Nicotiana benthamiana in einem Labor
Ein Forscher in einem US-Labor pflegt eine "Nicotiana benthamiana". Die Zellen der Pflanze werden nun erstmals für die Herstellung einer Corona Impfung eingesetzt. (Archivbild) Bildrechte: imago/ZUMA Press

Corona Neue Impfstoffe: Kanada lässt erste pflanzenbasierte Covid-Impfung zu

19. März 2022, 05:00 Uhr

Kanada hat den ersten Protein-Impfstoff gegen Corona zugelassen, der in den Zellen von Pflanzen hergestellt wird. Weltweit arbeiten Forscher an Covid-19-Impfungen der nächsten Generation.

Bevor ein falscher Eindruck entsteht: Auch die Impfstoffe von Biontech, Moderna und Astrazeneca enthalten keine Bestandteile, die mit Hilfe von Tieren hergestellt werden. Dafür aber werden menschliche Zellkulturen benötigt. Bei der neuen Impfung der Firma "Medicago" aus dem kanadischen Quebec hingegen kommen Zellen eines engen Verwandten der Tabakpflanze zum Einsatz.

Pflanzlich hergestellter Impfstoff Covifanz ist Nuvaxovid ähnlich

Der Impfstoff Covifanz besteht aus leicht modifizierten Spikeproteinen vom Sars-Coronavirus-2, die sich zu virusähnlichen Partikeln zusammensetzen. Das Prinzip ist dem der Firma Novavax sehr ähnlich. Genau wie dessen Nuvaxovid wird auch Covifanz mit einem Impfstoffverstärker (den die Firma GlaxoSchmithKline liefert) in zwei Impfdosen im Abstand von 21 Tagen gespritzt. Doch bei Covifanz werden die Virusproteine in den Zellen der Pflanze "Nicotiana benthamiana" hergestellt. Das Verfahren gilt als eine Weltneuheit.

Die Ergebnisse aus der Zulassungsstudie lassen auf eine relativ gute Wirksamkeit schließen. Über 24.000 erwachsene Versuchspersonen im Alter von 18 bis 64 Jahren haben daran teilgenommen. Gegen die während der Studienphase dominante Deltavariante habe der Impfstoff eine Wirkung von 75 Prozent gegen Erkrankungen jeglichen Schweregrads gezeigt, teilt Medicago zur Wirksamkeit mit. Der Schutz gegen alle während der Versuche zirkulierenden Varianten lag demnach bei 71 Prozent.

Wirksamkeit gegen Omikron noch nicht bekannt

Omikron war hier allerdings noch nicht dabei. Laut Health Canada zeigten Tests mit dem Serum von Geimpften zwar neutralisierende Antikörper auch gegen Omikron. Doch hier seien noch weitere Daten notwendig. Mediacago will Covifanz gegebenenfalls an die neue Variante anpassen. Kanada hat aktuell rund 20 Millionen Impfdosen bestellt, in der EU hat die zuständige EMA noch nicht mit einem Zulassungsverfahren begonnen.

Covifanz ist nicht der einzige neue Impfstoff, der dieser Tage neu auf den Markt kommt. In Europa steht aktuell die Impfung von Vanleva kurz vor der Zulassung. Hier werden abgetötete, komplette Viren verimpft, ein ähnliches Verfahren also, wie es bei den Grippeimpfstoffen zum Einsatz kommt.

Schleimhautimpfstoff: Gegen Polio funktioniert dieser Ansatz sehr gut

Impfstoffe der sogenannten zweiten Generation befinden sich noch in der Entwicklung. Dazu zählen unter anderem Impfungen, die als Nasenspray verabreicht werden sollen. Der Vorteil dieses Verfahrens: Wenn es funktioniert, entsteht die Immunität direkt auf den Schleimhäuten in der Nase und im Rachen, also an den Orten, an denen eine Coronainfektion beginnt.

Mediziner erhoffen sich von diesen Impfstoffen daher, dass sie Infektionen komplett verhindern können und so mindestens zeitweise eine sogenannte sterile Immunität verschaffen. "Ein typisches Beispiel für einen Impfstoff, der eine solche Reaktion hervorruft, ist der orale abgeschwächte Impfstoff gegen Poliomyelitis (Kinderlähmung), der den Grundstein für Impfkampagnen zur Ausrottung der Krankheit bildete", sagt Carlos Guzman, Impfstoffforscher und Professor am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig.

