studierenden der Uni Leipzig eine Webapp entwickelt, die Ihnen hilft, ihr Lebensmittel-Wegwerfverhalten zu tracken. Das Ziel: in Zukunft vielleicht weniger zu verschwenden (und neben dem guten Gewissen auch Geld zu sparen), und Daten für künftige Forschungsprojekte zum Thema zu liefern.

Wenn Sie lieber ins Weltall wollen, dann können Sie das als Citizen Scientist auch tun. Mit "Active Asteroids" zum Beispiel gehen Sie auf die Jagd nach Asteroiden. Dafür brauchen Sie weder Raumschiff noch riesige Raketen. Ihr Computer, Internet und Ihr gutes Auge reichen dafür vollkommen aus. Und vielleicht wird so der nächste Asteroid nach Ihnen benannt. Oder Sie entdecken ein bisher unbekanntes Schwarzes Loch oder eine Galaxie, in der gerade Sterne entstehen. Auch das geht als Hobbywissenschaftler.

Hobbyforschung im Vorgarten

Wer lieber direkt vor der Haustür mitmachen will, kann auf der Plattform "Bürger schaffen Wissen" ein Projekt in seiner Nähe und seinen Interessen entsprechend suchen. Bis Sie wieder quasi im Vorbeigehen Tagfalter entdecken können, wird es wohl noch etwas dauern. Und auch die Termine für die nächste Zählung des bedrohten Feldhamsters stehen noch nicht fest (falls Sie einen sehen, können Sie das aber jederzeit melden). Aber eine Wetterstation kann man zu jeder Jahreszeit in seinen Vorgarten stellen. Um möglichst viele Daten aus verschiedensten Regionen zu erhalten, greift der Deutsche Wetterdienst nämlich auf ein Netz ehrenamtlicher Wetterbeobachter zurück. Für die Profi-Meteorologen sind deren Messergebnisse unverzichtbar. Und Sie könnten bei jedem Wetterbericht sagen: Der ist auch von mir!

krm

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3 Kommentare

MDR-Team am 14.02.2022

Hallo @part,
das Thema Lebensmittelverschwendung wird in den Medien häufig in Bezug auf Supermärkte, Restaurants oder Kantinen betrachtet. Doch der größte Faktor der Lebensmittelverschwendung in Deutschland sind nach Schätzungen vor allem wir: private Haushalte. Um für dieses Thema zu sensibilisieren, haben wir – eine Gruppe bestehend aus acht Studierenden im Masterstudiengang Journalismus an der Universität Leipzig – das Projekt Voll vergESSEN: Die MDR-Resteretter auf die Beine gestellt. Im Rahmen des Seminars Innovationsprojekt erhielten wir im Oktober 2020 von der Redaktion MDR WISSEN die Aufgabenstellung, ein Citizen Science Projekt zu entwickeln. Herausgekommen sind nun zahlreiche journalistische Beiträge rund um das Thema Lebensmittelkonsum in Deutschland, sowie eine WebApp gegen Lebensmittelverschwendung – zum Mitmachen.

https://www.mdr.de/wissen/resteretter/index.html

Liebe Grüße

part am 13.02.2022

Jede Expertenmeinung kann nur dadurch entstehen, dass eine entsprechende Zuarbeitung stattfindet. Beim Nabu finde ich dies genial und ich bin ein Zuarbeiter. Was jedoch die Hortung von Lebensmitteln betrifft, da spielt wohl die gerade stattfindende Inflation und der Charakter des Menschen als ewiger evolutionär bedingter Hamster eine Rolle und verschärft diese zusätzlich. Die beste App nützt nichts, wenn der Preis immer heißer wird und das Konto vom Millionen Menschen schon ab Monatsmitte nicht mehr richtig stimmig erscheint. Viel kaufen, wenn es in der Werbung ist, mit kurzem Verfallsdatum versehen, ereilt eben viele Haushalte und nicht nur wenig begüterte. Doch es bleibt neben der Aufrüstung die größte Ressourcen-Verschwendung, die dieser Planet je erlebt hat, wenn Lebensmittel in der westlichen Welt bis heute zu Hauf in der Tonne landen.

geradeaus am 12.02.2022

Ne super Sache. Ich bin überzeugt das der/die ein oder andere Interesse daran findet, wie ich ^^