Eine Rakete hebt ab.
China schickt mit seiner "Langer Marsch"-Rakete drei weitere Raumfahrende ins All. (Archivbild) Bildrechte: IMAGO / China Foto Press

Raumfahrt Chinas Wettlauf zu den Sternen: Erster Zivilist fliegt ins All

06. Juni 2023, 13:56 Uhr

Das Raumfahrtprogramm Chinas ist im Vergleich zu den anderen bestehenden Programmen zwar sehr jung, aber das Land der Mitte ist bereits jetzt zu einer starken Raumfahrtnation herangewachsen und macht den USA in manchen Bereichen richtig Konkurrenz. Nun hat die chinesische Raumfahrtbehörde CNSA zum ersten Mal einen Zivilisten zu ihrer Raumstation Tiangong geschickt.

Sie sind mit robotischen Missionen bereits auf dem Mond und Mars gelandet, sie bauen riesige Radioteleskope, wollen den Mond besiedeln, testen ein neues Spaceshuttle, können Menschen mit ihren eigenen Raketen und Raumkapseln ins Weltall bringen. Klingt nach dem Raumfahrtprogramm der USA? Weit gefehlt. Es sind die chinesischen Missionen und Ambitionen. 

Außerdem hat das Reich der Mitte seine eigene Raumstation, die Tiangong (chin. Himmelspalast), die seit 30. Mai 2023 auch den ersten chinesischen Zivilisten als Besatzungsmitglied beherbergt. Bisher war es nur chinesischen Militärs gestattet, in den Weltraum aufzubrechen. Mit Gui Haichao von der Universität für Luft- und Raumfahrt Peking ist nun zum ersten Mal in der chinesischen Geschichte ein Wissenschaftler ohne Militär-Background ins All geflogen. Er soll Experimente an Bord der Raumstation durchführen. 

Gemeinsam mit zwei Militärs – dem erfahrenden Raumfahrer Jing Haipeng und dem Ingenieur und Raumfahrtneuling Zhu Yangzhu – lösen sie die aktuelle Besatzung auf der Tiangong-Raumstation ab. Mittlerweile ist es die fünfte astronautische Mission zur Raumstation – von insgesamt elf bemannten Missionen. Wobei chinesische Raumfahrende nicht Astronauten genannt werden. Im Westen hat sich der Begriff Taikonaut für Raumfahrende aus China etabliert, wobei dieser falsch ist. Im eigenen Land werden sie Helden der Raumfahrt Yuhang yuan (chinesische Raumfahrtmitglied) genannt. 

Die Mission soll fünf Monate andauern, bevor es einen weiteren Besatzungswechsel geben wird. Gui ist übrigens der Astronaut, der in die Kamera winkt und nicht wie seine Kollegen salutiert. 

Der chinesische Außenposten in der Erdumlaufbahn

Erst vor 20 Jahren ist es China gelungen, als drittes Land der Welt mit eigenen Mitteln Menschen ins Weltall zu befördern. Vor 2003 war dies nur den USA und Russland gelungen. Seit dem 5. Juni 2022 befindet sich auch die Tiangong-Raumstation mit einer dauerhaften Besatzung in einem erdnahen Orbit von 340 bis 420 Kilometern – die Internationale Raumstation ISS fliegt durchschnittlich in einer Höhe von 407 Kilometern über dem Meeresspiegel hinweg.

Damit sind Tiangong und die ISS die einzigen derzeit genutzten Raumstationen im All. Bereits zwischen 2011 und 2018 operierte die chinesische Raumstation Tiangong 1 im All. Dass sich die Volksrepublik nicht einfach wie Russland, Europa, Kanada, den USA und Japan an der ISS beteiligt, geht auf die amerikanische Mission zurück. Sie will in der Raumfahrt nicht mit China zusammenarbeiten. 

In einem Bericht des Pentagons von 2022 befürchten die US-Beamten, dass die amerikanischen Fähigkeiten im Weltraum bis zum Jahr 2045 von China übertrumpft werden könnten. Damit würde China "wirtschaftlich, diplomatisch und militärisch" die dominierende Weltraummacht werden, heißt es in dem Bericht "State of the Space Industrial Base for 2022“.

