Wasserumsatz Zwei Liter am Tag? Unser Wasserbedarf ist individuell verschieden

15. August 2024, 13:49 Uhr

Wie viel Liter Wasser am Tag müssen wir eigentlich trinken? Häufig lautet die Antwort auf diese Frage: zwei Liter Wasser pro Tag. Bei großer Hitze deutlich mehr und vor allem regelmäßiger. Doch der tatsächliche Wasserbedarf ist höchst individuell und kann von Person zu Person erheblich schwanken. Eine Studie zeigt nämlich, dass es auf viele Faktoren ankommt – etwa auf die körperlichen Merkmale eines Menschen, die Umwelt, in der er lebt und seinen sozioökonomischen Status.

Wasser ist überlebenswichtig für den Menschen. Wir alle müssen jeden Tag Wasser trinken, um nicht zu dehydrieren – also damit der Wasserhaushalt unseres Körpers stabil bleibt. Denn wir verlieren ständig Wasser: beim Schwitzen, Atmen oder auf beim Toilettengang zum Beispiel. Damit wir dieses Wasser wieder aufnehmen, bekommen wir Durst und Hunger – denn auch über die Nahrung nehmen wir Flüssigkeit zu uns. Dieser gesamte Kreislauf aus Verlust und Aufnahme von Wasser wird als Wasserumsatz bezeichnet.

Wenn ein Mensch gar nicht trinken würde, dann würde er nach etwa drei Tagen an Dehydrierung sterben. Doch auch zu wenig Wasser zu trinken, kann schon problematisch sein und gilt als Risikofaktor für den Hitzschlag, Harn- und Nierenerkrankungen sowie Herz-Kreislauf-Versagen. Aber wie viel Wasser sollten wir trinken? Im Sommer, bei 30 Grad Celsius natürlich mehr – und regelmäßiger. Das ist gar keine Frage. Aber wie viel genau? Und woher weiß ich das?

Japanerin trinkt Wasser 4 min
Bildrechte: IMAGO / AFLO

Den Wasserumsatz messen

Viele Menschen gehen von der pauschalen Empfehlung aus, dass sie zwei Liter Wasser am Tag trinken sollten. Die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sind etwas differenzierter: Je nach Alter variieren die Empfehlungen hier um einige Hundert Milliliter. Laut DGE liegt der Wasserumsatz eines Erwachsenen am Tag bei rund 2.650 Millilitern. Bei großer Hitze oder sportlichen Aktivitäten können ein halber bis ein Liter Wasser pro Stunde zusätzlich nötig sein. Doch das kann man so pauschal gar nicht sagen, bilanziert ein internationales Forschungsteam um Yosuke Yamada vom japanischen Nationalen Institut für Gesundheit und Ernährung in Tokio.

Die Forschenden erläutern, dass die derzeitigen Empfehlungen auf epidemiologischen Selbstberichten oder laborbasierten physiologischen Studien mit eher kleinen Stichprobengrößen beruhten. Deshalb haben sie eine groß angelegte Messung durchgeführt: Sie haben den Wasserumsatz und das Gesamtkörperwasser von 5.604 Personen im Alter zwischen acht Tagen bis 96 Jahren aus 26 Ländern rund um den Globus analysiert. Dabei haben sie auch darauf geachtet, ein weites Spektrum an Lebensbedingungen abzudecken.

Die Probandinnen und Probanden mussten für die Untersuchung etwa 100 Milliliter Wasser trinken, das mit dem Stoff Deuterium angereichert war. Nun konnte das Forschungsteam messen, wie schnell das Wasserstoff-Isotop wieder aus den Körpern verschwand. So ermittelten sie den Wasserumsatz und das Gesamtkörperwasser.

Erwachsene zwischen 20 und 40 Jahre brauchen das meiste Wasser

Die Analyse des Forschungsteams zeigte, dass die Menge an Wasser, die ein Mensch am Tag trinken muss, von einer ganzen Reihe an Faktoren abhängt und höchst individuell ist. Sie teilen diese Faktoren in drei Gruppen ein: Lebensstil, Umwelteinflüsse und körperliche Merkmale. Es spielt also zum Beispiel eine wichtige Rolle, wie groß eine Person ist, ob sie sportlich aktiv ist, unter welchen klimatischen Bedingungen sie lebt und bei Frauen auch ob sie schwanger ist oder nicht.

Insgesamt betrachtet haben der Studie zufolge Erwachsene Menschen den höchsten Wasserumsatz. Bei Männern ist es das Alter von 20 bis 30 Jahren, bei Frauen zieht sich diese Zeit von 20 bis 55 Jahre. Im Alter zwischen 20 und 40 Jahren hatten die Probandinnen und Probanden den höchsten Gesamtkörperwasser-Wert. Wenn man das Verhältnis von Gesamtkörperwasser und Wasserumsatz betrachtet, hatten Neugeborene den höchsten Wert. Der sank dann mit zunehmendem Alter immer weiter ab.

