Titelgrafik des MDR Klima-Updates, neben dem Schriftzug ist eine Luftaufnahme einer chinesichen Großstadt zu sehen, in der es zwischen den Hochhäusern und neben den großen Verkehrswegen jede Menge Grünanlagen gibt.
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MDR KLIMA-UPDATE | 25. August 2023 Schwammstädte: Wie unsere Städte mit Starkregen und Dürre fertig werden

Ausgabe #103 vom Freitag, 25. August 2023

25. August 2023, 11:00 Uhr

Manchmal regnet es monatelang nicht, dann wieder fallen plötzlich sinntflutartige Wassermengen in kürzester Zeit zu Boden. Die Infrastruktur unserer Siedlungen muss künftig beide Extreme moderieren.

Autorenfoto von Clemens Haug
Bildrechte: Tobias Thiergen/MDR

Hallo liebe Lesende,

schaut man auf ein Thermometer mag man es kaum glauben, laut Kalender ist es aber wahr: Der Sommer geht zu Ende. Schon die nächste Ausgabe des MDR-Klima Update schicken wir ihnen im meteorologischen Herbst! Der beginnt am kommenden Freitag, dem 1. September.

Rückblickend werden Sie vielleicht sagen: Was für ein wechselhaftes Wetter das war in den eigentlich schönen Monaten. Nach einem kühlen März und April, waren Mai und Juni auf einmal warm und sehr trocken. Im Juli dann plötzlich schlug das Wetter um. In rascher Abfolge zogen Gewitter über Deutschland hinweg, dann wurde es auch noch kühl und regnerisch. Seit zwei Wochen ist es jetzt wieder heftig warm, mit einzelnen starken Gewittern.

War es also ein Sommer, der den Klimaprognosen entspricht? Tatsächlich ja, sagen Klimaforschende wie Johannes Franke vom sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Franke ist einer der Experten, die vor einigen Jahren das Regionale Klimainformationssystem ReKIS für Sachen, Sachsen-Anhalt und Thüringen aufgebaut haben. Eine der Erkenntnisse des Klimaprojektion für unsere Region lautete: Die Niederschläge verschieben sich tendenziell aus den Monaten April bis Juni in die Monate Juli bis September. Das Frühjahr wird also trockener, der Sommer dafür feuchter.

Dazu passt, dass auch der Hydrologe Andreas Marx vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig erwartet, dass die starke Trockenheit der vergangenen Jahre in Zukunft wieder ausgeglichen wird durch sehr nasse Phasen. Marx, der mit seinen Kolleginnen und Kollegen eine große Reihe von Klimamodellen und Szenarien betrachtet hat, kam zum Ergebnis: An der Summe der Niederschläge ändert sich insgesamt wenig.

Leider aber verläuft dieser Ausgleich in Extremen. Das heißt: Extreme Trockenphasen wechseln sich mit heftigem Starkregen ab, was zu großen Schäden führen kann, entweder durch den Wassermangel oder durch plötzliche Sintfluten.

Klar ist deshalb, dass wir unsere Infrastruktur umbauen müssen. Das Wasser muss auch bei plötzlichem Sturzregen sinnvoll in den Boden geleitet und gespeichert werden können. Forschende haben dafür Lösungen entwickelt, die sie unter dem Begriff "Schwammstadt" zusammenfassen. Was zur einer guten "Schwammstadt" gehört und wie weit unsere Großstädte in Mitteldeutschland dabei sind, erzähle ich Ihnen im Thema der Woche. Zuvor noch zur…


#️⃣ Zahl der Woche:

331

…Millionen Tonnen CO2-Äquivalente zu viel: Deutschland wird die im Klimaschutzgesetz vorgeschriebenen Ziele bis 2030 verfehlen und deutlich mehr Klimagase emittieren als gesetzlich und moralisch geboten wäre. Das ist das zentrale Ergebjs des kürzlich vorgelegten Projektionsberichts, der im Auftrag des Umweltbundesamts erstellt wurde. Die Botschaft ist klar: Die Bundesrepublik muss weiter nachbessern. Mehr dazu bei den Kollegen vom NDR.

Wie Städte künftig Regenwasser leiten, halten und nutzen müssen

Am 2. Juli 2011 erlebte Kopenhagen die heftigsten Starkregenfälle seit 55 Jahren. In 24 Stunden fielen pro Quadratmeter 135,4 Liter Wasser auf den Boden der dänischen Hauptstadt, die in den Fluten versank. Die Schäden beliefen sich auf rund 6 Milliarden dänische Kronen, umgerechnet etwa eine Milliarde Euro. 

