Weltnaturkonferenz in Cali Fazit zu Cop16: "Noch nicht dagewesene Mobilisierung von Interessengruppen"
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04. November 2024, 13:59 Uhr
Die Weltnaturkonferenz im kolumbianischen Cali hat so viele Experten zum Thema Artenschutz zusammengebracht wie nie zuvor. Dennoch sind die Reaktionen aus der Wissenschaft nach dem Ende der COP16 gespalten.
Die Erwartungen waren groß vor der 16. Weltnaturkonferenz (COP16), die vom 21. Oktober bis 1. November in der kolumbianischen Metropole Cali unter dem Motto "Peace with Nature" abgehalten wurde. Ein wichtiges Ziel war etwa das sogenannte 30x30-Abkommen, das festgelegt, dass mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz gestellt werden sollen. Daneben spielten auch Verhandlungen über genetische Datenbanken, in denen genetische Informationen über Pflanzen, Tiere und Mikroben gespeichert werden, eine wichtige Rolle. Diese sogenannten digitalen Sequenzinformationen (DSI) sind für den Artenschutz und die Pharmaindustrie essenziell.
Dazu nahmen mit mehr als 20.000 Delegierten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft so viele Vertreter wie noch nie an einer solchen Konferenz teil. Letztlich konnten sich die Delegierten aus 200 Ländern allerdings nicht auf Finanzierungsfragen zum globalen Artenschutz einigen. Die Umweltstiftung WWF urteilte bereits, dass dieses Ende der COP16 eine "Blamage" gewesen sei, auch deutsche Forscherinnen und Forscher ziehen ein zwiespältiges Fazit.
Gräben zu Ländern des Globalen Südens nun noch tiefer
"Betrachtet man die politische und gesellschaftliche Wirkung der COP16, lässt sich sagen, dass es eine bisher in dieser Form noch nicht dagewesene Mobilisierung von Interessengruppen und Anliegen gab, die früher eher am Rande diskutiert wurden, heute jedoch zentral für den Schutz der Biodiversität sind", resümiert etwa Solveig Richter, die an der Uni Leipzig einen Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und transnationale Politik innehat und in Cali vor Ort war. Andererseits habe es bei der COP16 eine große Lücke gegeben zwischen dem, was zwar politisch für den Schutz der Biodiversität nach außen angekündigt wird, und dem, was Staaten und ihre Vertreter bereit sind, auch formell umzusetzen, so die Expertin, die auch am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig forscht.
Richter betont, dass in Zukunft die konkrete Verknüpfung der Klimaschutzagenda mit der Agenda zum Schutz der Biodiversität noch mehr im Zentrum stehen müsse: "Dazu gab es zahlreiche Diskussionen darüber, und es gab ein sehr deutliches grundsätzliches Bekenntnis. Gleichwohl bleibt unklar, wie dies konkret ausgestaltet wird, insbesondere im Monitoring- und Verifizierungsprozess."
Wissen indigener Völker sollte noch besser genutzt werden
Ihr Kollege Jens Freitag vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben war ebenfalls bei der COP16 vor Ort und zieht prinzipiell ein positives Fazit, vor allem mit Blick auf die COP15 in Montreal: "Mit der nun absehbaren Einigung auf der COP16 wurde ein insgesamt erfolgreicher Abschluss erzielt. Die COP hat ihre grundlegende Aufgabe erfüllt, die Beschlüsse des Montreal-Abkommens in konkretes Handeln zu überführen." Dabei werde es bei der Umsetzung naturgemäß Herausforderungen geben, doch grundlegende Prinzipien eines multilateralen Systems seien bei der Weltnaturkonferenz festgelegt worden.
Der IPK-Experte sieht besonders auch die kolumbianische Präsidentschaft als wichtigen Faktor für einen positiven Abschluss der COP16. Dabei sei auch die Einbindung indigener Gruppen in die Diskussionen gestärkt worden. "Dadurch lässt sich Vertrauen aufbauen, und neokoloniale Strukturen werden hinterfragt", erklärt Freitag. "Das traditionelle Wissen indigener Völker gilt es mit Forschung, Wissenschaft und Bildungskonzepten zu verknüpfen, um nachhaltige Lösungen zu entwickeln."
Ein großes Fest für ganz Cali
Kritischer ist dagegen Sabine Schlacke von der Uni Greifswald, die auch Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung ist: "Das Scheitern der Verhandlungen zur Finanzierung ist bitter, denn es schien ein Abschluss nahe: Es hätte eine Chance gegeben, den Global Biodiversity Fund der COP15 zu operationalisieren." Dabei handelt es sich um einen Fonds, der globale Investitionen in den Artenschutz unterstützen soll. "So sollten nach dem letzten Entwurf 200 Milliarden Dollar bis 2030 eingezahlt und biodiversitätsschädliche Anreize, etwa Subventionen, bis 2030 um 500 Milliarden Dollar reduziert beziehungsweise beendet werden. Letzteres hätte Auswirkungen auf die EU-Agrarsubventionen haben können", erläutert Schlacke.
Laut Yves Zinngrebe vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig habe die gerade beendete Weltnaturkonferenz in vielen Dimensionen neue Maßstäbe gesetzt. Gleichzeitig führe sie aber klar die Grenzen des Multilateralismus in globalen Umweltfragen auf. "Es wurden Themen angesprochen, die vor allem in Lateinamerika stark mit der Biodiversität verbunden sind: die soziale Ungleichheit, die tropische Entwaldung, die Bedeutung des indigenen Wissens und der Beiträge lokaler Gemeinden zum Biodiversitätsschutz", erklärt Zinngrebe. Letztlich sei die COP16 ein einziges Fest gewesen, in das die ganze Stadt mit einbezogen war.
cdi/smc
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR Aktuell | 21. Oktober 2024 | 14:08 Uhr