Säugling wird gestillt
Die bakterielle Zusammensetzung der Darmflora eines Säuglings könnte Einfluss auf dessen Gehirnentwicklung haben. Das legen die Ergebnisse einer neuen kanadischen Studie nahe. Bildrechte: IMAGO / Westend61

Säuglinge Möglicher Zusammenhang zwischen Darm-Mikrobiom und Gehirnentwicklung bei Babys

10. August 2023, 14:01 Uhr

Eine Pilotstudie legt die Vermutung nahe, dass die bakterielle Zusammensetzung der Darmflora von Säuglingen Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten der Kinder hat.

Der Einfluss der Bakterien im Darm eines Menschen für seine Gesundheit und Entwicklung rückt seit Jahren immer weiter in den Mittelpunkt wissenschaftlicher Forschung. Eine kanadische Forschungsgruppe hat nun untersucht, welche Einflüsse das Mikrobiom im Darm auf die Gehirnentwicklung im Säuglingsalter haben könnte. Die Ergebnisse deuten einen Zusammenhang an, auch wenn diese Pilotstudie noch relativ klein war.

Drei kognitive Tests bei Babys im Alter von vier bis sechs Monaten

Die Forschungsgruppe um Sebastian Hunter von der University of British Columbia in Kanada analysierte Daten von 56 Säuglingen im Alter von vier bis sechs Monaten. Die Babys wurden verschiedenen kognitiven Tests unterzogen, parallel dazu untersuchten die Forscher die Mikrobiome der Säuglinge anhand von Stuhlproben.

Bei den kognitiven Untersuchungen handelte es sich zum einen um den sogenannten "Point and Gaze"-Test, bei dem es darum geht, ob die Babys mit den Augen etwas verfolgen, auf das gezeigt wird. Ein erfolgreiches Abschneiden in diesem Test kann als Indikator dafür gesehen werden, dass das Kind auf einem guten Weg in der Entwicklung seiner sozialen und kognitiven Fähigkeiten ist. Nach anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen lässt dieser Test auch auf die ungefähre spätere Größe des Wortschatzes der Kinder schließen.

Ein zweiter Test beinhaltete EEG-Messungen (Elektroenzephalogramm) der Hirnaktivität der Säuglinge, während sie einen gleichmäßigen Rhythmus hörten. Aus früheren Forschungen ist dabei bekannt, welche Aktivitätsmuster im Gehirn bei einer besseren oder schlechteren Verarbeitung zu sehen sind.

Und schließlich gab es einen dritten Test mit vorwärts und rückwärts gesprochener menschlicher Sprache. Dieser Test war letztlich der einzige, in dem kein Zusammenhang zwischen dem erzielten Ergebnis der Säuglinge und der bakteriellen Zusammensetzung ihrer Darmflora festgestellt werden konnte.

Verschiedene Bakterienstämme spielen eine Rolle

Beim "Point and Gaze" und beim Rhythmus-Test gab es so einen Zusammenhang aber sehr wohl. Säuglinge, die beim "Point and Gaze“-Test erfolgreich waren, hatten tendenziell mehr Mikroben aus den Gruppen Actinobacteria, Bifidobacterium und Eggerthella im Darm, dafür weniger aus den Gruppen Firmicutes (Bacillota), Hungatella und der Streptokokken.

Auch die EEG-Messungen beim Hören eines Rhythmus zeigten, dass Aktivitätsmuster, die mit einer besseren rhythmischen Verarbeitung verbunden sind, mit höheren oder niedrigeren Werten bestimmter Mikrobentypen einhergingen. Auch chemische Stoffwechselreaktionen wurden nachgewiesen, an denen Mikroben beteiligt sind, die in früheren Studien mit der Entwicklung von Gehirn und Rückenmark in Verbindung gebracht wurden.

Zu wenige Kaiserschnitt-Babys für klare Erkenntnisse in dieser Studie

Erst kürzlich hat MDR WISSEN berichtet, welche Rolle eine Entbindung per Kaiserschnitt bei der Zusammensetzung des Mikrobioms im Darm der Babys spielen und warum eine spätere Antibiotika-Gabe an die Mutter für eine bessere Darmflora beim Säugling sorgen kann.

In der neuen kanadischen Studie konnte zwar kein direkter Zusammenhang zwischen Darm-Mikrobiom und Kaiserschnitt nachgewiesen werden, was laut der Forschungsgruppe aber am Aufbau der Studie liegt. Zum einen waren von den 56 Säuglingen schlicht zu wenige per Kaiserschnitt auf die Welt gekommen, um signifikante statistische Zusammenhänge nachweisen zu können. Und zum anderen waren die Babys bereits vier bis sechs Monate alt, weshalb ihr Darm schon längst anderen Einflüssen als der Geburt selbst ausgesetzt war, allen voran der Ernährung.

Studienergebnisse sind nur ein erster Hinweis, weitere Forschung ist nötig

Die kanadische Forschungsgruppe weiß, dass ihre Ergebnisse noch keine allgemeingültige Aussagekraft besitzen. So schreiben die Autoren: "Aufgrund des Charakters der Studie warnen wir die Leser davor, die Ergebnisse überzuinterpretieren."

Dennoch seien viele interessante Zusammenhänge zwischen dem Mikrobiom und der Gehirnfunktion im frühen Säuglingsalter identifiziert worden, was aus Sicht der Wissenschaftler zeigt, dass weitere Forschung auf diesem Gebiet absolut sinnvoll ist.

(rr)

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 31. März 2021 | 15:52 Uhr