Klimawandel Gesundheitsgefahr Hitzewelle: Warum wir in Deutschland Hitzeaktionspläne brauchen

03. Juli 2023, 17:35 Uhr

Einige deutsche Städte arbeiten Aktionspläne zum Schutz der Menschen bei Hitzewellen aus. Was steht drin und was können Einzelne tun? Der Arzt Nikolaus Mezger vom Uniklinikum Halle erklärt die Ziele.

Notfallsanitätern der Feuerwehr bei einer hilflosen Person in großer Hitze 7 min
Bildrechte: IMAGO / Gottfried Czepluch

Städte und Länder stellen sich mit Hitzeaktionsplänen auf die häufigeren, länger andauernden Hitzewellen ein. Was bringen die Maßnahmen?

MDR KULTUR - Das Radio Mo 03.07.2023 09:58Uhr 06:43 min

https://www.mdr.de/wissen/audios/hitzeaktionsplan-leipzig-nutzen-klimawandel-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Notfallsanitätern der Feuerwehr bei einer hilflosen Person in großer Hitze 7 min
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In Italien, Spanien, Portugal, Frankreich und England gibt es bereits nationale Hitzeschutzpläne. Auch in Deutschland soll jetzt ein solcher Plan beschlossen werden. Einzelne Kommunen sind bereits vorangegangen, unter anderem Leipzig.

Der Gesundheitswissenschaftler und Arzt Nikolaus Mezger von der deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) und dem Center for Planetary Health Policy (CPHP) forscht unter anderem am Uniklinikum Halle zu den Auswirkungen von hohen Temperaturen auf die menschliche Gesundheit und arbeitet an einem kommunalen Hitzeschutzplan.

Frage: Warum sind solche Pläne wichtig?

Nikolaus Mezger: Mit der Klimakrise werden Hitzewellen häufiger, intensiver und dauern länger an. Wie Stürme und Fluten gehören sie zu den Extremwetterereignissen. Aufgrund solcher Hitzewellen gab es in den vergangenen Jahren tausende Tote in Deutschland. Aber auch viele Babys wurden zu früh geboren. Hinzu kommen Menschen, die kollabiert und dann in Krankenhäuser gekommen sind.

Daneben macht uns Hitze müde und lässt uns schlecht schlafen. Dadurch können wir schlechter arbeiten und Kinder können schlechter lernen. Ein Hitzeaktionsplan ist daher für jeden wichtig, vor allem für diejenigen, die der Hitze besonders ausgesetzt sind, also Menschen, die jetzt im Freien arbeiten.

Frage: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach orientiert sich am Hitzeaktionsplan von Frankreich. Der habe schon viel Leben gerettet, so der Minister. Was steht den in einem solchen Plan?

Nikolaus Mezger: In Frankreich sind die Pläne in vier verschiedene Gefahrenstufen eingeteilt, abhängig von Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Bei Erreichen einer solchen Gefahrenstufe müssen bestimmte Maßnahmen ergriffen werden. Zum Beispiel gibt es Informationskampagnen für die Bevölkerung. Radio und Fernsehen geben Tipps für das richtige Verhalten bei Hitze.

Nikolaus Mezger, Doktorand am Universitätsklinikum Halle.
Nikolaus Mezger vom Centre for Planetary Health Policy und dem Universitätsklinikum Halle. Bildrechte: Medizinischen Fakultät Halle-Wittenberg

Zudem wird ein Telefonservice eingerichtet, bei dem Mitarbeiter von Sozialdiensten viele ältere und alleinstehende Menschen anrufen, die durch Hitze besonders gefährdet sind. So soll sichergestellt werden, dass diese Menschen gut versorgt sind. Wenn jemand nicht erreichbar ist, wird auch ein Mitarbeiter hingeschickt, um zu schauen, ob es der Person noch gut geht.

Für Alten- und Pflegeheime zum Beispiel ist ein klimatisierter Raum Pflicht, wo die Menschen sich aufhalten können. Und das Pflegepersonal wendet dann bestimmte Maßnahmen an, um auf die Hitze zu reagieren. Im öffentlichen Raum gibt es mehr Trinkbrunnen, aber auch Unterbringungsprogramme, zum Beispiel für Obdachlose.

Frage: Sie selbst haben jetzt auch gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen einen Hitzeaktionsplan für die Region Leipzig angestoßen. Was steht dort drin?

Nikolaus Mezger: Der Leipziger Stadtrat hat beschlossen, dass Leipzig einen Aktionsplan bekommen soll. Der wird jetzt von verschiedenen Ämtern wie dem Gesundheits- und dem Umwelt-, aber auch dem Sozialamt und dem Stadtplanungsamt gemeinsam erarbeitet.

