Regenwurm in Nahaufnahme
Bildrechte: Colourbox.de

Ökologie und Artenvielfalt Waldarbeiter Regenwurm: Saure Böden mögen sie nicht

09. Oktober 2023, 10:56 Uhr

Sie sind so klein, aber so wichtig. Regenwürmer spielen für das Ökosystem Wald eine entscheidende Rolle. Wenn die Lebensbedingungen jedoch nicht stimmen, wandern sie in tiefere Erdschichten oder verschwinden völlig.

Sie graben sich durch die Erdschichten und hinterlassen ein riesiges, feingliedriges System von Gängen in der aufgelockerten Erde. Durch diese Gänge kann Regenwasser abfließen oder Gasaustausch stattfinden. "Regenwürmer und Springschwänze sind wichtige Akteure bei Zersetzungsprozessen und für die Verteilung der organischen Substanz im Boden", erklärte der Forscher Jens Wöllecke von der NABU-Naturschutzstation Münsterland.

Wöllecke und seine Kollegen haben die Auswirkungen der Waldbewirtschaftung auf die Vielfalt der Bodenlebewesen im Rahmen des BiCO2-Projekts studiert. Dazu haben die Forschenden 200 Waldabschnitte im Nordwesten Deutschlands, vor allem in Nordrhein-Westfalen, genauer untersucht. Diese Gebiete repräsentieren die wichtigsten deutschen Waldtypen.

Artenvielfalt im Wald – welche Bedeutung hat sie für die Bindung von CO2?

Eine intakte Bodenfauna in Wäldern spielt eine immense Rolle, damit das Gesamtökosystem Wald überhaupt funktionieren kann. Nur so ist es möglich, dass die Wälder die für uns so wichtigen Ökosystemleistungen wie den Austausch von Kohlendioxid erbringen können.

"Den Wäldern wird hinsichtlich ihrer Kohlenstoffbindungskapazität und biologischen Vielfalt große Bedeutung beigemessen. Die konkreten Effekte der Bewirtschaftung auf diese Faktoren sind aber noch unzureichend geklärt", erklärt Wöllecke. "Deswegen wollten wir herausfinden, welche Auswirkungen eine intensive Waldbewirtschaftung auf Biodiversität und Kohlenstoffumsatz hat."

Regenwürmer vom Boden-pH-Wert abhängig

Wöllecke hat sich mit seinem Team Regenwürmer und Springschwänze in Wäldern genau angesehen. "Ihre Vielfalt und Häufigkeit hängen von den Bodenbedingungen ab, die durch die Forstwirtschaft auf unterschiedliche Weise beeinflusst werden", sagt Wöllecke.

Bei der Untersuchung hat ihn überrascht: Die Intensität der Bewirtschaftung wirkt sich offenbar nicht aus auf das Gesamtvorkommen und die Häufigkeit von Regenwürmern und Springschwänzen. Stattdessen erwiesen sich Standortbedingungen wie der pH-Wert des Bodens als essentiell. So konnten beispielsweise anekti sche Regenwurmarten – also die Regenwürmer, die sich zwischen Mineralbodenkörper und Bodenoberfläche als "Liftwürmer" tummeln - in drei der vier untersuchten Waldgebiete aufgrund des niedrigen Boden-pH-Wertes nicht nachgewiesen werden.

"Das Fehlen der Tiefbohrerarten führt zu Verlusten entscheidender ökologischer Funktionen des Ökosystems, die nicht durch andere Arten kompensiert werden können", erklärt Wöllecke.

Auf dem Holzweg: Waldwirtschaftswege haben großen Einfluss auf Bodenlebewesen

Einen großen Einfluss auf die Lebensbedingungen der Regenwürmer und damit auch die Biodiversität im Wald haben auch Waldwirtschaftswege. Oft würden diese mit großen Harvestern (Holzerntemaschinen) befahren, welche den Boden durch ihr Gewicht verdichten, sagt Wöllecke.

Geschehe dies bei feuchtem Boden, seien die Folgen noch gravierender. "Die Häufigkeit von Regenwürmern und Springschwänzen war auf diesen Wirtschaftswegen im Vergleich zu den ungestörten Kontrollflächen deutlich reduziert", so der Forscher. "Um die wichtigen ökologischen Funktionen der Bodenmesofauna in Wäldern zu erhalten, ist es besonders wichtig, bodenschonende Bewirtschaftungsmethoden anzuwenden."

Waldmanagement-Index soll Bewirtschaftung messen

Zur Analyse der Bewirtschaftung nutzen die Forschenden einen Forest Management Index und setzen die Effekte in Beziehung zur Kohlenstoffspeicherkapazität und Biodiversität. Der Index verwendet unter anderem vorhandenes Totholz und geerntete Biomasse als Indikatoren.

"Unser Ziel ist es, Möglichkeiten der Waldnutzung aufzuzeigen und gleichzeitig Kohlenstoffbindung und Artenvielfalt zu stärken", erklären die Forschenden. "Die Forstwirtschaft steht vor der Herausforderung, unter den sich ändernden klimatischen Rahmenbedingungen weiterhin stabile Forstsysteme zu bewirtschaften. Deren Stabilität hängt wesentlich vom Erhalt der Biodiversität der Systeme ab."

Bei Dürre ziehen sich Regenwürmer in tiefe Erdschichten zurück

Doch nicht nur der pH-Wert und die Bodenverdichtung scheinen für die Regenwürmer essenziell. "Ein riesiger Faktor sind auch die Trockenheit und Dürren, die wir erlebt haben", erklärte Wöllecke. "Bei diesen trockenen Böden ziehen sich erst in tiefere Erdschichten zurück und verschwinden schließlich ganz. Wir haben viele, viele Regenwürmer durch die Dürrejahre verloren. Sie kommen auch nicht so schnell wieder. Sie brauchen eine ganze Zeit, um sich zu erholen."

Links/Studien

Informationen zum Thema: https://bico2.de/

Studie zum Thema:

Veröffentlichungen:

Wöllecke, J., Linnemann, B. (2021): BiCO2-Forschungsprojekt zu Kohlenstoffspeicherung und Biodiversität im Wald. Naturzeit 37, 31.Elmer, M., Bieker, D., Greiving, K., Tecker, A., Brinkert, A., Hölzel, N. & Linnemann, B. (2018): Monitoring und Begleitforschung von Feuchtwäldern. AFZ-DerWald Nr. 2/2018: 19-21.

Greiving, K., Brinkert, A., Wertebach, T.-M., Elmer, M., Bieker, D., Linnemann, B. & Hölzel, N. (2018): Kohlenstoffvorräte in Feuchtwäldern der Westfälischen Tiefebene. AFZ-DerWald Nr. 2/2018: 22-24.

Linnemann, B., Elmer, M., Tecker, A., Greiving, K., Bieker, D., Hochhäuser, H.-P., Wälter, T., Wertebach, T.-M. & Hölzel, N. (2018): Fit für den Klimawandel – Anpassung von Feuchtwäldern an den Klimawandel. Natur und Landschaft 93: 562-568.

kt

Mehr zum Thema

Regenwurm in Nahaufnahme 1 min
Bildrechte: Colourbox.de
Eine Erdkröte sitzt im Laub. 3 min
Bildrechte: IMAGO / Steffen Schellhorn

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 02. Juni 0023 | 13:36 Uhr

0 Kommentare