Sars-Coronavirus-2: Noch nicht ausreichend abgeschwächt für Lebendimpfstoff

Sebastian Ulbert, Impfstoffforscher und Immunologe am Leipziger Fraunhofer Institut für Immunologie und Zelltherapie (IZI), beschreibt allerdings die großen Schwierigkeiten, die solche Impfstoffe bewältigen müssen. "Vor allem aber muss der Impfstoff besonders stabil sein, damit er in den Schleimhäuten überhaupt vom Immunsystem erkannt wird. Daher bestehen die bisher erfolgreich auf diesem Weg verabreichten Impfstoffe – etwa gegen Polio oder Grippe – aus abgeschwächten aber aktiven Viren, welche eine symptomlose Infektion verursachen. Diese können gut in die Zellen der Schleimhäute eindringen, aber sie vermehren sich nur geringfügig und werden schließlich vom Immunsystem eliminiert."

Solche Lebendimpfstoffe gebe es bei Corona bislang aber noch nicht. "Bei einem so ansteckenden Erreger wie Sars-CoV-2 ist der Einsatz aktiver Viren erst möglich, wenn Stämme entwickelt wurden, die absolut sicher in der Anwendung sind. Die meisten der bisherigen Forschungsansätze konzentrieren sich daher auf Proteine, RNA oder Virusvektoren", sagt Ulbert.

Nasenspray-Impfung aus Hong Kong bereits in klinischer Phase-3

Zwei Projekte mit Vektorimpfstoffen als Nasenspray gegen Corona sind bereits relativ weit vorangeschritten. Ein Projekt der Universität Hong Kong verwendet etwa abgeschwächte Grippeviren, die die Bindungsstelle des Corona-Spikeproteins mitbringen und die Schleimhautzellen infizieren können. Hier läuft bereits eine klinische Phase-3 Studie, also die für eine Zulassung relevante letzte Versuchsreihe. Die Universität Oxford und Astrazeneca wiederum testen eine als Nasenspray konzipierte Version ihres Vektorimpfstoffs mit Adenoviren aktuell in einer Phase-2-Studie.

Ein weiterer Ansatz für Impfstoffe der nächsten Generation sind Impfungen, die gegen möglichst viele Varianten und Stämme von Coronaviren wirken. Hier ist aktuell das Walter Reed Institut der US Armee relativ weit vorangeschritten. Forscher nutzten Ferritin Moleküle, ein eisenhaltiges Eiweiß, das natürlicherweise im menschlichen Blut vorkommt und an das sich verschiedene Spikeproteine unterschiedlicher Virusvarianten anheften lassen. Allerdings müssen die aktuell laufenden Versuche erst zeigen, ob Menschen auf diese Weise wirklich Antikörper gegen verschiedene Varianten entwickeln, oder ob das Immunsystem sich dann doch auf einzelne Varianten konzentriert.

Links/Studien

(ens)

Ein Apotheker bereitet eine Spritze mit einer Dosis des Impfstoffs von Moderna vor. 24 min
Bildrechte: picture alliance/dpa | Frank Rumpenhorst

1 Kommentar

Thorbjoert am 19.03.2022

Danke für diesen interessanten Artikel. Leider stimmt eine Aussage nicht mit den Fakten überein. Der Impfstoff von Astrazeneca wird sehr wohl mit Hilfe von Versuchstieren hergestellt. Hier ein Auszug aus dem Beipackzettel:
Eine Dosis (0,5 ml) enthält: Schimpansen-Adenovirus, der das SARS-CoV-2-Spike-Glykoprotein kodiert (ChAdOx1-S)*, nicht weniger als 2,5 x 108 infektiöse Einheiten (IE) *Hergestellt in genetisch veränderten, humanen embryonalen Nieren 293-Zellen (HEK, human embryonic kidney) und durch rekombinante DNA-Technologie.
Also nix für Menschen mit veganer Lebensführung oder solche, die die Gentechnologie ablehnen.