Klimaforscher warnten da bereits seit einigen Jahren: Solche bislang ungewöhnlichen Starkregenfälle werden häufiger durch den Klimawandel. Also beschloss Kopenhagen, sich anzupassen und entwickelte das Konzept der "Schwammstadt", auf englisch "Sponge City". Oder etwas weiter gefasst in der Sprache der Forschenden: Kopenhagen entwickelte einen Plan zum Aufbau sogenannter blau-grüner Infrastrukturen.

Schwammstadt: Neues Paradigma für Wasserbau

Die Stadt soll bis 2032 so umgebaut werden, dass Wasser bei Starkregen umgeleitet und Schäden begrenzt werden. Dafür musste die Stadt zunächst neue Landkarten anfertigen, die zeigen, wo sich das Wasser bei starkem Regen sammelt. Dann wurden Straßen umgebaut und so geneigt, dass sie das Wasser gezielt ableiten. Einige wurden extra tiefer gelegt, damit sie als Rückhaltebecken dienen können. An anderer Stelle wurden Grünflächen neu angelegt oder Böden entsiegelt, damit das dorthin geleitete Wasser nach und nach versickern kann und die Kanalisation nicht überflutet wird. Bei starker Hitze steht es im Optimalfall als Grundwasser wieder zur Verfügung und kann genutzt werden, um das städtische Grün am Leben zu halten. Mit diesem Umbauplan ist Kopenhagen inzwischen Vorreiter bei einem Thema, um das keine Großstadt mehr herumkommt.

"Schwammstadt" bedeutet nichts weniger als ein Paradigmenwechsel bei der Planung der Infrastruktur von Siedlungen. In den vergangenen 200 Jahren war meist oberste Priorität, dass Regenwasser schnell abzuleiten, meist über die Kanalisation aus der Stadt heraus. In Zeiten der globalen Erwärmung entstehen dadurch aber mehrere Probleme. Bei starken Sommergewittern laufen die Leitungen oft schnell über, wodurch Schmutzwasser ungeklärt in die Umwelt gelangt und Flüsse und Böden verseuchen kann. In trockenen Zeiten dagegen fehlt die Feuchtigkeit. "Aufgrund der starken Versiegelung bildet sich zu wenig Grundwasser und verdunstet zu wenig Wasser. Zugleich überhitzen hochverdichtete Räume leicht", sagt Stefan Geyler von der Universität Leipzig, der zu Wassermanagement und Klimaanpassung forscht. Die Folge: "Das Stadtgrün leidet unter Trockenstress und die zunehmenden Starkniederschläge können Straßen, Keller und Tiefgaragen überfluten."

Wie Gründächer das Stadtklima stabilisieren

Was können die Städte und Ortschaften tun? In vielen Bauordnungen ist inzwischen vorgeschrieben, dass bei Neubauvorhaben sogenannte Gründächer geplant werden müssen. Die meistens flach gebauten Dachflächen sind dann oberhalb der Isolierung mit einer Substratschicht bedeckt, die von Pflanzen bewachsen ist. Die halten bei Regen einen Teil der Feuchtigkeit in ihren Wurzeln und Zellen fest und verdunsten sie bei Trockenheit wieder. Diese Verdunstung sorgt für Kühlung.

Auf der gezeichneten Illustration sind zwei rote Häuser zu sehen, von denen eins ein begrüntes Flachdach hat. Beim anderen ranken sich grüne Pflanzen an der Fassade empor. Die grünen Flächen auf und unter den Häusern nehmen Regen auf und leiten ihn in den Boden weiter. Eine Pumpe kann das Grundwasser später wieder nach oben holen.
Schematische Darstellung, wie Schwammstädte Regenwasser aufnehmen, speichern und nutzbar machen. Bildrechte: Sophie Mildner / MDR Wissen

Schwammstadt: Auch Dresden und Halle wollen das

Ein anderer Aspekt sind Versickerungssysteme für den öffentlichen Straßenraum. Dazu gehören neben gewöhnlichen Grünflächen auch spezielle Versickerungsmulden, deren Hauptaufgabe es ist, das Wasser in den Boden zu leiten. Regenwasserzisternen dagegen sind unterirdische angelegte Speicher, die Regenwasser sammeln, welches sich dann bei Trockenheit für die Bewässerung von Bäumen und Sträuchern verwenden lässt. Sogenannte Baumrigolen wiederum halten Wasser im Bereich der Baumwurzeln zurück und versorgen sie so mit lebensnotwendiger Feuchtigkeit in Trockenphasen.