Geheime Spaceshuttle-Programme sowohl in den USA als auch in China

Die chinesischen Ambitionen in der Raumfahrt und der Erkundung des Universums sind tatsächlich groß. Das zeigte auch der Prototyp eines am 8. Mai 2023 gelandeten wiederverwendbaren experimentellen Raumschiffs, das zuvor 276 Tage im All verbracht hatte. Was es genau dort gemacht hat, ist weiterhin geheim. Vermutlich hat es einen Satelliten ein- und ausgeladen. 

Raumgleiter X-37 von Boeing
Raumgleiter X-37 von Boeing und der Nasa. Bildrechte: Boeing

Ein ähnliches Konzept für ein neues Space Shuttle wird in den USA mit dem geheimen Flugzeug X‑37B getestet. Dieses konnte zuletzt 900 Tage im Orbit verbringen. Die USA investieren zwar fast dreimal so viel in die Erforschung des Alls und in ihre Raumfahrtprojekte, doch die Volksrepublik ist schon lange kein kleiner Fisch mehr im Raumfahrtgeschäft und könnte bald auf der Überholspur sein.  

Das neue Space-Race: Der Wettlauf zu den Sternen zwischen Ost und West

Der Nasa-Administrator Bill Nelson nimmt die Konkurrenz aus dem Osten sogar sehr ernst: "Es ist eine Tatsache, dass wir uns in einem Wettlauf um den Weltraum befinden. Und es ist wahr, dass wir besser aufpassen sollten, dass sie [China] nicht unter dem Deckmantel der wissenschaftlichen Forschung auf den Mond gelangen. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie sagen: ‚Bleibt draußen, wir sind hier, das ist unser Territorium’."

Der Mond ist das große Ziel vieler Raumfahrtbehörden und -nationen. Denn unser Trabant ist das Sprungbrett zu anderen Welten wie beispielsweise dem Mars. Alles, was die Menschheit zum Leben auf dem roten Planeten braucht – sind es Häuser, die Aufbereitung von Ressourcen wie Wasser, der Nahrungsmittelanbau, der Schutz vor der gefährlichen und krebserzeugenden Weltraumstrahlung oder Forschung- und Erkundungsmissionen auf einem fremden Himmelskörper: Der Mond ist das Erkundungsfeld für die Kolonisierung des Weltalls. 

Der Esa-Astronaut Matthias Maurer im Interview über den Mond. 3 min
Der Esa-Astronaut Matthias Maurer im Interview über den Mond. Bildrechte: MDR, ESA, NASA
3 min

Ein Jahr auf dem Mond? Für manche unvorstellbar – für andere ein Traum. Der deutsche Esa-Astronaut Matthias Maurer hat MDR WISSEN verraten, warum er einer einjährigen Mondmission zustimmen würde.

Fr 05.08.2022 14:22Uhr 03:26 min

https://www.mdr.de/wissen/medizin-gesundheit/video-matthias-maurer-interview-ueber-den-mond100.html

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Falls bei einer Mission etwas schieflaufen sollte und die Besatzung dringend Hilfe von der Erde braucht, ist der Mond nur einen 3- bis 5-Tagestrip von uns entfernt – zum Mars brauchen wir mit heutiger Antriebstechnologie Monate. Deswegen planen die US-Amerikaner gemeinsam mit ihren internationalen Partnern, wie beispielsweise der europäischen Raumfahrtbehörde Esa, astronautische Missionen zum Mond – um nach und nach auch eine Bodenstation mit dauerhafter Besatzung auf dem Erdtrabanten zu errichten. Doch die westlichen Artemis-Pläne bekommen Konkurrenz aus dem Land der Morgenröte. 

Chinas ambitionierte Mondpläne

Die Nasa wird erst mit Artemis IV eine Raumstation im Mondorbit errichten. Das Lunar Gateway wird somit nicht vor September 2028 bezugsfertig sein. Bis zur eigenen Bodenstation wird es also noch länger dauern. Doch die Chinesen wollen den Aufbau ihrer Mondbasis bereits 2028 beginnen. Die Mondbasis ILRS, die Internationale Mondforschungsstation (International Lunar Research Station), soll nuklearbetrieben sein und in Zukunft auch Raumfahrende empfangen.

