Bein mit Schürfwunde
Eine kleine Wunde kann der Beginn einer Blutvergiftung sein. Deswegen schadet es nie, auch kleine Verletzungen im Auge zu behalten. Bildrechte: imago/Manfred Segerer

Covid-19 und Sepsis Uniklinikum Dresden: Daten zeigen höhere Sterblichkeit bei Covid-Sepsis

21. März 2024, 13:27 Uhr

Sepsis, auch bekannt als Blutvergiftung, fungiert bei vielen nur in den Erzählungen der Großmütter. Dabei ist das Problem riesig. Weil Sepsis oft zu spät erkannt wird, endet sie in vielen Fällen tödlich. Noch höher ist das Risiko bei einer Corona- Infektion. Hier kann das immunsystem so heftig reagieren, dass es zu einem multiplen Organversagen kommt. Mit einer rechtzeitig Behandlung können Ärztinnen und Ärzte viel retten. Die Herausforderung: Sepsis früh erkennen.

  • PatientInnen mit einer Covid-Erkrankung haben ein höheres Risiko an einer Sepsis zu versterben als PatientInnen ohne Infektion.
  • Sepsis wird oft nicht rechtzeitig erkannt, unbehandelt ist Sepsis immer tödlich.
  • Behandlung in einer Reha-Einrichtung verbessert Lebensqualität und Regeneration.

Covid-Patientinnen und Patienten, die zusätzlich an einer Sepsis erkrankt sind, haben ein relativ hohes Risiko zu sterben. Laut einer Beobachtungsstudie des Uniklinikums Dresden haben Drittel der Covid-Patientinnen und Patienten eine Blutvergiftung nicht überlebt. Zum Vergleich: Bei einer nicht durch Covid ausgelösten Sepsis liegt die Sterblichkeit bei etwa 23 Prozent. "Die Betroffenen erlitten einen septischen Schock, überschießende Entzündungsreaktionen und schließlich ein Multi-Organversagen", erklärte Professorin Thea Koch, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie am Uniklinikum Dresden. "Therapien mit Lungenersatzverfahren oder künstlicher Beatmung haben hier kaum geholfen – sie unterstützten den Körper beim Kampf gegen das Virus und seine Symptome, ohne jedoch die Entzündung zu bekämpfen."

Therapien mit Lungenersatzverfahren oder künstlicher Beatmung haben hier kaum geholfen – sie unterstützten den Körper beim Kampf gegen das Virus und seine Symptome, ohne jedoch die Entzündung zu bekämpfen.

Thea Koch Direktorin der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie am Uniklinikum Dresden

 Professorin Thea Koch, Direktorin der Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie am Uniklinikum Dresden.
Professorin Thea Koch, ITS-Chefin am Uniklinikum Dresden hat während der Pandemie ziemlich viele todkranke Patienten auf ihrer Intensivstation betreut. Bildrechte: Uniklinikum Dresden/Christoph Reichelt

Für die Studie beobachtete das Uniklinikum 600 Patientinnen und Patienten. Davon waren 122 schwer an Covid mit begleitender Sepsis erkrankt. "Diese Zahlen belegen erneut, dass es richtig war, für die Impfung zu werben. Nur diese gewährt einen zuverlässigen Schutz vor einer schweren Infektion, die dann auch zu einer Sepsis führen kann", sagte Professor Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand am Uniklinikum in Dresden

Sepsis steht auf einem Dokument 5 min
Bildrechte: imago images/Shotshop

Heftige Immunreaktion führt zu massiven Schäden am Körper

Bei einer Sepsis wehrt sich das Immunsystem den Angaben zufolge so heftig gegen eine sich über die Blutbahn ausbreitende Infektion, dass es zu massiven Schäden am körpereigenen Gewebe kommt. Sie entsteht, wenn die körpereigenen Abwehrkräfte nicht mehr in der Lage sind, die Ausbreitung einer lokalen Infektion zu verhindern, und die Erreger in den Blutkreislauf eindringen. Der Körper reagiert mit einer Aktivierung der Abwehrsysteme, insbesondere des Immun- und Gerinnungssystems. Dadurch werden jedoch nicht nur die Erreger, sondern auch die körpereigenen Organe wie Lunge, Herz und Niere geschädigt. Es kommt zum Multi-Organversagen und zum septischen Schock.

