Elfbar und Co. Wie Einweg-E-Zigaretten das Klima ruinieren

17. Mai 2024, 12:14 Uhr

Einweg-E-Zigaretten sind ein urbaner Trend. Und verheerend für Umwelt und Klima. Die Kombination aus Nikotin, Plastik und einmal verwendeten Lithium-Ionen-Akkus ist mit einem hohen CO2-Impact verbunden.

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600 Züge dauert es, bis eine E-Zigarette des Modells Elfbar 600 leer ist. In Deutschland dürfen nur noch Modelle mit maximal 2 ml Liquid verkauft werden, das entspricht 20 mg Nikotin. Diese Menge ist ungefähr das Gleiche wie 20 normale Zigaretten, also eine Packung. Aus gesundheitlicher Perspektive sind E-Zigaretten umstritten, die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin fordert ein Verbot und auch der Klima-Impact der Geräte ist nicht unerheblich.

Die Grafik zeigt die Bestandteile einer Elfbar Einweg-E-Zigarette. Dazu gehören Liquid-Tank, Plastikhülle und ein Lithium-Ionen-Akku.
Die Grafik zeigt die Bestandteile einer Elfbar Einweg-E-Zigarette. Dazu gehören Liquid-Tank, Plastikhülle und ein Lithium-Ionen-Akku. Bildrechte: Imago/Pond 5 Images/ Maik Schuntermann

Aus Klimaperspektive sind folgende Bestandteile der Elfbar-Zigarette besonders relevant: Das Liquid, also die Flüssigkeit, die verdampft wird, der Akku und die Plastikteile.

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Dieser Text erschien zuerst im MDR Klima-Update #142

1. Das Liquid 💨

Das Liquid einer E-Zigarette enthält in der Regel Nikotin, Vernebelungsmittel und Aromastoffe. Das Nikotin ist meist in Form von Nikotinsalzen verarbeitet, diese Salze werden mithilfe von Ammoniak aus den Blättern der Tabakpflanze extrahiert. In Verbindung mit einer Säure wie Benzolsäure können Nikotinsalze bereits bei geringen Temperaturen verdampft werden.

Genau wie herkömmliche Zigaretten sind E-Zigaretten damit ein Teil der globalen Tabakwirtschaft – und die ist ein echter Klimakiller. Eine Studie von Forschenden am Imperial College in London hat die CO2-Bilanz von Tabak 2018 untersucht und kommt zu dem Ergebnis: Die 32,4 Millionen Tonnen Tabak, die im Jahr 2014 angebaut wurden, trugen mit fast 84 Millionen Tonnen CO2 zum Klimawandel bei. Das sind 0,2 Prozent der weltweiten Gesamtemissionen. Der Löwenanteil geht dabei natürlich auf das Konto "normaler" Zigaretten, aber sollten E-Zigaretten diese künftig mehr und mehr ablösen, wird das mit ähnlichen CO2-Äquivalenten einhergehen.

Das liegt unter anderem daran, dass Tabak meistens in Ländern des Globalen Südens angebaut wird, die größten Erzeuger sind Indien, Simbabwe, Pakistan und Malawi. Für den Anbau der Pflanzen werden Waldflächen gerodet und der Wasserverbrauch der Tabakpflanze ist enorm. Danach folgt die Trocknung der Blätter, dazu werden große Mengen Holz verfeuert. Unsere Kollegen von der Süddeutschen Zeitung haben die Problematik hier noch einmal sehr anschaulich beschrieben. 

2. Der Akku 🔋

In der Regel sind in Einweg-E-Zigaretten Lithium-Ionen-Akkus verbaut. Eigentlich ließe sich ein solcher Akku 500 – 1.000 Mal wiederaufladen. Aktuell sind Elfbars aber so ausgelegt, dass der Akku ungefähr zeitgleich mit dem Liquid leer wird, dann wird das Gerät entsorgt. Lithium-Batterien bestehen zu großen Teilen aus Wertstoffen wie Nickel, Kobalt, Lithium, Mangan, Aluminium, Eisen – auch Silber und Seltene Erden sind zum Teil enthalten. Axel Strobelt vom Umweltbundesamt betont, um diese Wertstoffe zumindest teilweise zurückzugewinnen und eine Verteilung von Schwermetallen in der Umwelt zu vermeiden, müssten diese Altbatterien getrennt von anderem Abfall erfasst werden. Viele der Stoffe könne man aktuell zurückgewinnen und damit die umweltbelastende Primärgewinnung der Rohstoffe zumindest reduzieren.

