MDRfragt Wie Menschen in Mitteldeutschland Altersdiskriminierung erleben

15. Februar 2023, 05:00 Uhr

Eine Umfrage des MDR zeigt: Ein Großteil der Befragten hat sich bereits aufgrund ihres Alters diskriminiert gefühlt. Doch welche konkreten Erlebnisse bei der Altersdiskriminierung haben die Menschen in Mitteldeutschland? MDR AKTUELL hat nach den Erfahrungen und Hintergründen gefragt – mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

Diskriminierung wegen des eigenen Alters? Das haben laut einer Umfrage von MDR fragt die meisten schon persönlich erlebt. Vor allem ältere Menschen fühlen sich aufgrund ihres Alters nicht gewertschätzt. Doch auch junge Menschen beklagen, dass sie nicht ernst genommen werden.

Ausgangspunkt der Befragung war eine Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. "Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass Klischees und Stereotype über ältere Menschen fest verwurzelt sind. Und dass es bei Themen wie politischer Beteiligung und Klimaschutz großes Spannungspotenzial zwischen den Generationen gibt", sagt die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman.

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Knapp zwei Drittel wegen Alters überschätzt

Bei der Befragung von MDRfragt haben 25.000 Menschen aus Mitteldeutschland aus verschiedenen Altersschichten teilgenommen. Das Ergebnis: Knapp zwei Drittel gaben an, in den vergangenen zwei Jahren trotz ihres Alters in ihrer Leistungsfähigkeit überschätzt oder zu sehr belastet worden zu sein. Sechs von zehn wurden nach eigenen Angaben zudem aus Altersgründen ignoriert oder nicht ernst genommen.

Diagramm: Altersdiskriminierung ist großes Problem
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Auch hat rund die Hälfte angegeben, wegen ihres Alters herablassend behandelt worden zu sein. Und: Knapp zwei Drittel der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben, würden es sich wünschen, dass die Ungleichbehandlung aufgrund des Alters im Grundgesetz verboten wird.

Jüngere Leute wurden bei Jobs bevorzugt

Wie kommen diese Aussagen zu Stande? MDR AKTUELL hat einige Teilnehmende nach ihren Erlebnissen gefragt. Iris Behrend (60) ist Krankenschwester aus dem Unstrut-Hainich-Kreis in Thüringen. "Ja ich habe schon Altersdiskriminierung erfahren. Indem jüngere Leute für den Job bevorzugt wurden. Mir wurde schon gesagt, dass ich zu alt wäre. Man ist dann schon ein bisschen deprimiert, aber was soll man machen?", sagt sie. Iris Behrend ist zwar schon in Rente, arbeitet aber noch auf 450 Euro Basis als Krankenschwester. "Jüngere werden eher herangezogen bei Aufgaben als die Älteren." Im privaten Bereich hat sie das Gefühl, dass der Respekt gegenüber der älteren Generation nachlässt.

Kersten Krtschl (62) ist Service-Techniker im Außendienst. "Das erlebt man eigentlich jeden Tag, egal wo. Es gibt keinen Respekt mehr vor dem Alter so wie früher", sagt der Chemnitzer. "Dass man zum Beispiel im Bus den Platz anbietet oder mal die Einkaufstüten trägt. Im beruflichen Feld baut man auf uns Alte. Schwere körperliche Arbeit will die Jugend nicht. Mich bedrückt die Situation, aber es wird nichts unternommen."

Ältere Menschen als geistig schwach dargestellt

Angelika Hartung (69) ist Rentnerin und wohnt in Suhl. Nebenbei arbeitet sie noch als Service-Mitarbeiterin in einer Wohnungsgenossenschaft. "Ich ärgere mich, dass ältere Menschen oft als geistig schwach dargestellt werden. Man ist ja trotzdem noch fit." Sie fügt hinzu, dass ältere Menschen oft als nicht fahrtauglich hingestellt werden. Bei den Verkehrsunfällen, die sie bisher erlebte, sei es jedoch nie ihre Schuld gewesen. Einmal sei ihr beispielsweise ein junger Mann aufgefahren.

Auch im Krankenhaus hatte sie schon das Gefühl, dass sie nicht ernst genommen wird. Das Verhältnis zwischen jung und alt beschreibt Angelika Hartung als verbesserungswürdig.

Jung und Alt müssten mehr miteinander reden. Das fehlt in unserer Gesellschaft, das miteinander reden.

Angelika Hartung Rentnerin

"Dann parke ich lieber woanders"

Der 75-jährige Karsten Kilthau aus Magdeburg erklärt, dass das Problem bereits bei der komplizierten Bedienung von Automaten beginne. Und auch im Supermarkt geht es weiter. "Viele bezahlen mit dem Handy an der Kasse. Bei der Bank wollte ich wissen, wie das geht, aber niemand konnte es mir verständlich erklären. Wie funktioniert das Bezahlen eines Parkplatzes mit dem Handy? Das ist schwierig, das herauszufinden. Dann parke ich lieber woanders und laufe länger."