Gängige Therapien sehen laut Uniklinikum Dresden die Gabe von Antibiotika vor. Eine stationäre Behandlung, mitunter auf der Intensivstation, ist in vielen Fällen notwendig. "Unbehandelt ist eine Sepsis immer tödlich. Allein in Deutschland erleiden jährlich 230.000 Menschen eine Sepsis – mit steigender Tendenz bei Schweregrad und Gesamtanzahl. 85.000 versterben daran – alle sechs Minuten stirbt in Deutschland ein Mensch an einer Sepsis", heißt es in einer Mitteilung des Uniklinikums.

Unbehandelt ist eine Sepsis immer tödlich. Allein in Deutschland erleiden jährlich 230.000 Menschen eine Sepsis – mit steigender Tendenz bei Schweregrad und Gesamtanzahl. 85.000 versterben daran – alle sechs Minuten stirbt in Deutschland ein Mensch an einer Sepsis.

Uniklinikum Dresden

Welche Rolle spielt die Sepsis bei Covid-19-Erkrankten?

Covid-19 Patienten sterben unter anderem, weil sie eine Sepsis erleiden. Neben Lungenentzündung und Atemnot wurde dies in der Pandemie oft als Sterbegrund angeführt. Der Vorsitzende der Deutschen Sepsis-Stifung Konrad Reinhardt erklärte damals, eine bessere Früherkennung und eine angepasste Behandlung könne den tödlichen Verlauf bei diesem Fällen verhindern. Der starke Bedarf an Intensivbetten und die hohe Sterblichkeitsrate von Covid-Patienten seien vor allem durch Blutvergiftungen bedingt.

Breite Unwissenheit über Sepsis – teilweise auch bei Ärztinnen und Ärzten

Reinhardt beklagte eine weitverbreitete Unwissenheit zum Thema in der Bevölkerung, aber auch beim medizinischen Personal. Ein großes Problem sei es, wenn Patienten eine unkomplizierte Covid-19-Erkrankung zu Hause auskurieren wollten und den Übergang der Krankheit in eine Blutvergiftung nicht bemerken würden. Wer Anzeichen wie plötzliches extremes Krankheitsgefühl, Fieber, hohen Puls, Verwirrtheit oder Schüttelfrost bemerke, "sollte auf keinen Fall abwarten und sofort ein Krankenhaus aufsuchen oder den Notarzt rufen", warnte der Experte.

Auch die Dresdner IST-Chefin Thea Koch kennt das Problem der fehlenden Sensibilisierung für Sepsis. "Oftmals ist es für Patientinnen und Patienten, aber auch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte nicht sofort ersichtlich, dass es sich um eine Sepsis handelt", erklärt sie. Symptome seien ein starkes Krankheitsgefühl, Schmerzen, feuchtkalte, bläulich-fleckige Haut, schneller Herzschlag, akute Verwirrtheit, Benommenheit, Wesensveränderung, Kurzatmigkeit oder Atemnot sowie ein niedriger Blutdruck. "Wir plädieren dafür und sensibilisieren, dass Ärztinnen und Ärzte, aber auch Betroffene das Krankheitsbild Sepsis schneller in Betracht ziehen und auf die Symptome achten. Gerade jüngere Menschen unterschätzen die Symptome mitunter und glauben, dies geht schnell vorbei. Ein Irrglaube mit mitunter schweren Folgen“, warnte IST-Chefin Koch.

Sepsis-Erkrankte regenerieren besser in der Reha

Koch verweist auf eine rechtzeitige Behandlung der Sepsis. "Je früher die Therapie bei einer Sepsis beginnt, desto besser sind die Aussichten für die Betroffenen", erklärt sie. Die Ärztin plädiert zudem für einen Aufenthalt in einer Rehaklinik. "Wer nach dem Aufenthalt auf der ITS in eine Rehaeinrichtung wechselte, erlebte eine bessere Regeneration, hatte bessere kognitive Fähigkeiten und eine höhere Lebensqualität“, erklärte sie.