Eine grauhaarige Frau hat ein Glas Wasser mit Zitrone in der Hand
Mit zunehmenden Alter nimmt der Wassertransfer des Körpers ab. Bildrechte: colourbox

Ein Faktor, der bei Frauen für einen größeren Wasserbedarf sorgt, ist die Schwangerschaft. Der Analyse zufolge steigt der Wasserbedarf im dritten Schwangerschaftstrimester um 670 Milliliter pro Tag im Vergleich zur Vorschwangerschaft. Während der Stillzeit sind es dann noch 260 Milliliter pro Tag mehr, denn auch durch die Milchproduktion verlieren die Frauen Wasser.

Mehr Sport, mehr Körperfett, mehr Luftfeuchtigkeit – mehr Wasserbedarf

Die Forschenden haben zahlreiche Faktoren identifiziert, die zu einem höheren Wasserbedarf führen können. Davon benennen sie überblicksartig einige zentrale Einflussfaktoren:

  • Erhöhte körperliche Aktivität um den Wert 1,0 = 1.000 Milliliter mehr Wassertransfer
  • Zunahme des Körpergewichts um 50 Kilogramm = 700 Milliliter mehr Wassertransfer
  • Anstieg der relativen Luftfeuchtigkeit um 50 Prozent = 300 Milliliter mehr Wassertransfer
  • Anstieg um 1.000 Höhenmeter = 500 Milliliter mehr Wassertransfer

Wichtig ist dem Forschungsteam zufolge vor allem auch wo und wie ein Mensch lebt: Der Analyse zufolge hatten Personen aus Industrienationen einen geringeren Wasserumsatz als Menschen aus Jäger- und Sammler-Gemeinschaften sowie diejenigen, die Ackerbau betreiben. Und wer keinen Sport treibt, dessen Körper verlangt auch nicht so viel Wasser, wie der eines durchtrainierten Leistungssportlers.

Wasserbedarf im Vergleich Wohnort:
reiches Industrieland, 0 Höhenmeter, mittlere Lufttemperatur 10 °C, relative Luftfeuchtigkeit 50 %

20-jähriger Mann, 70 kg, nicht sportlich
= Wassertransfer 3,7 Liter/Tag

20-jährige Frau, 60 kg, nicht sportlich
= Wassertransfer 2,7 Liter/Tag

Wohnort:
armes Entwicklungsland, 2.000 Höhenmeter, mittlere Lufttemperatur 30 °C, relative Luftfeuchtigkeit 90 %

20-jähriger Mann, 70 kg, sportlich
= Wassertransfer 7,3 Liter/Tag

20-jährige Frau, 60 kg, sportlich
= Wassertransfer 6,8 Liter/Tag

Einige der untersuchten Personen hatten sogar einen exorbitant hohen Wasserumsatz. Von den 1.875 untersuchten Männern etwa, habe der bei neun Personen über zehn Liter am Tag betragen. Von diesen Personen waren vier Leistungssportler, vier gehörten zur ecuadorianischen Volksgruppe der Shuar an, die Ackerbau und Jagd betreibt, und einer war ein normalgewichtiger Kaukasier, der bei fast 32 Grad Celsius untersucht wurde. Bei den Frauen lagen die Werte bei 13 Personen bei mehr als sieben Litern pro Tag. Hier waren fünf Leistungssportlerinnen, zwei stark adipös Schwangere, drei nicht-schwangere adipöse Frauen und drei wurden im Hochsommer gemessen.

Keine einheitliche Empfehlung möglich

Die Forschenden weisen darauf hin, dass wir immer noch nicht wissen, wie viel Prozent des Wassers unser Körper aus der Nahrung aufnimmt. Studien, die auf Umfragen beruhen, deuteten jedenfalls auf einen Wert von 20 bis 50 Prozent hin. Da aber auch diese Untersuchungen auf Selbstbeobachtungen basierten, seien diese Werte sehr unsicher. Vermutlich würden Energie-, Protein- und Salzaufnahme unterschätzt.

Eine junge Frau mit einem großen Glas Wasser in der Hand.
Unser Lebensstil und unser Wohnort haben großen Einfluss auf den Wasserbedarf. Bildrechte: picture alliance / dpa Themendienst | Monique Wuestenhagen

Nichtsdestotrotz bilanziert das Forschungsteam, dass ihre Studie deutlich zeige, dass es keine Einheitslösungen für die Empfehlungen bei der Trinkmenge gibt. Für die zwei-Liter-Regel gebe es jedenfalls keine Belege. Diese Menge könne für viele Menschen in Mitteleuropa sogar zu viel sein. Vielmehr sollten auch Faktoren aus Umwelt- und Lebensstil zu den körperlichen hinzugezogen werden, um entsprechende Empfehlungen regional passend zu berechnen, empfehlen die Forschenden.

Link zur Studie

Yamada, Yosuke et. al.: Variation in human water turnover associated with environmental and lifestyle factors. In: Science. Vol. 378, Issue 6622. 24.11.2022. https://doi.org/10.1126/science.abm8668.

(kie)
Der Artikel erschien erstmals im Juni 2023 zur Veröffentlichung der Studie.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 01. August 2024 | 09:48 Uhr

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