Wintersport Ist Eisbaden gesund oder gefährlich?

12. Februar 2021, 13:38 Uhr

Bei eisigen Temperaturen ins Freibad steigen oder einen See – wer macht sowas und warum? Welche Folgen und Nebenwirkungen hat das? Und was weiß die Forschung bisher darüber?

Ob Eiseskälte, Wind oder manchmal auch Schneetreiben – Menschen, die sich dem winterlichen Eisschwimmen verschrieben haben, stört das nicht. Es gibt welche, die setzen sich ruhig ins Wasser und zählen die Minuten. Andere ziehen genüsslich minutenlang Bahnen oder Kreise. Manche tun es in Vereinen, andere in losen Gruppen oder zu zweit. Manche sogar mehrmals wöchentlich. Sogar Welt- und Landesmeisterschaften gibt es, oder Kurse, die man im Urlaub buchen kann. Faszinierend oder gruselig – je nachdem, aus welchem Blickwinkel man die Leute betrachtet, während man selbst in Winterjacke unter der dicken Mütze im eisigen Wind bibbert.

Da wird sich in aller Seelenruhe aus der Wintermontur geschält. Hosen, Pullover, Unterwäsche werden ordentlich gestapelt, Handtücher ausgebreitet, Mützen zurechtgeruckelt, bevor Schritt für Schritt zügig ins Wasser gewatet wird. Und man steht draußen und ist fassungslos. Warum tun die das?! Wer tut sowas? Und wie geht das überhaupt? Um es vorweg zu nehmen: Das Warum wissen allein die Frauen und Männer, die da scheinbar ungerührt ins Eiswasser spazieren.

In Finnland, Polen, Russland, Norwegen, Schweden, Dänemark, Estland, Lettland, Litauen oder Tschechien gehören Eisschwimmen oder Eisbaden zum Winter wie bei uns das Rodeln. Entsprechend haben hier auch wissenschaftliche Forschungsarbeiten dies und jenes dazu unter die Lupe genommen: Was passiert im Immunsystem, im Hormonhaushalt, was passiert bei Kälte im Körper, was psychisch?

Eisschwimmen: Gesund oder krank?

Ein internationales Forschungsteam hat eine ganze Reihe von Veröffentlichungen zum winterlichen Wasservergnügen durchgeackert und kommt zu dem Schluss:

Regelmäßiges Schwimmtraining in kaltem Wasser scheint sich positiv auf verschiedene Systeme wie das Herz-Kreislauf-System, das Hormon- und das Immunsystem sowie die Psyche auszuwirken.

Studie: Kaltwasserschwimmen - Vorteile und Risiken

Eiskaltes Wasser - riskante Badefreuden

Für nicht vorbereitete und untrainierte Schwimmer birgt das winterliche Eisschwimmen hohe gesundheitliche Risiken, schreiben die Forscher weiter. Dass das eisige Vergnügen manchmal tödlich endet, zeigen zwei aktuelle Fälle aus diesem Winter, einer in Warnemünde und einer in Berlin: Ein 70-jähringer, der mit seinem Eisbadeverein in der Ostsee schwimmen ging, und ein 43-jähriger, der mit Freunden im Eisloch eines Teiches badete und unter der Eisschicht verschwand – beide starben. Meldungen, die in entsprechenden Internetforen mit Bestürzung aufgenommen werden, begleitet von der Bitte an die Eisschwimmer-Community, vorsichtig zu sein. Und auch die internationale Überblicksstudie, um die es in diesem Artikel geht, listet zwei Todesfälle auf: allerdings bei zwei Eisschwimmwettkampf-Teilnehmern, bei denen einer beim Schwimmen und einer danach starb.

Wie reagiert der Körper auf den Kälteschock?

