Eine Arzthelferin mit einem Impfstofffläschchen
Impfstoff "Comirnaty" von Biontech/Pfizer (Symbolfoto): Israel setzte fast ausschließlich auf diesen Wirkstoff. Bildrechte: imago images/Wilhelm Mierendorf

Israel Biontech: Schutz auch vor symptomloser Covid-19 mindestens 86 Prozent

06. Mai 2021, 17:21 Uhr

Vollständig geimpft und trotzdem infiziert? Das passiert nur selten, zeigen Daten aus Israel, dem weltweit führenden Land bei den Impfungen. Regelmäßige PCR-Tests zeigen: Auch Infektionen ohne Symptome kommen kaum vor.

Wie ansteckend können Geimpfte sein? Diese Frage wird derzeit brennend diskutiert, hängt von der Antwort doch ab, wie hoch die Gefahr ist, dass Geimpfte sich trotzdem mit dem Sars-Coronavirus-2 infizieren und andere anstecken können. Eine aktuelle Studie aus Leipzig hat gerade gezeigt: Auch Geimpfte haben kaum schützende Antikörper auf ihren Schleimhäuten, können das Virus dort theoretisch also noch vermehren und damit ansteckend werden. Neue Daten aus Israel zeigen jetzt allerdings: Dieser Fall kommt nur ausgesprochen selten vor.

Inzwischen sind in Israel 72,1 Prozent der Menschen über 16 Jahre geimpft, beinahe ausschließlich mit den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna. Weil auch Geimpfte weiterhin regelmäßig mit PCR-Tests auf das Virus getestet werden, gibt es dort nun Daten über Corona-Erkrankungen mit und ohne Symptome. Demnach sind vollständig Geimpfte zu 97 Prozent vor einer symptomatischen Covid-19 und immerhin zu 86 oder 91 Prozent – hier weichen die Ergebnisse zweiter Studien etwas voneinander ab – vor einer asymptomatischen Erkrankung geschützt.

Neuinfektionen in Israel auf minimalem Niveau

Für eine Studie in der medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet" haben Eric J. Haas und Kollegen Daten des israelischen Gesundheitssystems ausgewertet, die seit Beginn der Impfkampagne am 20. Dezember erhoben wurden. Parallel dazu flossen die Ergebnisse von PCR-Tests ein. In Israel müssen sich Menschen testen lassen, die einreisen, engen Kontakt zu bestätigten Infektionen hatten oder typische Symptome zeigen, daneben können sich alle Menschen jederzeit freiwillig testen lassen. Die Zahlen zeigen den Erfolg der Impfungen: Israel ist praktisch Covid-frei.

6,5 Millionen Menschen über 16 Jahre sollen insgesamt immunisiert werden. Bis zum 3. April waren bei 4,7 Millionen Menschen bereits sieben Tage vergangen, seitdem sie die zweite Impfdosis bekommen hatten – nach Definition der Forscher waren sie damit vollständig geimpft.

Noch nach dem Start der Impfkampagne erlebte Israel den Höhepunkt seiner dritten Infektionswelle mit etwa 8.328 neuen Ansteckungen pro Tag. Zwischen dem 24. Januar und dem 3. April infizierten sich insgesamt rund 232.000 Israelis mit Corona, 7.700 mussten in Kliniken behandelt werden, über 1.100 starben. Am 19. April war der über eine Woche gemittelte Wert der Neuinfektionen auf 149 pro Tag gefallen.

Vollständig Geimpfte zu 97 Prozent vor symptomatischer Covid-19 geschützt

Auf der Basis der vorliegenden Daten berechneten die Wissenschaftler die Effektivität der Impfung, wie sie auf Bevölkerungsebene beobachtet wurde und unterschieden dabei auch verschiedene Altersgruppen. Infektionen wurden als asymptomatisch gewertet, wenn Menschen ein positives PCR-Ergebnis hatten, bei einem Routine-Interview zwei Tage nach dem Testergebnis aber keinerlei Symptome berichteten und auch später nicht in Kliniken eingeliefert wurden. Die Effektivität gegen jede Form einer bestätigten Corona-Infektion lag demnach bei 95,3 Prozent, wobei es zwischen den Altersgruppen nur wenig Unterschiede gab. Bei den 16- bis 44-Jährigen bot die Impfung einen Schutz von 96,1 Prozent, bei den über 65 Jahren waren es 95,3 Prozent.

Gegen symptomatische Infektionen lag das Schutzniveau sogar bei 97 Prozent. Insgesamt wurden bei vollständig Geimpften noch 1.692 Covid-19-Erkrankungen mit Symptomen gezählt, das entspricht einer Tagesinzidenz von 0,8 pro 100.000 Einwohnern (also bei der in Deutschland gebräuchlichen 7-Tages-Inzidenz ein Wert von 5,6). Bei den Ungeimpften waren es hingegen 39.065 neue Infektionen, also 32,5 pro Tag und 100.000 Einwohnern, oder 227 neue Fälle pro sieben Tage.

Bei den asymptomatischen Fällen maßen die Forscher ein Schutzniveau von insgesamt 91,5 Prozent, die über 65-Jährigen waren hier zu 88,5 Prozent geschützt, die 16 bis 44-Jährigen zu 93,6 Prozent. In allen Altersgruppen gingen die Infektionen mit der steigenden Impfquote stetig zurück. Die übrigen Infektionen gingen laut Testergebnissen zu 94,5 Prozent auf das Konto der britischen B.1.1.7 Mutation.

Bei Klinikmitarbeitern 84 Prozent Schutz gegen asymptomatische Infektion

Eine zweite, jetzt im Fachmagazin JAMA veröffentlichte Studie, hatte 6.710 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Klinik in Tel Aviv untersucht, die routinemäßig mindestens einmal pro Woche einem PCR-Test unterzogen wurden. 82,2 Prozent von ihnen waren zum Zeitpunkt der Studie bereits vollständig geimpft, 752 Personen hatten noch keinen Impfschutz. Hier erkrankten noch acht der vollständig Geimpften und 38 der Ungeimpften an Covid-19. Asymptomatische Infektionen wurden bei 19 vollständig Geimpften festgestellt und bei 17 Ungeimpften. Das Schutzniveau lag damit rechnerisch bei 97 Prozent gegen symptomatische Infektionen und bei 86 Prozent gegen Infektionen ohne jede äußeren Symptome.

Offen bleibt die Frage, ob sich die sogenannten Immunflucht-Varianten B.1.251 (Südafrika) und P.1 (Brasilien) in den kommenden Monaten in Israel durchsetzen können und wie viele der Geimpften dann doch noch eine Covid-19 durchmachen müssen. Bei einer ersten, bislang nur als Preprint erschienenen Untersuchung wurden insgesamt sieben Fälle einer Infektion mit B.1.351 in einem Zeitraum von 7 bis 14 Tagen nach der zweiten Impfung festgestellt. Allerdings zirkuliere diese Variante noch zu wenig in Israel, um wirklich belastbare Aussagen über den Schutz der Impfung treffen zu können, schreiben die Autoren.

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