Das ehemalige Gefängnis des Ministerium für Staatssicherheit Stasi.
Dei Verfolgung durch die SED-Diktatur haftet Betroffenen bis heute an, so auch in der medizinischen Versorgung. Bildrechte: IMAGO / Jürgen Ritter

Wissen-News Ausgrenzung setzt sich fort: DDR-Opfer werden schlechter medizinisch versorgt

07. Juni 2024, 14:09 Uhr

Menschen, die unter der SED-Diktatur verfolgt wurden, werden auch heute in den neuen Bundesländern schlechter im medizinischen Kontext versorgt. Zu diesem Schluss kommt eine Studie aus Jena und Leipzig.

Eine Vorgeschichte von SED-Unrechtserfahrungen löst bei im Gesundheitssystem Tätigen eine stärkere Ablehnung aus als eine konfliktfreie DDR-Biografie. Das ergab eine Umfrage unter 750 Personen aus dem medizinischen Bereich, die von der Universität Leipzig durchgeführt wurde. Georg Schomerus, Psychiater an der Uniklinik der Messestadt, zeigte sich erstaunt: "Die Geschichten der Opfer von SED-Unrecht sind verstörend. Viele erfahren auch heute noch Ausgrenzung, oft bedingt durch die bürokratischen Strukturen, denen sie ausgesetzt sind."

Zersetzungsopfer und Zwangsgedopte werden auch heute noch stigmatisiert

In Jena, Magdeburg, Rostock und Leipzig untersuchten die Wissenschaftler die Einstellung von medizinischem Personal mit Hinblick auf Themen wie Stigma, Beratung, Begutachtung, psychische und körperliche sowie psychobiologische Folgen. Dabei wurde die Betreuung von Betroffenen der SED-Diktatur wie etwa Zwangsgedopten oder sogenannten Zersetzungsopfern untersucht. Unter Zersetzungsopfern werden Menschen verstanden, die aufgrund politischer Verfolgung psychiatrischen Verfahren unterzogen wurden, die in seelische und körperliche Misshandlung mündeten.

"Unsere Forschungsergebnisse belegen, dass die gesundheitlichen Langzeitfolgen von SED-Unrecht auch heute schweres Leid verursachen. Das betrifft nicht nur ehemals politisch Inhaftierte, die um Wiedergutmachung kämpfen, oft vergeblich und in sich jahrelang hinziehenden Verfahren. Auch Opfer von Schädigungen im Gesundheitswesen, zum Beispiel durch Hepatitisvirus-verseuchte Spritzen, leiden bis heute. Glücklicherweise gibt es inzwischen spezielle Beratungsangebote und Netzwerke, die den Opfern helfen, und zu deren Verbesserung und Weiterentwicklung wir als Forschungsverbund beitragen", sagt der emeritierte Wissenschaftler Jörg Frommer aus Magdeburg. Die Untersuchungen hätten gezeigt, dass DDR-Unrecht bei Betroffenen bis heute wirkt. Bis jetzt wirken die Stressfaktoren aus vergangenen Zeiten nach, das Trauma bleibe.

Links/Studien

SED-Gesundheitsfolgen auf der Homepage der Uni Jena


jar/pm

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Diagnose Unangepasst. Albtraum Tripperburg | 01. Juni 2024 | 22:00 Uhr

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