Rekonstruktion eines Stammbaums aus der Jungsteinzeit
Rekonstruktion eines Stammbaums aus der Jungsteinzeit auf der Grundlage der Gräberfunde im französischen Gurgy ‘les Noisats’. Bildrechte: Zeichnung von Elena Plain; mit Genehmigung der Universität Bordeaux / PACEA

Wissen-News Leipziger Anthropologen rekonstruieren Stammbäume aus der Jungsteinzeit

27. Juli 2023, 12:07 Uhr

Leipziger Anthropologen haben auf der Grundlage von Grabfunden aus Frankreich an der Rekonstruktion großer Stammbäume aus der Jungsteinzeit vor 6.700 Jahren mitgewirkt. Die damalige Gesellschaft war straff patrilinear, monogam und stabil.

Forschern des Leipziger Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie und des PACEA-Labors im französischen Bordeaux ist es mithilfe neuer Methoden zur Gewinnung und Analyse von alter DNA gelungen, zwei unerwartet große Stammbäume aus der Jungsteinzeit zu rekonstruieren. Die beiden Abstammungsdarstellungen liefern erste detaillierte Einblicke in die Sozialstruktur frühbäuerlicher Gemeinschaften vor 6.700 Jahren. Grundlage bilden ermittelte Daten (Strontium-Isotopendaten, Sterbealter, Geschlecht) von 94 Individuen aus einem Gräberfeld im heutigen Gurgy ‘les Noisats’ in Zentralfrankreich. Der größere der beiden Stammbäume umfasst 64 Individuen über sieben Generationen, der kleinere zwölf Individuen über fünf Generationen.

Das deutsch-französische Forscherteam fand deutliche Hinweise auf Patrilinearität, also die Vererbung von sozialen Eigenschaften und Besitz über den Vater. Alle Generationen sind fast ausschließlich über die biologischen Väter verknüpft, wobei lediglich zwei rein väterlich vererbte Y-chromosomale Linien nachgewiesen wurden. Gleichzeitig findet sich eine hohe Vielfalt mitochondrialer DNA, welche mütterlicherseits vererbt wird und in Gurgy in jeder neuen Generation aufgefrischt wurde. Da den Strontium-Isotopen-Analysen zufolge die Mütter vermehrt nicht-lokale DNA-Signaturen trugen, gehen die Forscher davon aus, dass die Söhne stets in ihrer Gemeinschaft blieben (Virolokalität: "Ort des Mannes"), während ihre Frauen immer von außerhalb kamen (Exogamie: "Außenheirat").

Insgesamt sehen die Forscher Hinweise auf eine enge verwandtschaftliche Linie. Dass einige der Frauen entfernt miteinander verwandt waren, deutet zudem darauf hin, dass Gurgy mit einigen wenigen benachbarten Gemeinschaften in Austauschbündnissen stand. Ein weiteres Phänomen ist das Fehlen von Halbgeschwistern, was auf monogame Beziehungen hinweist (Monogamie: "Einehe"). Generell gehen die Forscher für die Stammbäume von Gurgy von stabilen Zeiten aus. Ein Indiz dafür ist unter anderem, dass viele Vollgeschwister das reproduktionsfähige Alter erreichten. Grundlage war die frühbäuerliche Lebensweise, die eine Sesshaftigkeit mit guter Nahrungsgrundlage und komplexen Gesllschaftsstrukturen ermöglichte.

(dn)

0 Kommentare