Wie Fledermäuse Sehen mit den Ohren: Echo-Ortung kann jeder lernen

03. Juni 2021, 12:58 Uhr

Echo-Ortung, sich mit Schallwellen und deren Reflexionen orientieren: Für viele Blinde ist das mittlerweile eine Fähigkeit, die den Alltag erleichtert. Dabei kann jeder Echo-Ortung erlernen, auch sehende Menschen. Das haben britische Wissenschaftler jetzt mit einem Trainingsprogramm nachgewiesen.

Ein Mann läuft mit einem Blindenstock eine treppe hinunter.
Echo-Ortung bedeutet nicht, dass Blinde etwa auf ihren Stock verzichten können. Aber es erweitert ihre Fähigkeiten, die Umwelt wahrzunehmen, enorm. Bildrechte: IMAGO / Shotshop

"Jedes Möbelstück, jeder Zaun, jedes Auto, jede Person – auch wenn sie nichts sagt – wirft einen akustischen Schatten." So beschreibt Ann-Kathrin Modest aus Dresden die Echo-Ortung. Die 28-Jährige ist von Geburt an blind. Mit etwa acht Jahren hat sie begonnen, sich per Echo-Ortung zurechtzufinden. Dabei schnalzt sie mit der Zunge, lauscht und weiß dann anhand des Echos, welche Hindernisse auf ihrem Weg liegen.

Die Technik, die in der Natur Fledermäuse oder Delfine nutzen, gibt blinden Menschen oft ein ganz neues Gefühl von Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Auch in Deutschland wird sie – hier meist Klicksonar genannt – unterrichtet. Dass Echo-Ortung funktioniert, beweisen nicht nur die zahlreichen blinden Menschen, die sie anwenden und damit Mountainbike fahren oder Berge besteigen. Auch die Forschung bestätigt die positiven Effekte. Eine Studie unter der Leitung von Dr. Lore Thaler von der Durham University, Großbritannien, fand jetzt heraus: Jeder kann die Technik lernen – auch Sehende.

Trainingsprogramm für Blinde und Sehende

Thaler und ihr Team unterrichteten in einem zehnwöchigen Trainingsprogramm blinde und sehende Teilnehmer zwischen 21 und 79 Jahren. Danach zeigte sich, dass jeder in der Lage ist, Klicksonar zu erlernen. Es gab keine Einschränkungen etwa beim Alter oder dem Grad der Erblindung. Überraschenderweise schnitten sehende Menschen teilweise sogar besser ab als Blinde, heißt es in der Mitteilung der Universität. Alle blinden Teilnehmer berichteten im Anschluss über eine Verbesserung ihrer Mobilität. 83 Prozent gaben an, dass sie sich durch die Echoortung unabhängiger und besser fühlen.

Ich kann mich an keine andere Arbeit mit blinden Teilnehmern erinnern, die so enthusiastisches Feedback gebracht hat.

Dr. Lore Thaler, Department of Psychology, Durham University

Thaler schlägt in Auswertung der Daten vor, "Menschen, die noch ein gutes funktionelles Sehvermögen haben, aber aufgrund fortschreitender degenerativer Augenerkrankungen im späteren Leben voraussichtlich das Sehvermögen verlieren werden, Informationen und Schulungen zur klickbasierten Echoortung anzubieten".

Link zur Studie

Die Studie "Human click-based echolocation: Effects of blindness and age, and real-life implications in a 10-week training program" ist in PLOS ONE erschienen.

gp

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Ein Elefant in freier Wildbahn – das Bild ist leicht unscharf, im Bereich seines Kopfes ein großer grauer, etwas strahlenförmiger Fleck.
Die hier simulierte Makula-Degeneration ist eine der häufigsten Sehbehinderungen im fortgeschrittenen Alter. Nervenzellen im Bereich des schärfsten Sehens werden Zerstört. (Quelle: absv.de) Bildrechte: imago/Design Pics/MDR (M)