Künstlerische Darstellung einer Rakete wie sie durch eine Wolkendecke hindurch in den Weltraum fliegt.
Künstlerische Darstellung der RFA One auf ihrem Weg ins Weltall. Bildrechte: RFA

Raumfahrt made in Germany Die Rocket Factory Augsburg will Raketen wie Autos bauen

04. Oktober 2023, 11:24 Uhr

Einen eigenen Zugang zum Weltraum zu haben, könnte in Europa und speziell in Deutschland durch Kleinraketen möglich werden. Eine dieser sogenannten Microlauncher ist die Rocket Factory Augsburg. Im Gespräch mit MDR WISSEN erläutert der Kundenvorstand Jörn Spurmann, warum die Autoindustrie ein Vorbild ist.

Porträtfoto von Patrick Klapetz
Bildrechte: privat

Der Markt für Kleinsatelliten – sogenannte Cubesats – wächst. Diese teilweise nur schuhkartongroßen Satelliten können als Kommunikations- und Internetsatelliten dienen, wie beim Netzwerk Starlink von Techmilliardär Elon Musk. CubeSats können aber auch die Erde aus dem Weltraum beobachten, beispielsweise um Waldbrände frühzeitig zu lokalisieren oder Infrarotdaten zur Pflanzenfeuchte für die perfekte Bewässerung von Ackerflächen zu liefern.

Die Kleinsatelliten mit großen Raketen in eine erdnahe Umlaufbahn zu bringen, ist teuer. Hier haben kostengünstigere Raketenbauer wie die Rocket Factory Augsburg (RFA) eine Marktlücke für sich entdeckt. Ihre Kleinrakete, die RFA One, ist etwa 30 Meter hoch und kann bis zu 1.300 Kilogramm in einen Orbit transportieren.

Jörn Spurmann, einer der Geschäftsführer von RFA
Jörn Spurmann, einer der Geschäftsführer von RFA Bildrechte: RFA

Der Frachtraum misst zwei Meter im Durchmesser und vier Meter in der Höhe. "Das definiert jetzt den Kofferraum", sagt Jörn Spurmann im Gespräch mit MDR WISSEN. Er ist der CCO der RFA (Chief Customer Officer, also der Hauptverantwortliche für den Kontakt mit den Kunden des Unternehmens). Die Rakete könnte sowohl hundert CubeSats mit je 13 Kilogramm Gewicht oder einen 1,3 Tonnen schweren Satelliten ins Weltall bringen.

Mitte 2024 will das Start-up einen ersten Demonstrationsflug wagen und dabei bereits Satelliten an Bord nehmen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR übernimmt die Kosten für die Herstellung der Satelliten. Dabei wissen diese Kunden durchaus, dass bei einem Erstflug einiges schiefgehen kann und die Satelliten zerstört werden können. "Von daher sind wir natürlich ganz furchtbar stolz über den Vertrauensvorschuss", sagt Spurmann.

Der andere Ansatz: Ein Raketenbauer, der wie ein Software-Unternehmen denkt

Für den Bau seiner Rakete wählt die RFA einen anderen Ansatz als beispielsweise die europäische Raumfahrtbehörde ESA mit ihrer Ariane-6-Rakete. Die Ariane 6 ist fertig entwickelt und wartet derzeit auf ihren Erstflug. Auch die nächsten Modelle dieser Rakete werden genau nach den jetzigen Vorgaben gebaut.

Bei der RFA hat man sich ein Prinzip aus der Software-Entwicklung zu Nutze gemacht, das sogenannte 'minimum viable Product': "Wir bauen ein Produkt, das starten wir und es wird von Start zu Start Verbesserungen und leichte Änderungen geben, sodass die Herstellung immer besser werden kann."

Die Zweitstufe der RFA One
Die Zweitstufe der RFA One misst zwei Meter im Durchmesser. Bildrechte: RFA

Zur Kostensenkung hat sich die RFA bei der Autoindustrie inspirieren lassen. Laut ihrem Slogan "We build rockets just like cars" will sie Raketen genauso bauen, wie es Autohersteller tun. Das bedeutet beispielsweise, dass die Rakete aus verfügbaren Komponenten zusammengesetzt wird. Das senkt die Entwicklungskosten für die RFA One: "Über diesen Ansatz können wir einen Service anbieten, der günstiger ist als die Konkurrenz."

Wie hebt sich die RFA One auf dem Raketenmarkt ab?

Doch was macht die RFA One so besonders? Zunächst handelt es sich um eine dreistufige Rakete, womit sich das Unternehmen von seiner deutschen Konkurrenz Isar Aerospace aus München und ihrem zweistufigen Spectrum-Microlauncher abhebt. (Auch diese Kleinrakete hat den Jungfernflug noch vor sich).

