Madlenka Scholze vom Deutsch-Sorbischen Volkstheater Bautzen
Madlenka Scholze vom Theater Bautzen berichtet, wie die sorbische Sprache im Rahmen des "phōnē"-Projekts gestärkt werden soll. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Intenationale Konferenz Bautzen: Wie das Deutsch-Sorbische Volkstheater Minderheiten eine Stimme geben will

29. Juni 2023, 12:28 Uhr

Vom 29. Juni bis zum 3. Juli 2023 findet am Deutsch-Sorbischen Volkstheater Bautzen im Rahmen des internationalen Projekts "phōnē" eine Konferenz statt, die sich mit der Sprache von Minderheiten beschäftigt. Erwartet werden europäische und indigene Theater aus Hawaii, Kanada, Polen oder Schweden. Warum das langjährige Projekt für die sorbische Sprache und das Minderheitentheater in Bautzen und der Lausitz so wichtig ist, erzählt Madlenka Scholze, Dramaturgin und Stellvertreterin des Intendanten.

MDR KULTUR: Das Projekt "phōnē" gibt es seit einem Jahr. Was ist denn am Theater Bautzen in diesem Rahmen bis jetzt passiert?

Madlenka Scholze: So wie an anderen beteiligten Theater an "phōnē" wurden jeweils eine Autorin oder ein Autor gesucht, die ein Stück für das Theater schreiben, das haben wir auch gemacht. Wir werden im kommenden Winter, im Februar, eine Uraufführung auf unserer Hauptbühne haben, die im Zuge dieses Projekts entstanden ist. Lubina Hajduk-Veljković, bekannt bei uns im Theater als Übersetzerin und Autorin kleinerer Stücke, schreibt gerade das große Stück für die große Bühne.

Worum geht es in dem Stück?

Es geht um eine jugendliche Band. Es war die einzige Beat-Band der Sorben, die sich damals als 16-, 17-Jährige gegründet und orientiert haben an den Roten Gitarren aus Polen, man könnte auch sagen: Es waren die Beatles der Sorben. Es ist eine kurze sorbische Musikgeschichte, das Stück spielt Ende der 60er-Jahre, in der Lausitz, zwischen Ost und West.

Der Prager Frühling spielt eine Rolle: Wie gehen junge Menschen damit um, dass sie nach Polen reisen dürfen und sich dort Musikkultur und alles Mögliche anschauen können und davon zehren und im Gegensatz dazu im eigenen Land Restriktionen erfahren bzw. es für diese Jugendlichen in dieser Zeit sich eigenartig gestaltet hat.

Das versuchen wir abzubilden, ein Stück sorbischer Geschichte, aber im großen Zusammenspiel zwischen Ost und West und was passierte damals in der Lausitz.

Hören Sie hier das Gespräch mit Madlenka Scholze in voller Länge

Radwor swójbne popołdnjo - Madlenka Šołćic 8 min
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MDR KULTUR - Das Radio Di 27.06.2023 18:00Uhr 07:51 min

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Radwor swójbne popołdnjo - Madlenka Šołćic 7 min
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Was machen eigentlich Leute, die kein Sorbisch können?

Da sind wir seit Jahren trainiert. Wir bieten solche Stücke immer mit Simultanübersetzung ins Deutsch an. Und wenn es sich wie hierbei um Musik handelt, wird natürlich Originalmusik der Band von damals gespielt, also die Hits der Jugendlichen, die damals inspirierend gewirkt haben. Insofern ist Musik eigentlich der Träger, um Geschichte zu vermitteln.

Alles andere wird dann per Kopfhörer übersetzt. Das funktioniert. Es wird sicher ein mehrsprachiges Stück werden, also Sorbisch und Deutsch, weil es gibt ja dann den deutschen Staatsapparat, die DDR damals, und da ist es nicht wegzudenken, dass ein Offizier jemanden in die Mangel nimmt und der wird das natürlich auf Deutsch machen.

Das Projekt "phōnē" geht noch ein paar Jahre, was erwarten Sie sich für Ihr Haus?