Auch die Großstädte Mitteldeutschlands haben mit Planung und Bau blau-grüner Infrastrukturen begonnen und sind dabei unterschiedlich weit gekommen. In Leipzig soll ein ganzes Neubauviertel im Bereich des früheren Eutritzscher Freiladebahnhof zum Vorzeigeprojekt werden. Begleitet wird das Vorhaben von Forschenden des Helmholtz Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Momentan stock das Projekt allerdings, da neben den gestiegenen Zinsen und Kosten für Baufirmen auch überhöhte Preise für den Baugrund dazu geführt haben, dass die Finanzierung der Neubauten sehr schwierig geworden ist für die Inverstoren. Daher ist noch ungewiss, wann das Schwammquartier Wirklichkeit wird.

Mitteldeutschlands Städte werden Schwammstädte

Auch Dresden, das in einer der regenärmsten Regionen Deutschlands liegt (nämlich Ostsachsen), hat die Dringlichkeit eines besseren Umgangs mit Regenwasser erkannt. Seit erstem Juli läuft das Projekt Schwammstadt Dresden. Dazu gehört unter anderem das Modelprojekt des Gymnasiums Linkselbisch Ost. "Dort soll das gesamte Regenwasser auf dem Grundstück zurückgehalten werden. Geplant ist, das Dach, die Fassade und den Pausenhof zu begrünen. In Tiefbeeten und Mulden soll selbst bei Starkregen Wasser zurückgehalten werden können. Regenversickerungssysteme sollen mit sogenannten Rigolen sowohl auf Freiflächen als auch unter Bäumen am Weg zur Winterbergstraße angelegt werden", heißt es in einer Beschreibung der Dresdner Stadtentwässerung. Darüber hinaus soll eine Arbeitsgruppe private Immobilienbesitzer über Workshops und Informationsveranstaltungen in das Konzept Schwammstadt einbinden, da private Haus- und Grundbesitzer gemeinsam über einen Großteil des städtischen Bodens verfügen.

Jena hat aufgrund seiner Lage in einem Talkessel in den vergangenen Jahren intensiv mit Hitzewellen zu tun gehabt. Bei starken Regenfällen wiederum droht der Stadt die Überflutung, wenn die Saale plötzlich Hochwasser führt. Deshalb hat sie Stadt eine Studie beauftragt, einen sogenannten Stresstest, um zu prüfen, wie Jena für den Klimawandel aufgestellt ist. Ein Ergebnis: Die Stadt braucht dringend ein Schwammstadtkonzept, "das für Phasen mit einem Wasserüberangebot und den Phasen mit Wassermangel ein Konzept für die Bewirtschaftung der zunehmend knappen Ressource Wasser umfasst."

Auch in Halle und Magdeburg treffen sich inzwischen Verwaltungen mit Bürgern und Unternehmen, um Schwammstadt Konzepte auf den Weg zu bringen.

Klar ist also, dass unsere Städte grüner werden. Die einzig offene Frage ist noch, wie schnell dieser Prozess geht. Erfreulich daran ist, dass die Siedlungen nicht nur widerstandsfähiger werden gegen Hitzewellen und Starkregen. Sondern viel Grün steigert zugleich auch die Lebensqualität von Besuchern und Bewohnern. Schwammstädte verbinden so Nützlichkeit mit Schönheit.


🗓 Klima-Termine

Sonnabend, 27. August – Leipzig

Den ganzen Tag zeigen Klimagruppen und städtische Vertreterinnen und Vertreter auf der Klimamesse Klimafair, was die mitteldeutsche Metropole bereits fürs Klima tut und wie man sich aktiv einbringen kann. Mit dabei: Bühnenprogramm, Infostände, Musik, Kunst, Essen, Eis. Infos hier.

1. bis 2. September – Elbe (Děčín bis Pirna)

Der BUND lädt bei einer zweitägigen Fahrrad-Exkursion dazu ein, die Elbe zu erkunden, mit einem bunten Mix aus aktiven und ruhenden Aktivitäten, Wissensimpulse, nette Gespräche, gemeinsame Pausen und Mahlzeiten. Die Fahrradabschnitte seien für alle zu bewältigen. Für Mitglieder kostenlos, Infos hier.

Sonnabend, 2. September – Dessau-Roßlau

Zum Auftakt des Aktionstags Umwelt im Quartier lädt die Stadt zu einem gemeinsamen Quartiersspaziergang Am Leipziger Tor mit der Umweltministerin Steffi Lemke und Umweltbundesamt-Präsident Dirk Messner ein. Besucht werden Wildniswiesen, Mieterstrommodell und Aktionsstände. Auch dabei: Eine Kaffeetafel. Los geht’s ab 11 Uhr am Apothekergaerten, Infos hier.