In der Praxis scheitert es allerdings schon viel früher: Die wenigsten Einweg-E-Zigaretten werden bei den kommunalen Sammelstellen für Elektroschrott oder im Einzelhandel abgegeben, wie es das Umweltbundesamt empfiehlt. Das Amt weist aber auch darauf hin, dass eine Erneuerung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes künftig vorsieht, dass man E-Zigaretten überall zurückgeben kann, wo man sie kaufen kann, also auch im Kiosk. Werden die Geräte dagegen einfach in den (Rest-)Müll geworfen, kann das Brände verursachen, warnt Axel Strobelt.

Die erwähnten Wertstoffe im Lithium-Ionen-Akku sind fast alle mit Klimafolgen verbunden. Ein illustratives Beispiel ist das namensgebende Lithium. Batteriefähiges Lithium ist sozusagen eine der Kernkomponenten unserer Energiewende. Alles, was elektrifiziert werden soll, braucht Lithium. Deshalb ist es knapp, man kann sagen: Verschiedene Industrien konkurrieren um die globale Lithiumkapazität, beispielsweise E-Autos, E-Bikes oder Stromspeicher.

Eine britische Studie von 2023 schätzt, dass die 1,3 Millionen Einweg-E-Zigaretten, die im Vereinigten Königreich in einer Woche entsorgt werden, rund 10.000 kg Lithium pro Jahr auf den Müllhalden entsprechen. Mit dieser Menge könnten 1.200 E-Autos gebaut werden, so die Modellrechnung der Forschenden. Häufig werden die E-Zigaretten auch nicht in den Müll, sondern einfach auf die Straße geworfen. Die Forschenden resümieren angesichts der Situation in Großbritannien: "Die Straßen von London sind vielleicht nicht mit Gold gepflastert – aber mit Lithium".

Bunte E-Zigaretten
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3. Plastik 🌟

Die Umverpackung des Elfbars wird mit entsorgt, wenn das Gerät nicht mehr weiter genutzt wird. Neben Nikotin und Lithium wirkt Plastik erst einmal harmlos – aber der Eindruck täuscht. Eine Studie von Forschenden der Hunan University schätzt, dass Plastik bis 2050 2,8 Gigatonnen CO2 pro Jahr verursachen wird. Das wären über zehn Prozent des bis dahin geplanten CO2-Budgets. Der größte Teil dieser Emissionen wird bereits während der Herstellung von Plastik verursacht, aber auch beim Verbrennen des Stoffes entstehen klimawirksame Gase. Einwegplastik, das in der Umwelt landet, setzt beispielsweise im Meer ebenfalls noch weitere Treibhausgase frei.

Einen ausführlichen Bericht über die Klimawirkung von Plastik finden Sie hier.

Warum ist das überhaupt noch legal? 🤯

Womöglich stellen Sie sich jetzt die Frage, warum Einweg-E-Zigaretten angesichts ihrer verheerenden Ökobilanz nicht verboten sind. Lassen Sie es mich so formulieren: Die Politik arbeitet daran – aber sie arbeitet langsam.

Das Unternehmen hinter Elfbar, Heaven Gifts, sitzt und produziert in China. Dort werden mehr als 90 Prozent der E-Zigaretten, die es weltweit zu kaufen gibt, hergestellt. In China selbst sind aromatisierte E-Zigaretten aber verboten. Die kommunistische Regierung verhängt harte Strafen beim Verkauf der Geräte und geht mit Razzien gegen den Schwarzmarkt vor. Der Grund für das strenge Verbot laut Regierung: Man habe gesundheitliche Bedenken.

In den USA versucht die Food and Drug Administration FDA bereits seit Jahren, E-Zigaretten und insbesondere Elfbars aus gesundheitlichen Gründen zu beschränken – mit dem Ergebnis, dass diverse Anbieter ihre Produkte nun dort einfach ohne die FDA-Zulassung verkaufen. So schnell wie Elfbar neue Produkte auf den Markt wirft, kommen die Behörden ohnehin nicht hinterher. Kurt Ribisl, Professor für öffentliche Gesundheit an der University of North Carolina sagt dazu gegenüber Reuters: "Es ist eine Art Katz-und-Maus-Spiel – aber die FDA ist eine Zeitlupenkatze." 

