Grafik - Dimethylether in der Scheibe um den Stern IRS 48 entdeckt
Stoff, der hilft, Warzen zu vereisen, im All gefunden Bildrechte: iESO/L. Calçada - ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/A. Pohl - van der Marel et al. - Brunken et al.

Planetenbildung Astronominnen entdecken Moleküle im All

08. März 2022, 09:24 Uhr

Ein Forscherinnenteam aus den Niederlanden und aus Deutschland hat im All Spuren komplexer Moleküle gefunden. Es handelt sich um Dimethylether, ein Gas, das wir auch aus dem Alltag kennen. Aber wie findet man winzige Moleküle im All und wo?

Wer schon mal Warzen mit Vereisungsspray zu Leibe gerückt ist, hat vielleicht auf der Packungsbeilage gelesen, was da unter anderem drin ist: Dimethylether. Ein leicht entzündliches Gas, das nicht nur die Pharmaindustrie verwendet, sondern das auch in der Chemie als Lösungsmittel eingesetzt wird. Eine Gruppe von Forscherinnen des Leiden Observatoriums in den Niederlanden und des Max-Planck-Instituts für Extraterrestrische Physik in Garching bei München hat nun Spuren von Dimethylether-Molekülen im tiefsten Weltall gefunden, 444 Lichtjahre entfernt, und zwar in einer Planeten bildenden Scheibe. Mit neun Atomen sind die Dimethylether-Moleküle die größten, die man jemals überhaupt in einer Region nachgewiesen hat. Außerdem entdeckten die Forscherinnen möglicherweise Methylformiat, ebenfalls ein komplexes Molekül, das Dimethylether ähnelt und genau wie Dimethylether ein Baustein für noch größere organische Moleküle ist.

Wo die Gas-Moleküle entdeckt wurden

Die Forscherinnen entdeckten die Moleküle in der Planeten bildenden Scheibe um den jungen Stern IRS 48, der im Sternbild Ophiuchus (Schlangenträger) liegt. IRS48 ist schon lange im Visier der Forschung. 2013 hatte Nienke van der Marel, die auch jetzt an der Studie beteiligt ist, entdeckt, dass der Planet von einem Gasring umgeben ist, und im Umfeld des jungen Sterns eine Region existiert, in der größere Staubkörner gefangen waren, die durch Kollisionen und Zusammenkleben wuchsen: Der Beweis für eine sogenannte Staubfalle, die man bis 2013 nur theoretisch kannte. Hier ein Einblick in das System um den jungen Stern IRS 48:

Staubkörner-Zusammenschluss in der Staubfalle

Die jüngst analysierten Aufnahmen des ALMA-Observatoriums (Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array) liefern nun neue verblüffende Details. Innerhalb der Region, die wahrscheinlich durch einen neu geborenen Planeten oder einen kleinen Begleitstern zwischen dem Stern und der Staubfalle entstanden ist, fanden die Forscherinnen viele millimetergroßer Staubkörner, die sich zusammenschließen und zu kilometergroßen Objekten verbinden können, wie Kometen, Asteroiden und möglicherweise sogar Planeten.

Aus Eis wird Gas und so werden die Moleküle frei

In diesen Sternentstehungswolken haften Atome und einfache Moleküle wie Kohlenmonoxid an Staubkörnern und bilden eine Eisschicht. Chemische Reaktionen führen dann zu komplexeren Molekülen. Die Staubfalle in der IRS 48-Scheibe ist bisherigen Forschungen zufolge ein molekülreiches Eisreservoir. In dieser Region der Scheibe hat ALMA nun Spuren des Dimethylether-Moleküls entdeckt. Wenn das Eis durch IRS 48 erwärmt wird, wird es zu Gas und setzt die bisher eingeschlossenen Moleküle frei, so dass die Forschung sie nachweisen kann. Für die Forscherinnen ein Hinweis darauf, dass weitere komplexe Moleküle auf eisigen Strukturen in Planeten bildenden Scheiben zu finden sein könnten. Studien-Mitautorin Alice Booth sagt: "Was das Ganze noch spannender macht, ist die Tatsache, dass wir jetzt wissen, dass diese größeren, komplexen Moleküle während der Entstehung von Planeten in der Scheibe vorliegen. Das war vorher nicht bekannt, denn in den meisten Systemen sind diese Moleküle im Eis verborgen."

Was das Spannende an der Entdeckung ist

Komplexe Moleküle in 444 Lichtjahren Entfernung: Was ist daran so spannend? Ganz einfach: Diese Moleküle sind die Vorläufer von präbiotischen Molekülen, also den Grundbausteinen des Lebens wie zum Beispiel Aminosäuren und Zucker. Studien-Erstautorin Nashanti Brunken vom Observatorium Leiden sagt: "Anhand dieser Ergebnisse können wir mehr über den Ursprung des Lebens auf unserem Planeten erfahren und somit eine bessere Vorstellung von dem Potenzial für Leben in anderen Planetensystemen bekommen.

Links/Studien

Die Studie "A major asymmetric ice trap in a planet-forming disk: III. First detection of dimethyl ether" ist im Fachmagazin Astronomy & Astrophysics erschienen. Sie können die Arbeit von Nashanty G. C. Brunken (Observatorium Leiden, Universität Leiden, Niederlande [Leiden]), Alice S. Booth (Leiden), Margot Leemker (Leiden), Pooneh Nazari (Leiden), Nienke van der Marel (Leiden), Ewine F. van Dishoeck (Observatorium Leiden, Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik, Garching, Deutschland, hier im Original lesen.

(lfw)

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