Egal, ob jemand nun im Winter in einen eisigen See, Fluss, oder ein Meer oder die hauseigene Kältetonne steigt, die Gefahr liegt auf der Hand: Wie reagiert der Körper auf die Extrembelastung? Den Studien zufolge gilt der Kälteschock, in dessen Folge Eisschwimmer beispielsweise ertrinken, als häufigste Todesursache bei diesem Extremsport. Reagiert der Körper im Wasser mit unkontrollierbarer, langanhaltender schwerer Keuch-Atmung, fehlt dem Körper dadurch dann Kraft fürs effiziente Schwimmen und die Atemmuskulatur ermüdet. Auch kann die plötzliche Kälte zu Herzrhythmusstörungen oder gar zum Herzstillstand führen, vor allem bei Menschen, bei denen Herzprobleme bis dahin gar nicht diagnostiziert waren. Deshalb rät auch Dr. Ulrike Rudolph, Kardiologie-Oberärztin am Uniklinikum Leipzig im Gespräch mit MDR AKTUELL, beim Arzt vorher das Herz durchchecken zu lassen, über ein EKG oder einen Herz-Ultraschall. Untertauchen sollte man keinesfalls, warnt die Herzspezialistin und schon gar keinen Kopfsprung machen. Zu groß sind die Gefahren für das Herz.

Eisschwimmen – nur mit Vorbereitung

Wer Eisschwimmen gehen will, braucht unbedingt ein gesundes Herz: Darauf weisen auch Anbieter entsprechender Kurse hin. Die internationale Studie, die etliche Forschungsarbeiten zum Eisschwimmen unter die Lupe genommen hat, rät am Schluss: Wer Eisschwimmen gehen will – ab fünf Grad Wassertemperatur wird in der Wissenschaft von Eisschwimmen gesprochen – sollte das nur nach entsprechender Vorbereitung tun. Dazu zählen die Forscher schrittweise Gewöhnung und Steigerung des kalten Vergnügens, und zwar alles am besten unter professioneller Anleitung. Nur dann könnten sich die positiven Effekte des Eisschwimmens entfalten, die auch in einzelnen Untersuchungen beobachtet wurden.

Eisbaden: Nur gefühlte positive Nebenwirkungen?

Wer mit Eisschwimmern nach ihrem Eisbad spricht, erlebt oft glückliche Menschen. Die Augen strahlen – so ausgelutscht das sprachliche Bild auch ist. Da wird stundenlang mit Begeisterung über die kurzen oder langen Momente im Wasser berichtet. Die Schilderungen erinnern an Begegnungen mit Skifahrern, die ausschweifend über jeden Huckel, jede Kurve, jeden Windhauch auf der Piste Auskunft geben. Oder an Langstreckenläufer nach einem Marathon: Ausdauernde Vorträge über Mitlaufende, hupende Autos, Schweißperlen auf der Stirn, oder wer wann wen wo überholen wollte. Überall Glücksgefühle, die komplette Fokussierung auf den eigenen Körper, Stolz, Begeisterung. Wissenschaftlich erforscht sind Motive und psychische Auswirkungen fürs Eisschwimmen allerdings noch nicht.

Tschüss, Schnupfen?

In Studien belegt wurde dagegen das Ausbleiben von Atemwegserkrankungen, verringerte Arztbesuchen wegen Erkältungen im Vergleich mit Nicht-Winterschwimmern. Eine Studie zeigte anhand von Blutuntersuchungen vor und nach einer 150 Meter Schwimmstrecke im sechs Grad kalten Wasser, dass sich die Zahl der Leukozyten signifikant erhöhte und anschließend wieder sank. Ob das nun tatsächlich zum Schutz vor Entzündungen und Atemwegsinfektionen beiträgt, wie die Studie vermutet? Erforscht ist es nicht. Oder ist der Leukozyten-An- und Abstieg einfach nur eine Stressreaktion? Auch im Bereich der körperlichen Reaktionen hat die Forschung noch längst nicht alles ausgeleuchtet und gemessen, wenn es ums Eisschwimmen geht. Das Phänomen und die Faszination des Eisschwimmens ist ein Randphänomen – in den Gewässern genauso wie in der Forschung.

0 Kommentare