Seit fünf Jahren arbeitet das "Comprehensive Sepsis Center" des Uniklinikums Dresden mit der Rehaklinik in Kreischa zusammen. Ziel sei gewesen, die Überlebensrate zu erhöhen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern, erklärte Vorstand Albrecht. Zudem würden erhobene Daten helfen, Risikofaktoren zu identifizieren und Abläufe zu verbessern. "Nach fünf Jahren können wir stolz sagen, dass sich auch diese Zusammenarbeit auszahlt. Der Austausch zwischen Intensivmedizin, Reha-Einrichtung und hausärztlicher Versorgung sowie die daraus gewonnenen Erkenntnisse fließen in unsere Therapieentscheidungen ein", sagte Albrecht. "Wichtig ist, dass der Verdachtsdiagnose Sepsis nachgegangen wird, beziehungsweise diese bei der Diagnose in Betracht kommt."

Michael Albrecht
Professor Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand am Uniklinikum Dresden setzt auf die Verzahnung von ITS und Reha. Bildrechte: imago/Sven Ellger

Verzahnung zwischen Krankenhaus und Reha

In den vergangenen fünf Jahren habe das Sepsis-Zentrum die Behandlung von Patientinnen und -Patienten verzahnt und abgestimmt, erklärte Rudolf Presl, Geschäftsführer der Klinik Bavaria Kreischa. Wer eine schwere Krankheit überstehe, müsse oftmals lange in einer Rehaklinik den Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben lernen. "Bei uns stehen - fach- und leistungssektorenübergreifend - der Sepsis-Betroffene und seine Angehörigen im Mittelpunkt", erklärte Presl. "Mit diesem Vorgehen steigen die Chancen, dass mehr Betroffene eine Sepsis überleben und ihr Weg zurück in das aktive Leben erfolgreich verläuft", ergänzt Ulf Bodechtel, Chefarzt in der Klinik in Kreischa. Die Arbeit des Zentrums werde weiter wissenschaftlich begleitet entwickelt. Bislang würden die Rehaklinik und das Uniklinikum Dresden als Initiatoren selbst die Kosten tragen. Angestrebt sei jedoch die Aufnahme der kooperativen Behandlung in den Krankenhausplan.

Links/Studien

Auf dem Dresdner Sepsis Symposium am 22. März 2024 werden die aktuellen Ergebnisse vorgestellt und mit Fachexpertinnen und -experten diskutiert.

(smc/tomi)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 22. Februar 0024 | 13:06 Uhr

10 Kommentare

MDR-Team vor 5 Wochen

Hallo Dermbacher,

keine Impfung kann zu 100% vor einer Infektion schützen. Vielmehr zielt sie darauf ab, das Risiko einer schweren Erkrankung und von Komplikationen zu verringern, wenn eine Infektion auftritt. Impfungen trainieren das Immunsystem, damit es besser auf das Virus reagieren kann, was dazu beiträgt, die Schwere der Krankheit zu reduzieren und die Wahrscheinlichkeit von Krankenhausaufenthalten und Todesfällen zu verringern. Es ist dennoch möglich, dass geimpfte Personen infiziert werden können, aber in der Regel verlaufen die Krankheitsverläufe bei ihnen milder.

- Das MDR WISSEN Team

MDR-Team vor 5 Wochen

Hallo kleinerfrontkaempfer,

es ist verständlich, dass Fragen und Unsicherheiten bestehen, insbesondere in Bezug auf komplexe Themen wie die Beziehung zwischen Sepsis, COVID-19 und Impfungen. Die medizinische Forschung ist ein fortlaufender Prozess, und es werden ständig neue Erkenntnisse gewonnen. Die wir hier auf dieser Seite natürlich auch abbilden wollen.

- Das MDR WISSEN Team

MDR-Team vor 5 Wochen

Hallo Uborner,

es ist verständlich, dass wissenschaftliche Themen komplexe Diskussionen erfordern und nicht immer leicht zu kommentieren sind, besonders für Nicht-Mediziner*innen. Dennoch ist es wichtig, dass Informationen über Gesundheit und medizinische Forschung öffentlich zugänglich sind und dass Menschen sich bewusst sind, wie Krankheiten wie unsere Gesellschaft betreffen können.

Während Kommentare von Expert*innen sicherlich wertvoll sind, können auch persönliche Erfahrungen, Perspektiven und Fragen einen Beitrag zu einer informierten Diskussion leisten. Und wir freuen uns immer über einen konstruktiven Austausch (im Sinne unserer Netiquette) im Kommentarbereich.

- Das MDR WISSEN Team