Ich erwarte mir für unsere Region genauso wie die anderen Länder, die beteiligt sind, die Aufmerksamkeit auf diese Minderheitensprachen, Minderheitenkulturen, auf diese Indigenen Sprachen, das darf man nicht vergessen. Es geht ja nicht nur darum, dass man etwas als Minderheit betitelt, sondern eben auch als indigen, als Ureinwohner sozusagen. Da verspreche ich mir, dass es gelingt, den Fokus auf diese Kulturen zu lenken, dass sie nicht mehr randständig sind, sondern einmal im Mittelpunkt stehen können.

Das wünsche ich mir dann für Bautzen, dass gesehen wird: [...] Wir sind nicht allein. Jeder zwölfte, dreizehnte Europäer ist ein Träger einer Minderheiten-Kultur.

Madlenka Scholze, Dramaturgin

Und dieses "phōnē"-Projekt sieht auch vor, dass wir uns gegenseitig austauschen, es sollen die Stücke dann auch in die anderen Minderheitensprachen übersetzt und dann wiederum eingeladen werden, um dort präsentiert zu werden. Das wünsche ich mir dann für Bautzen, dass gesehen wird: Okay, wir haben hier die Sorben, aber jetzt kommen die Galizier z. B., und die erzählen ihre Geschichten so. Dass man dadurch zeigen kann: Wir sind nicht allein. Jeder zwölfte, dreizehnte Europäer ist ein Träger einer Minderheiten-Kultur.

Was können denn Besucher*innen an Minderheitensprachen an Ihrem Haus sehen?

Zur Konferenz wird es so sein, dass wir ein großes Eröffnungsprogramm machen, am Freitag um 10 Uhr auf der Hauptbühne, wo sich 14 Teilnehmer der Konferenz in einem theatralen Programm präsentieren werden. Die Sprachen kommen zum Klingen. Ob gesanglich oder durch einen Monolog oder wie auch immer – das Augenmerk liegt darauf: einfach mal genießen und zuhören, weil Theater ist nicht nur die Vermittlung von Sprache.

Die Sprachen kommen zum Klingen. Ob gesanglich oder durch einen Monolog oder wie auch immer – das Augenmerk liegt darauf: einfach mal genießen und zuhören [...] Darum geht es ja auch: Minderheiten eine Stimme geben.

Madlenka Scholze, Dramaturgin

Theater hat auch eine ganz andere Kommunikationsmöglichkeit, es ist auch nonverbal möglich. Wie klingt eine Sprache? Das wird das spannende Moment sein. Man hört sich die englischen Lieder im Radio an und summt die mit, hat da so ein paar Reizwörter, die man versteht und dann muss man mal locker lassen und wirken lassen. Darum geht es ja auch: Minderheiten eine Stimme geben. Das soll der Auftakt sein, dass man das erfahren kann, wirklich hören kann, dass es haptisch wird, erlebbar wird.

Und dann, wenn es darum geht, dass wir im Februar unsere Uraufführung haben, dann soll drum herum ein kleines Festival initialisiert werden, wo man zwei andere Gasttheater erlebt – wie, das ist noch künstlerisch offen.

Eröffnung des Thespis-Theaterzentrums in Bautzen
Am Thespis-Zentrum in Bautzen entsteht im Rahmen von "phōnē" ein Stück über kurdische und ukrainische Jugendliche. Bildrechte: MDR/Viola Simank

Und es gibt in diesem "phōnē"-Projekt natürlich auch die Bürgerbühne. Jedes Theater, das beteiligt ist von diesen acht, hat eine Inszenierung, die mittels einer Bürgerbühne entsteht. Das macht bei uns in Bautzen das Thespis-Zentrum, und die werden eine mehrsprachige Inszenierung erarbeiten, die auch ungefähr im März Premiere haben wird, wo sorbische mit kurdischen und ukrainischen Jugendlichen sich über Themen wie Ich und meine Identität und wie wichtig ist meine Sprache oder nicht austauschen werden.

Das Gespräch führte Julia Hemmerling für MDR KULTUR.
Redaktionelle Bearbeitung: Judith Burger

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Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 27. Juni 2023 | 18:05 Uhr