ausgetrockneter Boden vor einem Feld
Die Äcker werden immer trockener. Regenwasser kann so schwer in die Böden eindringen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Wassermangel Viele Grundwasserpegel auf Rekordtief: So könnte Regenwasser länger vorgehalten werden

28. Juli 2023, 05:00 Uhr

Seit Jahren kämpfen Bauern vielerorts mit zunehmend trockneren Äckern im Sommer. Es wird schon von Grundwasser-Dürre gesprochen. Dabei könnte mit umweltfreundlichen Eingriffen in die Natur mehr Regenwasser eingefangen werden. Hier gibt es Alternativen für die Landwirtschaft als auch für die Stadtplanung.

Grundwasserpegel sinkt: knapp 50 Prozent der Messstellen auf dem Tiefststand seit 1990

Die Böden werden seit Jahren in vielen Regionen immer trockener und versiegeln damit nahezu. Fällt mal kurzzeitig Regen, perlt er zusehends darauf ab. Manche sprechen nicht mehr nur von Dürre-Sommer sondern auch von Grundwasser-Dürre. Eine Übersicht zur Grundwassersituation in ganz Deutschland hat die Klimaredaktion des Recherchezentrums "Correctiv" erstellt.

Der Grundwasseratlas von "Correctiv" gibt Aufschluss über die Grundwasser-Entwicklung im Zeitraum von 1990 bis 2021. Dafür wurden die Daten von 6.700 der deutschlandweit rund 30.000 vorhandenen Grundwassermessstellen ausgewertet.

Gesa Steeger
Gesa Steeger ist Reporterin bei der Klimaredaktion "Correctiv". (Bild von einer Videoschalte) Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Die Erhebung zeigt, das Grundwasser geht in ganz Deutschland zurück. "Das ist regional aber unterschiedlich", sagt Gesa Steeger, Reporterin der Klimaredaktion "Correctiv". Besonders betroffen seien Norddeutschland, Thüringen, Bayern, und Schleswig-Holstein. "Wir sehen auch, dass in den Dürrejahren 2018 bis 2021, wo wenig Regen gefallen ist und es sehr trocken war, 50 Prozent der Messstellen auf dem Tiefststand seit 1990 gefallen sind", erklärt Steeger.

Wasser speichern, wenn es da ist

Wie sich das Grundwasser-Aufkommen entwickelt, wird auch am Umweltforschungszentrum (UFZ) in Leipzig genau beobachtet. "Der natürliche Wasserkreislauf ist ein in sich geschlossenes System. Die Gesamtmenge an Wasser, die wir auf dem Globus haben, verändert sich nicht. Es ist bloß die Frage, wann ist es in welcher Menge wo vorhanden?", sagt der Hydrogeologe Jan Fleckenstein.

Der Wasserkreislauf (bitte aufklappen für mehr Informationen)

Wenn es regnet, fällt Wasser auf die Böden und kann dort Höhlräume und Klüfte sättigen – soweit es auch eindringen kann. Das sich dort sammelnde Grundwasser füllt auch wieder Flüsse oder kann sich auch Bahn brechen als neu entstehender Fluss. "Das heißt, das Grundwasser steht so direkt im Kontakt mit den Oberflächengewässern. Als Teil des gleichen Kreislaufs über die Flüsse geht es ins Meer, über die Verdunstung, in die Atmosphäre, über den Niederschlag wieder auf die Landschaft. Und so schließt sich der Kreis", erklärt der Hydrogeologe Jan Fleckenstein.

Sinkende wie steigende Grundwasserstände haben vor allem damit etwas zu tun, wie sich der Wasserverbrauch vor Ort ändert.

Jan Fleckenstein
Jan Fleckenstein ist Hydrogeologe und forscht am Umweltforschungszentrum (UFZ) in Leipzig. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

"Es kann auch bedeuten, dass man einfach weniger entnommen hat, dass man etwa im Tagebau-Bereich weniger Grundwasser pumpt oder auch dass Wasserwerke nicht mehr in Betrieb sind und sich dadurch das System erholt", sagt Fleckenstein. Dann reiche eine geringere Niederschlagsmenge, um die Reserven wieder aufzufüllen. Die wichtigste Zeit seien die Wintermonate, auch weil die Verdunstung da am geringsten ist. Wenn dann aber auch im Winter weniger Regen fällt, schrumpft der Speichervorrat wieder umso schneller.

