Clostridium clariflavum, ein faserabbauendes Bakterium, das Zellulosefasern mit Hilfe von Zellulosomen abbaut.
Clostridium clariflavum, ein faserabbauendes Bakterium, das Zellulosefasern mit Hilfe von Zellulosomen abbaut. Bildrechte: Itzhak Mizrahi

Wissen-News Zu wenig Ballaststoffe: Menschen verlieren immer mehr wichtige Darmbakterien

19. März 2024, 14:17 Uhr

Ballaststoffe sind wichtig für unsere Verdauung. Eine neue Studie zeigt nun allerdings, dass die Menschen zunehmend die Mikroben verlieren, die Ballaststoffe in Nahrung für einen gesunden Verdauungstrakt verwandeln.

Ballaststoffe sind Zellulose, der faserige Stoff, aus dem Pflanzen bestehen: Blätter, Wurzeln und Baumstämme. Sie stammen vor allem aus Gemüse oder Vollkornprodukten, tragen dazu bei, dass unsere Darmflora gesund und ausgeglichen bleibt und dienen als Ausgangspunkte für eine natürliche Nahrungskette. Am Anfang stehen Bakterien, die Zellulose verdauen können und dem Rest unseres Mikrobioms eine ausgewogene Ernährung bieten. Doch unsere Ernährungsgewohnheiten in den Industriegesellschaften sind mittlerweile weit von denen der Menschen in der Antike entfernt.

Dies wirkt sich offenbar auf unsere Darmflora aus, da neu entdeckte zelluloseabbauende Bakterien aus dem menschlichen Darmmikrobiom verschwinden – insbesondere in den Industriegesellschaften, wie eine aktuelle Studie der Ben-Gurion-Universität des Negev in Israel und Uni Düsseldorf zeigt. "Im Laufe der menschlichen Evolution waren Ballaststoffe immer ein Hauptbestandteil der menschlichen Ernährung", erklärt Studienautorin Sarah Moraïs. "Sie sind auch ein Hauptbestandteil der Ernährung unserer Primatenvorfahren." Moraïs und ihr Team identifizierten wichtige neue Mitglieder des menschlichen Darmmikrobioms: zelluloseabbauende Bakterien namens Ruminococcus. Diese Bakterien bauen Zellulose ab, indem sie große und hochspezialisierte extrazelluläre Proteinkomplexe, so genannte Zellulosomen, produzieren.

Die Untersuchung menschlicher Kohorten ergab, dass Ruminococcus-Stämme robuste Bestandteile des menschlichen Darmmikrobioms in menschlichen Jäger- und Sammlergesellschaften und in ländlichen Gesellschaften sind, dass sie aber in Probanden aus industrialisierten Gesellschaften spärlich vorkommen oder fehlen. "Unsere Vorfahren in Afrika vor 200.000 Jahren haben ihr Mittagessen nicht im Drive-In geholt oder sich eine Pizza nach Hause liefern lassen", erklärt der Düsseldorfer Evolutionsbiologe William Martin. In den industrialisierten Gesellschaften, die sich immer weiter von den landwirtschaftlichen Betrieben entfernt haben, in denen die Lebensmittel erzeugt werden, ändert sich die Ernährung. Diese Abkehr von einer ballaststoffreichen Ernährung ist eine mögliche Erklärung für den Verlust wichtiger zelluloseabbauender Mikroben in unserem Mikrobiom, schlussfolgern die Autoren. Wie kann man diesem evolutionären Rückgang entgegenwirken? Vor allem mit Essen von mehr Ballaststoffen, so die Experten.

cdi/pm

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