Äthiopien Landwirtschaft
Viele Menschen in Äthiopien glauben, dass es vor allem Gottes Wille ist, ob eine Ernte gut oder schlecht ausfällt. Bildrechte: imago images/Joerg Boethling

(Unter-)Ernährung Landwirtschaft zwischen Glauben und Wissen

15. September 2022, 17:00 Uhr

Bei uns haben Landwirtschaft und Religion nur noch wenig miteinander zu tun. Aber in Regionen der Welt, wo Armut und Unterernährung allgegenwärtig sind, spielt der Glaube eine große Rolle. Kann das eine Chance sein?

Die jährlichen Erntedankfeste gehören in Deutschland zu den wenigen Überbleibseln aus Zeiten, in denen man Gott oder andere höhere Mächte für Wohl und Wehe in der Landwirtschaft verantwortlich machte. Kaum ein deutscher Landwirt würde heutzutage wohl zu Protokoll geben, dass die gute oder schlechte Ernte eines Jahres allein Gottes Wille war.

Ganz anders ist das in Äthiopien, einem Land, in dem Hunger und Armut zum Alltag vieler Menschen gehören. Zwar ging der Anteil der als unterernährt geltenden Bevölkerung in den letzten Jahren stetig zurück, aber er beträgt trotzdem noch 16,2 Prozent. Nur 26 Länder der Welt schneiden in der Rangliste des Welthunger-Index schlechter ab als Äthiopien.

Haupterwerbsquelle in dem nordostafrikanischen Land ist die Landwirtschaft. 95 Prozent der Landwirte sind dabei Kleinbauern mit sehr geringem Einkommen. Sie sind in hohem Maße von der so genannten Regenfeldwirtschaft abhängig und daher sehr anfällig für Klimawandel-Phänomene wie Dürre und Überschwemmungen. Die meisten dieser Landwirte nutzen kaum moderne Technologien.

Äthiopien Landwirtschaft
Äthiopischer Kleinbauer beim Pflügen seines Feldes Bildrechte: imago images/UIG

Einer Studie zufolge glaubt etwa ein Viertel der vielen Kleinbauern Äthiopiens, dass letztlich Gott über ihren landwirtschaftlichen Erfolg bestimmt. "Auch wenn es keine Mehrheit ist, so sind es doch Millionen Äthiopier, die diese Überzeugung teilen", sagt Studienleiter Goytom Abraha Kahsay, der ursprünglich aus Äthiopien stammt und jetzt an der Universität Kopenhagen als Assistenzprofessor arbeitet.
Wenn man die landwirtschaftlichen Praktiken in armen Ländern verbessern wolle, so Kahsay weiter, müsse man verstehen, wie dortige Bauern ihre Entscheidungen treffen. Religiosität scheine dabei eine wichtige Rolle zu spielen, zeige die Studie. Dafür hatte das Team um Goytom Abraha Kahsay mehr als 800 äthiopische Landwirte befragt. Und es stellte sich heraus, dass es eine Korrelation zwischen Religiosität und Risikobereitschaft der Landwirte gibt. Je stärker der Glaube, umso eher waren die Bauern bereit, vom Gewohnten abzuweichen und Neues zu probieren.

Kirche als Chance für neue Technologien?

Vorherrschende Meinung unter Wirtschaftswissenschaftlern ist, dass die mangelnde Bereitschaft, Risiken einzugehen, ein Teil der Erklärung ist, warum es vielen Landwirten in Entwicklungsländern schlecht geht. Die Studie kommt nun zu dem Schluss, dass man genau dort ansetzen könnte - mit Gottes Hilfe sozusagen. Zumal Bevölkerungsstruktur und Religiosität (unabhängig davon, an welchen Gott geglaubt wird) in vielen ärmeren Ländern ähnlich seien wie in Äthiopien.

Politische Entscheidungsträger sollten religiöse Institutionen unbedingt einbeziehen, wenn es um die Einführung neuer Technologien und Anpassung an den Klimawandel geht. "Die meisten Menschen vertrauen der Kirche, so dass Botschaften, die ihnen in der Kirche vermittelt werden, wahrscheinlich ihre Denkweise beeinflussen können", schließt Studienautor Kahsay.

(rr)