Digitale Pharaonenforschung Pharao Amenhotep I. – Sensationelle Enthüllung ohne Enthüllung

28. Dezember 2021, 06:01 Uhr

Pharao Amenhotep I. ist ein Geschenk - ein Geschenk, das drei Jahrtausende nicht ausgepackt wurde. Wie bei den Herrschern und Herrscherinnen des alten Ägypten üblich, wurde er nach seinem Tod sorgfältig mumifiziert, also haltbar gemacht. Die wenigen Mumien, die bis ins 19. und 20. Jahrhundert überdauerten, wurden von den Entdeckern ausgewickelt, um sie näher zu untersuchen. Alle, bis auf die Mumie von Pharao Amenhotep I. Jetzt wurde sie doch enthüllt – ohne sie wirklich zu enthüllen.

Die Maske der Mumie von Pharao Amenhotep
Mumien bestehen aus verschiedenen Schichten. Hier die Gesichtsmaske von Amenhotep I., darunter viele Lagen Leinenbinden. Dem Körper wurden die meisten Organe entnommen und durch Amulette ersetzt. Bildrechte: S. Saleem/Z. Nuwass

  • Das erste Mal wurde ein mumifizierter Pharao mittels CT-Scan "ausgewickelt"
  • Pharao Amenhotep I. ist kleiner als angenommen und hatte gute Zähne
  • Studie ermöglicht Rückschlüsse auf die Mumienpflege der Hohepriester

Vor einigen Monaten stand Pharao Amenhotep I. schon einmal im Mittelpunkt: Als die Bilder der spektakulären „Pharaohs’ Golden Parade“ im März 2021 um die Welt gingen, war er das Gesicht der Zeremonie. Mit viel Aufwand und prächtigen Bildern wurden 22 Ägyptische Mumien mittels Sarkophag-Autos in ihre neue Ruhestätte überführt: Das National Museum of Egyptian Civilization.

Nun steht er wieder im Mittelpunkt, allerdings nicht im Fernsehen, sondern im Fachjournal „Frontiers in Medicine“. Der Radiologin Prof. Sahar Saleem ist es gelungen, ein umfassendes 3D-Modell der Mumie zu erstellen. Dafür musste die Mumie dank Computertomographie (CT) nicht wirklich ausgewickelt werden: sie wurde per Röntgenstrahlung Schicht für Schicht vermessen, und später von einem Computer zu einem 3-Dimensionalen Bild wieder zusammengesetzt.

Pharao Amenhotep, Digitalbild des Schädels
Schädel der nie ausgepackten Mumie Amenhotep I. Erstaunlich gute Zähne! Bildrechte: S. Saleem/Z. Nuwass

Da die Mumie nach ihrer Entdeckung 1881 nicht geöffnet wurde, kann nun detailliert nachvollzogen werden, wie sie bestattet wurde. Die Organe wurden bis auf das Herz und das Gehirn entnommen und durch 30 Amulette ersetzt, es gibt keine Anzeichen einer tödlichen Verletzung. Amenhotep I. starb ungefähr 1504 v. Chr. und wurde ca. 35 Jahre alt. Mit 169 cm Körpergröße war er ungewöhnlich hoch gewachsen für einen Menschen seiner Zeit, die meist nur sehr viel kleiner wurden, und hatte gute Zähne. Er sah seinem Vater Ahmose I. ähnlich, einem bedeutenden Pharao, der Ägypten wieder vereinte: Auch dieser hatte ein schmales Kinn, eine kleine Nase, lockiges Haar und einen leichten Überbiss.

Namen von Pharaonen sind nicht gleich Namen von Pharaonen! Während im deutschsprachigen Raum die Bezeichnung Amenophis gebräuchlich ist, spricht man im Englischen wie auch in der Studie von Amenhotep, in Ägypten selbst auch von Amenhetep. Dies hat den Grund, dass die Namen aus Hieroglyphen entspringen, also aus einer Bildsprache. Die Bilder wurden dann in jeweils unterschiedliche Sprachen übersetzt. „Hetep“ bezeichnet zum Beispiel ein Opfer, das den Göttern dargeboten wird.

Eigene Theorie widerlegt

Dabei wurde die Mumie von Amenhotep I. nicht nur einmal bestattet. Im 11. Jahrhundert v. Chr.,  400 Jahre nach seinem Tod, wurde er erneut von Hohepriestern mumifiziert. Sahar Saleem und ihr Team vermuteten zuerst, dass das königliche Bestattungswerkzeug für eine andere Bestattung erneut gebraucht wurde. Sie widerlegten nun ihre eigene Theorie und wiesen nach, dass die Hohepriester Reparaturen an der jahrhundertealten Mumie vornahmen.

Wir konnten für Amenhotep I. zeigen, dass die Hohepriester tatsächlich die Verletzung, die er von Grabräubern zugefügt bekommen hatte, liebevoll restaurierten und seiner Mumie zu altem Glanz verhalfen: mit herrlichen Juwelen und Amuletten.

Sahar Saleem, Professorin für Radiologie an der Universität Kairo

Gute Zeit zum Herrschen

Blick ins Innere der Mumie von Pharao Amenhotep
Die Mumie des Pharaos, die seinen geschrumpften Schädel und sein Skelett in den Verbänden zeigt. Bildrechte: S. Saleem/Z. Nuwass

Amenhotep I. regierte dabei in einer für ihn relativ angenehmen Zeit während der 18. Dynastie des alten Ägypten. Nachdem sein Vater Ahmose I. mittels Kriegen das gespaltene Land wieder vereinte, ließ Amenhotep I. einige größere Bauwerke in Auftrag geben. Da er selbst keine männlichen Kinder zeugte, ging die Regentschaft auf den Mann seiner Tochter oder Schwester über: Thutmosis I.

Weitere Untersuchungen

Die Forschenden gehen davon aus, dass der CT-Scan auch bei anderen Mumien zu weiteren Erkenntnissen führen kann, zum Beispiel bei peruanischen Königen. Für Pharao Amenhotep I., Herrscher über Ägypten, Sohn des Ahmoses I., war es vorerst die letzte Untersuchung. Seit April 2021 liegt er im National Museum of Egyptian Civilization, gebettet in einem gläsernen Sarg gefüllt mit Stickstoff. Ob Forschende drei Jahrtausenden in der Zukunft wohl auch feststellen werden, dass wir ihn "liebevoll restauriert" haben?

Link zur Studie

Die Studie "Digital unwrapping of the mummy of King Amenhotep I (1525-1504 BC) using Computed Tomography (CT)” erschien in Frontiers in Medicine.

nvc

Wissen

Gernelernen Episode 11 51 min
Bildrechte: MDR Wissen/Panthermedia

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