In Deutschland hat man bislang eine Beschränkung des Liquid-Depots auf maximal 2 ml durchgesetzt – mit dem Ziel, die Nikotinmenge beim Konsum von Produkten wie Elfbar ein wenig kontrollierbarer zu machen. Größere Liquid-Depots ermöglichen mehr Züge pro Zigarette. Was aus gesundheitlicher Sicht gefährlicher ist, für Umwelt und Klima dagegen aber fast die sinnvollere Option wäre, weil ein Gerät dann theoretisch länger genutzt werden könnte. Ein größerer Akku allerdings wäre dann auch wieder mit erhöhter Explosionsgefahr verbunden.

Letzten Endes wollen aber sowohl die deutsche Bundesregierung, als auch die EU Einweg-E-Zigaretten verbieten. Grundsätzlich unterliegen die Geräte der europäischen Gesetzgebung, das erschwert Einzelverbote in den jeweiligen Mitgliedsländern. Wenn ein Land Verbote machen will, muss die EU-Kommission das erst bestätigen.

Was die EU versucht: Einweg-E-Zigaretten über eine Verschärfung der Batterieverordnung zu unterbinden. Diese sollen nicht mehr mit einem fest montierten Akku verkauft werden dürfen, sondern nur noch mit herausnehmbaren Batterien. Damit wäre die Elfbar 600 in ihrer oben gezeigten Form beispielsweise nicht mehr legal. Ob das dann wirklich das endgültige Ende aller Einweg-E-Zigaretten wäre, ist unklar – und die Sache hat noch einen Haken: Die EU-Batterieverordnung tritt erst Anfang 2027 in Kraft. Bis dahin können die Einwegartikel wie gehabt weiterverkauft werden.



Was Deutschland versucht: Der Bundesrat hat bereits im März 2023 ein Verbot für Einweg-E-Zigaretten gefordert – und zwar auch aufgrund ihrer Umweltauswirkungen. Die Forderung bedeutet konkret: Die deutsche Bundesregierung soll sich auf nationaler und EU-Ebene für ein Verbot einsetzen. Feste Fristen wurden hier nicht genannt und natürlich wäre es angesichts des eng verzahnten europäischen Binnenmarktes am wirkungsvollsten, das Problem direkt auf EU-Ebene anzugehen. Dass es möglicherweise auch ein wenig proaktiver ginge, zeigt Frankreich: Dort hat das Parlament im März ein generelles Verbot von elektronischen Einweg-Zigaretten beschlossen, das bereits Ende September in Kraft treten soll. Auch in Belgien wurde ein ähnliches Gesetz verabschiedet.

Wenn es politisch bei diesen Entscheidungen bleibt, wird es also in Deutschland frühestens 2027 eine ernst zu nehmende Begrenzung für die Einwegprodukte geben. 

Unter den 14- bis 17-Jährigen in Deutschland hat sich die Nutzung von E-Zigaretten zwischen 2021 und 2022 währenddessen verfünffacht. Offiziell sind E-Zigaretten erst ab 18 Jahren erlaubt. Die WHO wirft Firmen wie Elfbar vor, mit Geschmacksrichtungen wie Pfirsich, Zuckerwatte oder Blaubeere bewusst junge Menschen ansprechen zu wollen. Laut einer britischen Studie von 2022 ist der Geschmack der Hauptgrund für junge Menschen, mit E-Zigaretten anzufangen. 

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 05. Dezember 2023 | 09:17 Uhr

3 Kommentare

part vor 3 Wochen

Das reichen schon die normalen Zigaretten, deren Konsum weltweit ansteigt und dazu gibt es bereits Statistiken. Angefangen vom Abholzen von Wäldern, dem intensiven Anbau von Tabak, mit Kinderarbeit in Schwellenländern, bis hin zur Freisetzung von 218 Schadstoffen bei jeder einzelnen Zigarette und den Überresten von Filtern, die zu oft per Stups in die Landschaft entsorgt werden. Den ökologischen Fingerabdruck der Lieferketten noch nicht mitgerechnet und die gesellschaftlichen Folgen dieses Lasters.

MDR-Team vor 3 Wochen

Hallo @Steffen B., guter Hinweis.
Einweg-E-Zigaretten landen meist einfach im Müll und nicht im Elektroschrott, wo sie eigentlich hingehören. Dies sorgt für eine große Brandgefahr in den Entsorgungsbetrieben. Denn wenn die kleinen Lithium-Akkus beim Zerkleinern des Mülls geschreddert werden, können sie sich selbst entzünden.
Herzliche Grüße

Steffen B. vor 3 Wochen

… und nicht zu vergessen: die Brandgefahr bei Entsorgung im Hausmüll.

Ein Umweltaktivist im Interview an einem Müllstrand 3 min
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