Der Plan hat insgesamt drei Schwerpunkte. Erstens werden Akutmaßnahmen vorgestellt, etwa, dass bei einer Hitzewelle mehr Schatten und mehr Möglichkeiten zum Abkühlen in der Leipziger Innenstadt bereitgestellt werden. Dann sollen auch die Öffnungszeiten von öffentlichen Ämtern verändert werden, damit man Behördengänge in die kühleren Morgen- oder Abendstunden legen kann.

Zweitens sollen durch Hitze besonders verletzliche Gruppen geschützt werden, etwa Kinder aber auch Vorerkrankte. Deswegen werden mit den Schulen, den Kitas, den Pflegeheimen und den Krankenhäusern Konzepte erarbeitet, was vor und während einer Hitzewelle zu tun ist. Das kann sein, dass der Personalschlüssel erhöht wird, weil einfach mehr Betreuungsbedarf ist.

Und drittens soll die Bevölkerung informiert werden, was jeder für sich selbst tun kann, also mehr trinken, nur leichte Nahrung essen, tagsüber nicht lüften, aber auch kein Sport während der Mittagszeit treiben. Oder was jeder für andere tun kann: etwa die eigenen Großeltern anrufen, um zu fragen, wie es ihnen geht. Oder vielleicht auch anbieten, für betagte Nachbarn die Einkäufe zu übernehmen.

Frage: Kann Hitze selbst krankmachen? Oder verschärft sie "nur" die Situation vulnerabler Gruppen?

Nikolaus Mezger: Hitze macht Kreislaufschwierigkeiten. Der Körper ist einfach angestrengt durch die vermehrte Arbeit, sich runter zu kühlen. Deshalb können Leute kollabieren. Sie müssen gekühlt werden, ihnen muss zu trinken gegeben werden, aber auch im Zweifelsfall der Rettungsdienst gerufen werden. Zum anderen gibt es natürlich Sonnenbrände, weil die Hitzewellen meist von starker Sonnenstrahlung begleitet werden.

Ein weiteres Problem, dass ich auch schon erlebt habe: Patienten sagen den Termin in der Sprechstunde ab, weil es ihnen zu anstrengend ist, zu kommen. Und das ist ein Problem, wenn beispielsweise Medikamente angepasst oder andere wichtige Dinge besprochen werden müssen. Und ein Extremfall war, als ich vor ein paar Jahren im Sommer einen jungen Mann wiederbeleben musste, der einen Herzinfarkt hatte. Wahrscheinlich kamen bei ihm verschiedene Dinge zusammen. Aber Hitze erhöht ganz klar das Risiko von Schlaganfällen und Herzinfarkten.

Frage: Sie meinen, auch Medien haben eine Verantwortung in Hitzewellen. Welche?

Nikolaus Mezger: Medien müssen darüber aufklären, dass Hitzewellen nicht nur Badespaß am Wochenende bedeuten, sondern dass sie konkrete Gesundheitsgefahren für uns alle darstellen. Medien können auch Tipps geben, wie man sich verhalten soll und daran erinnern, mal bei der Nachbarin vorbeizuschauen. Außerdem müssen sie deutlich machen: Wenn wir das Klima nicht schützen, wird es immer heißer. Und das ist dann eben irgendwann auch lebensbedrohlich.

(MDR Kultur/ MDR Wissen)

Blitze eines Gewitters sind am späten Abend am Himmel 3 min
Bildrechte: imago images/Marcel Lorenz

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 27. Juni 2023 | 16:10 Uhr

13 Kommentare

MDR-Team vor 42 Wochen

Hallo Brigitte Schmidt,
hier wird nicht getrommelt, sondern auf sachlicher Ebene das Thema mit einem Experten besprochen. Wir haben ein Interview mit dem Gesundheitswissenschaftler und Arzt Nikolaus Mezger dazu geführt und er erklärt mit seiner Expertise den Hintergrund und die Funktion von Hitzeschutzplänen.

Brigitte Schmidt vor 42 Wochen

Warum wird eigentlich immer so gern für die Maßnahmen der Bundesregierung, hier wiedermal aus dem Hause Lauterbach, getrommelt?
Warum kein kritisches Hinterfragen?

geradeaus vor 42 Wochen

In dem 7min Video kurz vor Ende des Artikels (Was tun gegen Hitze), was ich sehr empfehle, werden die Hitzetage verglichen zw 1960-1990 und 1990-2020. Und da haben sich die Tage mit >30 C° mehr als verdoppelt von 4 auf 8.

Und das heisst ja nicht das es bei uns in Europa nicht auch nochmal kühl im Sommer sein kann, das kapieren manche nicht. Und wenn dann mal der Juni und Juli recht kühl ist dann schließen viele daraus "Ach, es gibt keine Erderwärmung bla bla"

Es wird wärmer. Und die kalten Orte auf der Welt erwärmen sich schneller als die wärmeren, Stichwort "Thermodynamik"
Ein kalter/kühlerer Raum erwärmt sich leichter und damit schneller als ein Raum der schon mehr Wärme in sich birgt.