📰 Klimaforschung und Menschheit

Forscher: Öffentliche CO-2-Bilanzen von Unternehmen sehr sinnvoll

Genau wie die EU und Großbritannien plant nun auch die US-Regierung ein Gesetz, dass öffentliche Unternehmen verpflichten soll, die eigenen CO2-Bilanzen zu veröffentlichen. Wissenschaftler erhoffen sich von diesem Schritt, dass Firmen stärker in die Verantwortung genommen werden für Schäden am Klima, die sie verursachen. Das wiederum könnte auch die Kräfte des Marktes stärken, da bessere CO2-Bilanzen dann möglicherweise Wettbewerbsvorteile bedeuten. Eine Analyse von rund 15.000 öffentlichen Unternehmen weltweit zeigt zudem, dass solche Bilanzen große Unterschiede zwischen einzelnen Firmen des jeweils gleichen Industriesektors zeigen können. Besonders auffällig: Allein die Top 4 der Firmen mit dem stärksten CO2-Ausstoss sei für etwa 89 Prozent der durch Unternehmen verursachten globalen Emissionen verantwortlich. Häufig gehören solche Firmen den energieintensiven Branchen an, zu denen Versorgungs- und Entsorgungsbetriebe gehören, aber auch Rohstoffverarbeitung, Verkehrsektor und Nahrungsindustrie.

Studie: Klimawandel verlängert El Niño- und La Niña-Phasen im Pazifik

Der pazifische Ozean bedeckt ein knappes Drittel der Erdoberfläche, deshalb haben seine Temperaturen und Strömungen einen zentralen Einfluss auf das Klima der gesamten Erde. Forschende haben nun untersucht, inwiefern sich mit dem Pazifik verbundene Strömungsmuster von Luft und Wasser durch die CO2-Emissionen seit Beginn der Industrialisierung verändert haben. Das Team um Georgina Falster von der Australian National University in Canberra analysierte Daten aus Einbohrkernen, Jahresbaumringen, Bodenproben aus Seen und Höhlen, sowie von Korallen, um Informationen über die Wetterbedingungen über dem Pazifik der vergangenen 800 Jahre zu erhalten. Ergebnis: Das mit dem Pazifik verbundene Luftzirkulationsmuster "Pazifik Walker Zirkulation" hat sich seit der Industrialisierung tatsächlich auf unerwartete Weise verändert. Die "Pazifik Walker Zirkulation" ist ein Muster nach Osten strömenden Höhenwinden, das großen Einfluss auf das Wetter im tropischen Pazifik und darüber hinaus hat. Während Vulkanausbrüche und l Niño-Phasen zu einer Schwächung führen können, hat der steigende CO2-Anteil einen anderen Effekt. Er hat offenbar das Tempo verlangsamt, indem die "Pazifik Walker Zirkulation" für einen Wechsel zwischen El Niño- und La Niña-Phasen sorgt. Das erhöht in Zukunft die Gefahr, dass diese Phasen deutlich länger anhalten und könnte damit auch dafür sorgen, dass sich starke Heiß-, Trocken- oder Regenphasen über mehrere Jahre erstrecken. Von solchen Extremereignissen betroffene Gebiete wie aktuell Kanada mit seinen Waldbränden, könnten damit künftig von noch größere Probleme gestellt werden.

Schutz von Tropenwäldern vermeidet weniger CO2 als Firmen anpreisen

Viele Unternehmen werben bei Kunden damit, dass ein Teil der Einnahmen verwendet wird, um tropische Regenwaldflächen zu erhalten. Dieser Erhalt von Bäumen soll ein Teil der Emissionen der Firmen kompensieren. Doch solche Kompensationsversprechen sind wahrscheinlich massiv übertrieben, zeigt nun eine neue Studie im Magazin Science. Demnach sind nur etwa sechs Prozent von Zertifikaten, die durch Walderhalt vermiedene Emissionen bescheinigen, mit tatsächlicher CO2-Kompensation verknüpft. Grund dafür ist, dass die Verkäufer der Zertifikate von der Annahme deutlich höherer Abholzungsraten ausgehen, als real an Baumfällungen stattfindet, wenn Waldflächen nicht unter Schutz stehen. Die Studie bestätigt damit bereits seit langem anhaltende Kritik, dass Zertifikate aus dem Waldschutz die Emissionseinsparungen stark übertreiben.


📻 Klima in MDR und ARD

👋 Zum Schluss

...habe ich heute mal wieder etwas Feedback von Ihnen, unseren Lesenden, mitgebracht. Manfred Kappler entwickelt lyrische Gedanken angesichts der Probleme, die meine Kollegin Kristin Kielon hier vergangene Woche in Bezug auch Nachtzüge geschildert hat. Herr Kappler fragt:

Wo geht unsere Reise hin? [...] Stoppen wir den Zug in die Katastrophen und steigen wir endlich in einen Zukunftszug.

Manfred Kappler

In diesem Sinne ein schönes Wochenende!

Clemens Haug


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Schreiben Sie uns an klima@mdr.de.

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