Ursprünglich sollte es sich um rein robotische Missionen handeln, die eventuell auch mal einen Raumfahrenden mit zum Mond nehmen. Doch am 21. November 2022 verkündete Wu Weiran im chinesischen Fernsehsender CCTV: "Wir hoffen, dass unsere Astronauten in zehn Jahren auf den Mond fliegen können." Wu ist der Chefdesigner des chinesischen Monderkundungsprogramms. Vermutlich will die Regierung in China damit nicht nur die technische Möglichkeit der Errichtung einer Mondbasis demonstrieren, sondern seine (zumindest zeitweise) Überlegenheit im neuen Rennen um die Vormachtstellung im Weltall. 

Zwar können der Mond und andere Himmelskörper nicht einfach von einem Land erobert werden – denn dies ist nach dem international anerkannten Weltraumvertrag untersagt. Jedoch kann die Nation, die eine Station errichtet, in diesem Gebiet auch einfacher die Ressourcen fördern. Besonders in der Südpolregion, wo die chinesische Basis entstehen soll, vermuten internationale Forschungsteam Unmengen von Wasser. 

Dieses befindet sich zum Teil in gefrorenem Zustand, kann aber auch im Mondregolith (der Staub und Sand auf dem Mond) gebunden sein. Eine chinesische Forschungsgruppe konnte vor Kurzem erst nachweisen, dass Wasser in Glasperlen auf dem Mond zu finden ist.

Ab den 2030er-Jahren können somit die ersten Chinesen auf dem Mond landen und dort auch langfristig in ihrer Internationalen Mondforschungsstation leben und forschen. So die bisherigen Pläne. 

Visualisierung von SOFIA-Daten überlagert mit einer Visualisierung des Mondes
Visualisierung von SOFIA-Daten überlagert mit einer Visualisierung des Mondes Bildrechte: NASA's Goddard Space Flight Center Scientific Visualization Studio/Ernie Wright

Vor dem Start der Shenzou-16-Mission am Montag (Ortszeit) verkündigte Lin Xiqiang, dass China noch vor 2030 die erste bemannte Mission zum Mond schicken will. Lin ist der stellvertretende Direktor der chinesischen Raumfahrtbehörde CNSA. Laut ihm bereite sich China auf einen "kurzen Aufenthalt auf der Mondoberfläche und eine gemeinsame Erkundung durch Menschen und Roboter" vor. Ohne genauere Angaben zu den Plänen zu machen, erklärte Li, dass zwei bemannten Missionen pro Jahr "ausreichend für die Verwirklichung" der chinesischen Ziele sei. 

Bisher war eine Kooperation mit der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos angedacht. Doch seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine wurden die Kooperationspläne in der Öffentlichkeit nicht weiter konkretisiert. 

Der Osten rückt in der Raumfahrt zusammen

Doch das bedeutet nicht, dass sich China keine weiteren Partner im Raumfahrtgeschäft sucht. Es ist eine chinesisch-arabische Kooperation im Weltall geplant. Bereits 2018 sind die beiden arabischen Satelliten Saudisat 5A und 5B mit einer chinesischen Rakete des Typs Langer Marsch 2D ins All geschickt wurden. 

Nun will Saudi-Arabien beispielsweise ein Experiment zur Tiangong-Raumstation schicken. Dieses soll die Auswirkungen der kosmischen Strahlung auf die Leistung der hocheffizienten Solarzellen untersuchen. Mit der chinesischen Mondmission Chang‘e-7 soll der arabische Rover Rashid II im Jahr 2026 zum Mondsüdpol fliegen. Rashid I wurde erst im Dezember mit der japanischen Mission Hakuto-R1 zum Mond geschickt. Jedoch scheiterte die Mission beim Landeanflug im April 2023 und der Rover ging verloren. Eine sichere Landung auf einem anderen Himmelskörper gehört zu den Königsdisziplinen. Warum eine Mondlandung so schwer ist, haben wir für Sie bereits aufgeschrieben.

