Patienten warten im Grippeversorgungszentrum
Patienten in einem Grippe-Versorgungszentrum in Rio de Janeiro: Medienberichten zufolge übersteigt die Zahl der Grippeinfektionen inzwischen die der Covid-19-Neuinfektionen in der Stadt. Bildrechte: imago images/Agencia EFE

H3N2-Influenza (A) Grippewelle mitten im Sommer: In Brasilien ist die Influenza zurück

18. Februar 2022, 15:32 Uhr

In Brasiliens Metropolen tritt gerade ein, wovor auch viele Epidemiologen in Europa warnen: Mit der Aufhebung der Corona-Maßnahmen erleben Rio de Janeiro, São Paulo und Salvador eine Welle von H3N2-Grippeinfektionen.

Es ist das Szenario, das viele Mediziner und Epidemiologen auch für Europa befürchten: Werden die strikten Hygienemaßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 zurückgenommen, dann kann es zu einer Art Super-Welle gewöhnlicher Erkältungs- und Grippeerkrankungen kommen. In Brasilien ist genau das jetzt eingetreten. In den großen Metropolen Rio de Janeiro und São Paulo breitet sich die Influenza aktuell mit Hochgeschwindigkeit aus. Medienberichten zufolge soll es allein in der 6-Millionen-Einwohner-Stadt Rio in den vergangenen Wochen zu über 20.000 neuen Ansteckungen gekommen sein. Bislang wurden fünf Tote gezählt. In São Paulo kamen in den vergangenen zwei Wochen 19 Patienten mit Grippe in Notaufnahmen von Kliniken. Im ganzen Vorjahr waren es nur 12.

Virusmutante weicht der Impfimmunität teilweise aus

Die in Brasilien zirkulierenden Viren gehören zum Typ H3N2, einer normalerweise in Europa und den USA üblichen Form der Grippe, die wiederum zu den Influenza-A-Viren gehören. Sie sind zwar weniger gefährlich für Risikogruppen als Covid-19, allerdings sind ihre Symptome schwerer. Erkrankte klagen über tagelanges hohes Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen und Fatigue.

Die jetzigen Grippefälle kommen zu einer untypischen Zeit, denn in Brasilien ist gerade Hochsommer. Influenza zirkuliert aber auch auf der Südhalbkugel gewöhnlicherweise im Winter. Der neue Grippeimpfstoff soll erst ab Februar ausgeliefert werden. Das könnte für die aktuelle Welle zu spät sein. Erschwerend kommt hinzu: Der diesjährige Grippeimpfstoff wirkt zwar prinzipiell gegen H3N2, aber wohl nur schlecht gegen den aktuellen Subtyp Darwin (benannt nach der australischen Stadt, in deren Labor das Virus zuerst beschrieben wurde).

Grippeähnliche Infekte in Deutschland immer noch seltener als üblich

In Deutschland bleibt die Grippe zwar weiter aus. Parallel zu den Lockerungen des Sommers kam es aber zu einer für die Jahreszeit untypischen Welle von Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV). Besonders viele Kinder erkrankten, zahlreiche auch so schwer, dass die Kinderintensivstationen zeitweise stark belastet wurden.

Aktuell sinkt die Rate der Atemwegsinfekte parallel zu den wieder strenger werdenden Hygienemaßnahmen wieder. Aktuell liegt sie etwa bei 3,9 Prozent, was einer 7-Tage-Inzidenz von 3900 pro 100.000 Einwohner entspricht. Die Rate Grippeähnlicher Infekte (ILI) lag in den vergangenen Wochen zwischen 1,0 und 1,3 Prozent. Der Wert ist niedriger, als in den Jahren vor der Pandemie, aber höher, als im Lockdown-Winter 2020/2021.

Zum Vergleich: Covid-19 liegt bei aktuell zwar bei vergleichsweise niedrigen 0,4 Prozent, ist aufgrund seines immer noch hohen Anteils von Patienten, die in Kliniken behandelt werden müssen aber deutlich problematischer für die Gesundheitsversorgung aller.

(ens)

2 Kommentare

wo geht es hin am 16.02.2022

Man musste kein Experte sein, um genau dieses Szenario vorherzusehen. Wenn ein Organismus künstlich davor bewahrt wird, jemals mit schädlichen Viren in Kontakt zu kommen, kann dieser Organismus auch keine natürlichen Abwehrstrategien aufbauen - schlicht, weil er den Schädling nicht kennt. Die Natur hat sich mit dem natürlichen immunsystem schon was brilliantes einfallen lassen - nur der Mensch selber (zumindest ein kleiner, aber entscheidenter Teil - und das wortwörtlich) glaubt, schlauer zu sein. Diese Hybris rächt sich dann bitter. Und das nicht nur bei der Influenza.

Anni22 am 21.12.2021

Man muss die Viren einfach bewundern, einfach und extrem anpassungsfähig. Wirklich bemerkenswert.