Künstlerische Darstellung der RFA One
In dieser grafischen Darstellung hat sich die erste Raketenstufe der RFA One von der Zweitstufe getrennt. Bildrechte: RFA

Der Einstiegspreis für die RFA One liegt bei drei Millionen Euro. Wie beim Autokauf können auch hier Zusatzausstattungen gebucht werden: "Du kannst die Basisversion des VW-Golfs kaufen oder ihn mit Klimaanlage, einem tollen Entertainment-System und Ledersitzen ausstatten. Beispiele kennt jeder. Dann kostet es eben mehr", erklärt der CCO Spurmann. "Genauso ist es bei uns auch. Wenn die ESA zu uns kommt und sagt, sie möchte noch 7.000 Seiten Dokumentation dazu, dann kostet das natürlich Geld."

Mit der Orbital-Stufe, die wir auf der Trägerrakete haben, können wir auch Schrott aus dem Weltraum beseitigen.

Jörn Spurmann, Kundenvorstand (CCO) der RFA

Der Microlauncher bringt seine Fracht zunächst in einen erdnahen Orbit. Von dort aus kann die dritte, die Orbital-Stufe der Rakete den Satelliten bei Bedarf in eine andere Umlaufbahn transportieren. Außerdem besteht die Möglichkeit, an andere Objekte anzudocken. Die dritte Stufe kann auch Fracht wieder in die Atmosphäre zurückbringen. Eine solche Vielzahl an Möglichkeiten sei für Microlauncher außergewöhnlich, sagt Spurmann.

Künstlerische Darstellung der RFA One
In diesem künstlischen Weltraumbild trennt sich die Zweitstufe und die Orbital-Stufe (Drittstufe) wird ins Weltall ausgesetzt. Bildrechte: RFA

"Unsere Zukunftsvision ist, – das mag jetzt total verrückt klingen – dass man nach oben fliegt, einen Satelliten aussendet, weiterfliegt und einen einsammelt und den dann wieder mit runternimmt. Mit der Orbital-Stufe, die wir auf der Trägerrakete haben, können wir auch Schrott aus dem Weltraum beseitigen", sagt Spurmann.

Derzeit befinden sich schätzungsweise 29.000 Trümmerteile im All, die größer als zehn Zentimeter sind. Es gibt außerdem 170 Millionen Tonnen Weltraummüll von der Größe eines Millimeters bis zu einem Zentimeter im All. Die Beseitigung davon könnte ein weiteres Geschäftsfeld sein, an dem sich die Rocket Factory Augsburg beteiligen könnte, wenn die Rakete in Serienproduktion geht.

Ist die RFA One auch wiederverwendbar?

SpaceX hat mit seinen Falcon-Raketen vorgemacht, dass Recycling auch in der Raumfahrt möglich und sinnvoll ist. Wird auch die RFA One wiederverwendbar sein? Derzeit noch nicht, denn laut Spurmann lohnt sich das wirtschaftlich nicht bei zwei bis drei Starts pro Jahr. "Wenn wir 50 Mal fliegen wollen, dann wollen wir das natürlich unbedingt haben." Dann sieht das Unternehmen die Landung der ersten beiden Raketenstufen mittels Fallschirm vor. Die Bergung könnte dann im Meer erfolgen.

Nach einem erfolgreichen Erststart hofft Spurmann, dass die RFA-One mindestens einmal im Monat fliegt. Innerhalb der ersten zwei bis drei Jahre sollen im Idealfall monatlich fixe Termine angeboten werden – wobei hier natürlich auch die Wetterbedingungen eine Rolle spielen. Irgendwann will das Start-up dann wöchentlich mit seiner Kleinrakete abheben.

Triebwerkstest der RFA One
Triebwerkstest der RFA One: Das Helix-Triebwerk funktioniert schon mal. Bildrechte: RFA

Ist es soweit, wird Wiederverwendbarkeit zentral: "Wir haben das von Anfang an als Konzept in den Träger eingebaut und explizit darauf geachtet, dass die Komponenten im Triebwerk einzeln austauschbar sind. Man muss nicht das ganze Triebwerk ersetzen, sondern ich kann, wie mit dem Auto in die Garage fahren, da wird dann halt der Zahnriemen gewechselt und das war’s." Dadurch können einzelne Komponenten wie Ventile, die Brennkammer oder ein Teil der Treibstoff-Pumpe einfach ausgewechselt werden, ohne das komplette Triebwerk ersetzen zu müssen.

Mit der RFA One soll auch der CO2-Ausstoß verringert werden. "Viele Triebwerke arbeiten mit Zyklen, bei denen du die Turbopumpe mit einem Gas antreibst, das einfach über Bord gestoßen wird und bei denen wirklich Schadstoffe in die Atmosphäre abgegeben werden", sagt der Ingenieur. Bei der RFA-One sollen die Abgase im Triebwerk komplett verbrannt werden. Wenn der Jungfernflug gelingt, könnten die Augsburger einen vergleichsweise günstigen und umweltfreundlichen Weg ins All anbieten.

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