Doch auch die junge Generation kennt das Problem Altersdiskriminierung, wie die Umfrage zeigt. So ist die Hälfte der 16- bis 29-Jährigen der Ansicht, dass junge Menschen in Deutschland stark von Altersdiskriminierung betroffen sind.

Junge Menschen ohne Lebenserfahrung?

"Definitiv", sagt Marvin Gröning (27) aus Halle. "Es kommt oft vor, dass mir gesagt wird, du hast noch nicht die Lebenserfahrung. Du hast sowas nicht miterlebt, du kannst dazu nichts sagen." Es gebe viele in der jungen Generation, die sich Sorgen um die Umwelt machen und das Gefühl hätten, nicht ernst genommen zu werden.

Zum angeblich fehlenden Respekt der jüngeren Generation hat Marvin Gröning eine klare Meinung: "Die Jüngeren sagen nun: Mir ist egal, wie alt jemand ist. Er muss sich den Respekt verdienen. Diese Ehrfurcht vor der älteren Generation ist weg." In der Politik habe die ältere Generation einen deutlich größeren Einfluss. Das liege aber auch an der geringen Wahlbeteiligung der jüngeren Generation.

Alt und Jung kommen gut zu recht

Emily M. ist 27 Jahre alt und arbeitet als Sozialpädagogin in Leipzig. "Ich habe manchmal das Gefühl, mir werden Dinge abgesprochen, die ich angeblich nicht kann. Zum Beispiel bei meinem Umzug wird mir gesagt, ich kann die Möbel nicht alleine aufbauen, das könne mein Freund machen."

In ihrem Job ist sie die Jüngste und damit die IT-Verantwortliche. "Wenn es etwas gibt, werde ich gefragt, weil ich die Jüngste bin. Ich stecke das weg, aber ich kriege auch immer mehr Aufgaben." Das Verhältnis von der jüngeren zur älteren Bevölkerung empfindet Emily M. als gut. "Wir kommen gut zu recht. Es funktioniert ja."

MDR AKTUELL (yvo)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt ist! | 13. Februar 2023 | 22:10 Uhr

8 Kommentare

Der Pegauer am 16.02.2023

Mit ist es schon mehrfach in der Straßenbahn vorgekommen, dass junge Leute von ihrem Sitz aufsprangen und mir ihren Platz angeboten haben. Weil ich vielleicht „alt“ aussah. Habe dankend abgelehnt. Erstens, weil es mir nichts ausmacht, eine Weile zu stehen, zweitens, weil man immer noch einen freien Platz in den großen, langen Straßenbahnfahrzeugen findet und drittens hat jeder einen Grund einen Sitzplatz zu benutzen. Vielleicht ist die Diskussion etwas verengt, aber ich komme mit wildfremden jungen Leuten oft ins Gespräch und bin erstaunt, wenn ich auf meine Fragen meistens höfliche Antworten bekomme.

goffman am 15.02.2023

Die Diskriminierung Älterer im Berufsleben habe ich persönlich noch nicht erlebt und auch noch nicht beobachtet. Ich habe immer mal gehört, Ältere fänden schwerer neue Stellen und erhielten weniger Fortbildungen. Wenn dem so ist, dann ist es in der Regel aber die ältere Generation, die die ältere diskriminiert, da die Chefetagen meist von älteren Menschen besetzt sind.

Demgegenüber haben die Älteren den Jüngeren die Generationengerechtigkeit aufgekündigt. Rente, Artensterben, Klimakatastrophe, Atom-Müll, Ressourcenverbrauch: die jüngere Generation hat viel schlechtere Aussichten.

Gleichzeitig sehe ich nicht, dass die ältere Generation die eingeforderten Werte vorlebt.
Von daher habe ich Verständnis für die Aussage, die Ehrfurcht vor dem Alter sei weg. Wobei ich es nicht auf den Umgang mit alten Menschen beziehen würde. Für meine Mutter steht die Jugend im Bus immer noch auf. Allerdings grüßt sie auch noch, wenn sie in den Bus einsteigt.

ElBuffo am 15.02.2023

Ich kann auch von Risikogrüpplern erzählen, die in den Läden Eltern mit ihren Kindern angepöbelt haben, ob das denn sein müsse, dass sie ausgerechnet jetzt einkaufen müssen, wenn sich gerade die Hochrisikogruppe zum zweiten Einkaufsbummek trifft. Da kam keiner auf die Idee einkaufen zu gehen, wenn die arbeitende Bevölkerung arbeiten war. Nö, da musste sich in dickste Gefwühl geworfen und herumgemeckert werden, weil man vielleicht stürbe, wenn man Kindern oder jungen Menschen zu nahe kommt. Wie die dann wiederum von den Geronten denken, kann man sich lebhaft vorstellen.

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