Eine künstlerische Darstellung des Hakuto-R Mondlandefahrzeugs auf dem Mond. Im Hintergrund sind das Schwarz des Weltalls und die Erde zu erkennen. Die Klappe des Landefahrzeugs ist auf und der kleine Rashid-Rover fährt gerade auf die Mondoberfläche.
Eine künstlerische Darstellung des Hakuto-R Mondlandefahrzeugs auf dem Mond. Im Hintergrund sind das Schwarz des Weltalls und die Erde zu erkennen. Die Klappe des Landefahrzeugs ist auf und der kleine Rashid-Rover fährt gerade auf die Mondoberfläche. So hätte es nach einer erfolgreichen Landung aussehen können. Bildrechte: MDR, ispace

Erst im Dezember 2022 fand das erste Gipfeltreffen zwischen China und dem Golf-Kooperationsrat GCC (Gulf Cooperation Council) in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad statt. Zu dem Rat gehören Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Kuwait, Oman und Katar. 

Der chinesische Präsident Xi Jinping sei bereit, "mit den GCC-Ländern in den Bereichen Fernerkundungs- und Kommunikationssatelliten, Weltraumnutzung, Luft- und Raumfahrtinfrastruktur sowie bei der Auswahl und Ausbildung von Astronauten zusammenzuarbeiten", hieß es in seiner Grundsatzrede zu dem Treffen. Zudem zieht China ein gemeinsames Zentrum zur "Erforschung des Mondes und des tiefen Weltraums in Betracht". Inwieweit die Zusammenarbeit verpflichtend ist, wurde nicht geklärt. 

Spaltet das neue Space Race die Welt wieder in Ost und West?

Jedoch zeigt sich anhand der anstehenden Missionen und der geplanten Kooperationen zur Erkundung des Weltalls, dass ein neues Weltraumrennen zwischen Ost und West schon längst begonnen hat. 

China betont zwar immer wieder, dass es um eine friedliche Nutzung des Weltalls bemüht ist, aber der Nasa-Administrator Nelson sieht die Entwicklungen dennoch kritisch: "Sie [die chinesische Regierung] wollen die dominierende Macht auf der Erde sein, und die Reise zum Mond ist eine Möglichkeit zu zeigen, dass ihr System funktioniert. Wenn sie uns bei der Rückkehr zum Mond schlagen, zeigt das, dass sie besser sind als wir."

Freilich vertritt Nelson die politischen Interessen der USA und ist somit parteiisch. Zudem kann es gut sein, dass Nelson mit seinen Statements mehr Druck auf die amerikanische Regierung ausübt. Bei einem Weltraumrennen will die USA immerhin siegreich hervorgehen – doch das bedeutet auch: Die Nasa braucht mehr Geld für ihr Artemis-Programm. 

Wovon erst mal nicht auszugehen sei, ist eine komplette Abspaltung zwischen Ost und West. Auch wenn China international Kooperationen vor allem im asiatischen und eurasischen Raum festigt – Partner wie die Vereinigten Emirate schätzen die Zusammenarbeit mit dem Westen sehr. Deswegen wollen sie auch ein Luftschleusenmodul für das Lunar Gateway beisteuern. 

Der internationale Dialog muss somit auch über den Globus hinaus gehen und darf bei Weltall-Angelegenheiten nicht stoppen. Es ist also ein positives Zeichen, dass in China nun auch Wissenschaftler in der Schwerelosigkeit forschen dürfen.

Die Besatzungen von Shenzhou XV und Shenzhou XVI posieren am Dienstag im Tianhe-Kernmodul der Tiangong-Raumstation, um den Beginn der Übergabe der Besatzung im Orbit zu markieren (Bildschirmfoto des Pekinger Raumfahrtkontrollzentrums).
Die Besatzungen von Shenzhou XV und Shenzhou XVI posieren am Dienstag im Tianhe-Kernmodul der Tiangong-Raumstation, um den Beginn der Übergabe der Besatzung im Orbit zu markieren (Bildschirmfoto des Pekinger Raumfahrtkontrollzentrums). Bildrechte: Xinhua

Der Start vom chinesischen Weltraumbahnhof Jiuquan in der Wüste Gobi war am 30. Mai 2023 um 3:31 Uhr (MESZ) ein weiterer Schritt in die wissenschaftliche Erforschung des Weltalls. Seit Dienstag ist nun eine sechsköpfige Crew an Bord der Raumstation – aber voraussichtlich nur bis zum Wochenende oder Anfang der Woche. Dann wird die bisherige Crew zurück zur Erde fliegen.

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