Daher seien Überlegungen gefragt, wie das Wasser umverteilt werden könne. "Wir müssen lernen, das Wasser, wenn es da ist, möglichst zurückzuhalten, in den Untergrund zu bringen, damit wir es später nutzen können", betont der Hydrogeologe. In Kalifornien und anderen trockenen Regionen werde das Grundwasser beispielsweise mit dem Wasser der Schneeschmelze künstlich angereichert. Es wird damit verhindert, dass es in die Bäche abläuft. "Das wird auch bei uns an Bedeutung gewinnen", sagt Fleckenstein. Hier müsse in Deutschland nachgerüstet werden. Anderenorts seien bereits komplexe Wasserverteilsysteme im Einsatz, um trockenere Regionen mit zu versorgen.

Geschaut werden müsse auch im Bereich von Fließgewässern, wie Wasser länger vorgehalten werden kann. Flussauen, also die Uferlandschaften, die durch wechselnde Pegelstände der Gewässer gebildet werden, sollten ihren natürlichen Raum behalten. Bei Hochwasser kann dort ein Teil des Wassers zurückgehalten werden und so langsam wieder abfließen. "Dann infiltirert da auch ein Teil wieder zurück ins Grundwasser. Auch so hält man mehr Wasser in der Landschaft", sagt Fleckenstein.

Wasser einlagern in der Schwammstadt

Auch die sogenannte "Schwammstadt" ist ein mögliches Konzept, Wasser vor Ort einzufangen, wenn es da ist. Das Prinzip: Regenwasser soll durch weniger versiegelte Flächen versickern können und dort gespeichert werden. So kann es für später vorgehalten werden, um bei Trockenperioden längere Zeiträume auszugleichen. Dies geschieht zum Beispiel mit Hilfe von Pflanzen, deren Wurzeln den Boden auflockern und in den Lufträumen ihrer Ballen Wasser einlagern. Ein positiver Nebeneffekt: Begrünte Hauswände und Dächer sorgen für angenehmere Temperaturen. Das verdunstende Wasser kühlt die Stadt ab und verbessert auch das Mikroklima, also die Luftschicht in Bodennähe.

Sind die Böden durchlässiger kann ein Teil des Wassers auch direkt über die Erde wieder in den natürlichen Kreislauf gelangen und verschwindet nicht im Gully. So wird auch vorgebeugt, dass Kanalisationen bei starkem Regen überschwemmen. Zisternen können zudem aufgestellt werden, um Regenwasser zu speichern. Alternativen sind auch Stadtgewässer und unterirdische Speicher wie Baumrigolen. Derartige Ideen fließen bereits in einige Stadtplanungen mit ein, etwa in Leipzig, Berlin, Hamburg und Wuppertal.

Auch interessant: Singapur speichert Regenwasser aus der Stadtregion in einer Lagune, welche auch als Trinkwasservorrat genutzt wird.

Wasserentnahme-Verbote zur Regulierung im Sommer: Grundlage ist Wasserhaushaltsgesetz

Immer mehr Landkreise bundesweit verbieten seit Jahren im Sommer die Wasserentnahme aus Flüssen, Seen, Bächen und Teichen – teils zeitweise. Auch das Bewässern von Äckern und Feldern ist mitunter inbegriffen. Grundlage für derartige Verbote ist das Wasserhaushaltsgesetz des Bundes. Darin heißt es: "Jede Person darf oberirdische Gewässer in einer Weise und in einem Umfang benutzen, wie dies nach Landesrecht als Gemeingebrauch zulässig ist."

Verstöße können mit bis zu 50.000 Euro geahndet werden

Der Paragraf 103 des Wasserhaushaltsgesetzes regelt die Bußgeldvorschriften. Wer sich nicht an die vor Ort geltenden Wasserentnahme-Verbote hält, riskiert eine Strafe von bis zu 50.000 Euro.

Mit eigenem Brunnen zu eigenem Wasser?

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