Eine Nahaufnahme der Hand einer Person, die ein offenes Buch hält, mit einem Gehirn und hochfliegenden Symbolen im Hintergrund
Wissenschaftler des Magdeburger LIN sind der Erforschung der Sprache des Gehirns ein Stück näher gekommen. Bildrechte: IMAGO/Wirestock

Wissen-News Magdeburger Forscher entschlüsseln die Sprache des Gehirns

22. April 2024, 13:52 Uhr

Wie leitet unser Gehirn uns zu Orten der Belohnung, wie der Lieblingseisdiele? Am Magdeburger Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) ist man nun einer Antwort näher gekommen. Das Gehirn nutzt offenbar einen speziellen Code, um uns zu Orten zu leiten, die Belohnung versprechen.

In der kürzlich erschienenen Studie fokussierten sich die Forschenden auf die Verbindung zwischen dem Hippocampus und dem Nucleus accumbens, einem für Motivation und Belohnung zuständigen Gehirnareal. Die Hypothese lautet, dass die Kommunikation zwischen beiden Arealen hilft, Orte wiederzufinden, an denen wir zuvor belohnt wurden. Obwohl bekannt war, dass diese Regionen zusammenarbeiten, war es bisher unmöglich, die Aktivität zahlreicher Neurone und deren Kommunikationspartner direkt zu beobachten. "Was wir entdeckt haben, ist nicht weniger als die 'Sprache', die unsere Gehirnareale verwenden, um uns zu den Orten zu führen, die wir lieben," erläutert der Studienautor Oliver Barnstedt.

Barnstedt, Petra Mocellin und Stefan Remy erforschen am LIN den Hippocampus – einen Bereich des Gehirns, der entscheidend beim Erinnern von Lebensereignissen und der räumlichen Orientierung ist und damit eine tragende Rolle in unserem Gedächtnis spielt. Schädigungen des Hippocampus führen unter anderem zum Verlust der Fähigkeit, neue Erinnerungen zu bilden. Dazu erklärt Remy: "Die Fähigkeit, hochdimensionale neuronale Codes zu entschlüsseln, könnte zu präziseren Therapien führen, die direkt auf die Wiederherstellung von Gedächtnisfunktionen abzielen." Das Team nutzte eine Reihe neuartiger optischer Methoden, um zu verstehen, wie die beiden Hirnregionen miteinander kommunizieren. Mithilfe spezieller Fluoreszenzproteine und Zwei-Photonen-Mikroskopie konnten die Wissenschaftler neuronale Aktivität und die Verbindungen zum Belohnungszentrum im Gehirn nachverfolgen. Bei über 5.000 Neuronen wurde beobachtet, wie und wann sie aktiv wurden – eine bahnbrechende Methode, um zu verstehen, wie Mäuse, auf einem an eine natürliche Umgebung erinnernden Laufband trainiert, Belohnungsorte identifizieren und darauf reagieren.

Mögliche neue Wege für Behandlung von Alzheimer und Sucht

Die Forschungsergebnisse des Teams deuten darauf hin, dass nahezu die Hälfte der Neurone, die vom Hippocampus zum Nucleus accumbens führen, gleichzeitig Informationen zu Ort und Bewegung kodieren – ein Meilenstein für das Verständnis, wie im Gehirn räumliche und belohnungsbezogene Informationen integriert werden. Diese multidimensionale Vernetzung ermöglicht es dem Gehirn, mit hoher Präzision die Orte zu antizipieren, die uns Freude bereiten. Es ist, als würden unsere Gehirnzellen bereits im Voraus das 'Glücksgefühl' einer belohnenden Erfahrung wie den Besuch unserer Lieblingseisdiele kartieren. "Diese Studie markiert einen Wendepunkt in unserem Verständnis von räumlichem Gedächtnis und Belohnung – und öffnet neue Wege für die Behandlung von Erkrankungen wie Alzheimer und Sucht," betont Barnstedt.

cdi/pm

Links/Studien

Die Studie "A hippocampus-accumbens code guides goal-directed appetitive behavior" ist im Fachjournal "nature communications" erschienen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR Aktuell | 20. April 2024 | 15:10 Uhr

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