Entstehung des Universums? Urknall: Gab es vielleicht doch keinen?

09. Januar 2020, 13:30 Uhr

Den Urknall hat es nie gegeben! Was? Fragen Sie sich jetzt vielleicht. Das würde ja alle Vorstellungen über die Entstehung des Universums völlig über den Haufen werfen. Tatsächlich ist ein amerikanischer Physiker davon überzeugt.

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Er ist der Anfang von Allem: Der Urknall. Davor gab es nichts, überhaupt gar nichts. Keine Materie, keinen Raum, keine Zeit. Das ist ziemlich schwierig vorzustellen: Eine Zeit ohne Zeit. Ein Raum ohne Raum. Und dann auf einmal entsteht alles. Was unsere Vorstellungskraft übersteigt, ist eine der hieb- und stichfestesten Theorien der Wissenschaft, sagt Hendrik Hildebrandt, Professor für beobachtende Kosmologie an der Uni Bochum.

Die Urknall-Theorie ist über ein halbes Jahrhundert alt und sie wurde schon extrem gut getestet – mit sehr vielen verschiedenen Beobachtungen.

Hendrik Hildebrandt Ruhr-Universität Bochum

Sie soll aber nicht stimmen, behauptet nun Eric J. Lerner, amerikanischer Physiker und Buchautor. Der Urknall hat nie stattgefunden, sagt er. Dafür legt er Zahlen vor. Die Zahlen sollen zeigen, wie häufig bestimmte Elemente im Universum nach dem Urknall vorgekommen sind. Das ist wichtig, erklärt Hildebrandt von der Uni Bochum: "Die Urknalltheorie gibt eine genaue Aussage darüber, in welchen Mengenverhältnissen diese Elemente entstehen sollten. Das heißt, wie viel Helium sollte es im Universum nach dem Urknall geben, wie viel Lithium sollte es geben, wie viel Deuterium sollte es geben. Das kann man sehr präzise ausrechnen mit der Urknalltheorie."

Urknall-Theorie vorerst wasserdicht

Nur, die Zahlen stimmen nicht überein, heißt es von Physiker Eric Lerner. Die ältesten Sterne, so seine Berechnungen, haben weniger als die Hälfte des Heliums und weniger als ein Zehntel des Lithiums als nach der Urknall-Nukleosynthese-Theorie vorhergesagt.

Noch lange kein Grund die ganze Urknall-Theorie abzuschaffen, entgegnet Hendrik Hildebrandt: "Da jetzt direkt drauf zu schließen, dass die Urknalltheorie damit falsifiziert ist, finde ich schon sehr sehr mutig, weil es eben so unglaublich viele andere Beobachtungen gibt, die die Urknalltheorie bestätigen", so der Kosmologe. "Das sind Tests, die die Theorie bestanden hat. Und wenn man die Spektren von ein paar Sternen aufnimmt und es da eine Diskrepanz gibt, direkt die Theorie über den Haufen zu werfen, ist, denke ich, nicht die Vorgehensweise, die die meisten Wissenschaftler, die die meisten Kosmolgen unterstützen würden."

Hubble-Konstate wackelt

Gerade die Häufigkeit der Elemente hatte bisher immer wieder den Urknall bestätigt. Was nicht heißt, dass die Urknalltheorie keine Schwachstellen hat. Die sieht der Kosmologe nur ganz wo anders: Eine der gravierendsten wird gerne als die Krise der Kosmologie bezeichnet: Sie betrifft die Hubble-Konstante. So heißt der Wert, der beschreibt, wie schnell sich das Universum ausdehnt. Und weil sie nun mal eine Konstante ist, muss sie einen einzigen klaren Wert haben, das gibt die Urknalltheorie so vor. Doof nur, dass je nach Messmethode unterschiedliche Zahlen rauskommen. Auch dieses Dilemma wird aber die Urknalltheorie nicht von ihrem Thron stoßen, ist sich Hildebrandt sicher:

Es ist extrem interessant und ich glaube wir werden etwas Neues daraus lernen, aber ich glaube, den Urknall werden wir dadurch nicht in Frage stellen.

Hendrik Hildebrandt

Schema, das den Urknall illustrieren soll: Sich von links nach rechts ausdehnende Grafik mit Materie, die sich zu Elemente, Sternen, Planeten und Glaxien entwickelt.
So stellen wir uns den Urknall vor. Direkt nach dem Big Bang gab es eine sogenannte Inflationsphase, in der sich das gesamte Universum gigantisch ausdehnte. Und erst dann bildeten sich die Elemente, die Sterne und die Planeten. Bildrechte: imago/UIG

Big Bounce statt Big Bang?

Immer mal wird die Theorie dann modifiziert und weiterentwickelt. Denn Kritik ist an sich nichts Neues. Wirkliche Alternativen gibt es aber nur im Detail. Diskutiert wird beispielsweise über den Punkt Null, den Startpunkt des Urknalls. Singularität heißt das bei den Kosmologen. Gab es zum Beispiel statt einem Big Bang, also einem Urknall, einen Big Bounce? Hendrik Hildebrandt: "Man könnte sich ja auch vorstellen, dass es nicht einen Zeitpunkt gab, zu dem das Universum geboren wurde und ewig expandieren wird, sondern dass das Universum oszilliert, in sich zusammenfällt, dabei extrem heiß wird und sich dann wieder ausdehnt. Solche Theorien gibt es, die gibt es schon so lange, wie es die Urknalltheorie gibt."

Aber auch hier sprechen all die zahlreich gesammelten Daten, Rechnungen und Messungen eher für den Urknall, sagt Hildebrandt. Big Bang ist und bleibt die erste Wahl. Auch wenn ein amerikanischer Physiker etwas anderes behauptet.

kd

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 08. Januar 2020 | 17:15 Uhr

3 Kommentare

ricopol am 10.01.2020

Der Konsens der Wissenschaft basiert wie jeder Konsens auf der menschlichen Denkweise, daß die Mehrheit recht hat. Dafür lassen sich dann auch Beweise finden. Eine Theorie wäre auch, daß unser Universum eine 'Ausstülpung' einer anderen - hochenergetischen - Dimension ist. Dabei hat der als Urknall definierte anfängliche Effekt nie aufgehört, und noch immer fließt die Energie in unser dadurch expandierendes Universum. Außer dieser dunklen Energie ließe sich damit auch die dunkle Materie erklären. Und die Inflationsphase. Denn die physikalischen Gesetze unserer Welt entsprechen nicht der Gesetze in ultrahoher Energie. Etwa innerhalb schwarzer Löcher oder fiktiver und nicht Konsenser Theoriedimensionen.

MDR-Team am 09.01.2020

Hallo Andreas,
Sheldon fände die Diskussion darüber sicherlich hoch interessant und würde sich die Nächte um die Ohren schlagen, um selber nochmal nachzurechnen. Vielleicht würde er aber auch den Physiker Eric Lerner als Ketzer diffamieren - und trotzdem nochmal nachrechnen. ;)

Viele Grüße aus der MDR-Wissen-Redaktion

Andreas am 09.01.2020

Was wohl Sheldon Cooper dazu sagt? 🤔