Kreislaufwirtschaft Biomüll-Sammlung in vielen Landkreisen noch ausbaufähig

27. September 2023, 23:16 Uhr

Aus Bioabfällen lässt sich neben Komposterde auch Biogas gewinnen. Das Potenzial wird aber vielerorts noch nicht genutzt – auch wegen fehlender Mülltrennung. Der NABU fordert, einige Landkreise müssten bei der Infrastruktur deutlich nachbessern. In Thüringen und Sachsen-Anhalt erhöhen die zuständigen Landesverwaltungsämter den Druck auf die Landkreise.

MDR AKTUELL Mitarbeiterin Rebecca Nordin Mencke
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Auf dem Wertstoffhof Halberstadt herrscht reger Betrieb. Neben Sperrmüll und Elektroschrott können Anwohnerinnen und Anwohner hier auch Grünschnitt und Bioabfälle entsorgen. Mehrere Container stehen nebeneinander. Im Einbahnstraßenprinzip können die Menschen ihre Autos oberhalb davon parken und die Abfälle bequem über eine Brüstung in die Container entladen – kostenlos. Insgesamt neun solcher Sammelstellen gibt es im Landkreis Harz, je nach Jahreszeit noch fünf weitere, erklärt Ingo Ziemann, Vorstand der Entsorgungswirtschaft Harz.

"Wir haben hier ein sehr enges Netz, die Menschen sind sehr zufrieden", betont Ziemann. Auf der anderen Seite müsse man bedenken, dass der Landkreis Harz sehr viel Fläche habe – und einen Anteil von Eigenkompostierung von 60 Prozent. "Deswegen ist die Biotonne für uns in der Vergangenheit nicht zwingend notwendig gewesen." Das letzte Wort sei darüber aber nicht gesprochen.

Wie gute Mülltrennung das Klima schützt

In Sachsen-Anhalt ist der Harz der einzige Landkreis, in dem der sogenannte Anschlussgrad an die Biotonne bei null Prozent liegt. Umweltschützern wie dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) sind fehlende und niedrige Anschlussquoten an die Biotonne ein Dorn im Auge.

Michael Jedelhauser, Nabu-Referent für Kreislaufwirtschaft, verweist auf die gesetzliche Pflicht zur getrennten Sammlung von Bioabfällen. Zentrale Sammelstationen seien zwar besser als gar keine Infrastruktur zur Mülltrennung, aber auch "wahnsinnig unpraktisch". Wo keine Biotonne stehe, werde deutlich weniger Bioabfall getrennt gesammelt. "Das führt am Ende zu einer erheblichen Ressourcenverschwendung", sagt Jedelhauser. Wenn Bioabfälle in einer reinen Müllverbrennungsanlage landeten, gehe das zulasten von Umwelt und Klima.

Wir reden über hochkalorische Abfälle, die gehören in Biogasanlagen.

Henry Forster Präsident des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V.

Etwa 40 Prozent des deutschlandweiten Restmülls besteht tatsächlich aus Bioabfällen – aus denen ließe sich neben Komposterde auch Biogas und grüner Strom gewinnen. Das wäre ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft, erklärt Jedelhauser.

Auch Henry Forster, Präsident des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. findet deutliche Worte mit Blick auf Landkreise, die gar nicht an die Biotonne angeschlossen sind: "Ich sehe das als Rechtsbruch", sagt er. "Wir reden ja nicht über das Salatblatt, sondern wir reden über hochkalorische Abfälle, die gehören in Biogasanlagen."

Thüringen: Mehrere Landkreise verstoßen gegen Getrenntsammlungspflicht

In Thüringen hat das zuständige Landesverwaltungsamt aktuell mehrere Landkreise im Visier. Dabei betont die Behörde, die Getrenntsammlungspflicht führe "nicht automatisch zu der Auflage, die Sammlung mittels Biotonne durchzuführen".

Die Getrenntsammlungspflicht führt nicht automatisch zu der Auflage, die Sammlung mittels Biotonnen durchzuführen.

Thüringer Landesverwaltungsamt

Nach Einschätzung des Landesverwaltungsamtes verstoßen derzeit dennoch sechs Landkreise gegen die Getrenntsammlungspflicht.

Zwei Beanstandungsbescheide gegen den Landkreis Weimarer Land und den Saale-Holzland-Kreis würden derzeit gerichtlich überprüft. Eine weitere mögliche Beanstandung sei in interner Prüfung. Einige Landkreise sind aber bereits dabei nachzuschärfen: Im Landkreis Schmalkalden-Meiningen soll ab 2025 die Biotonne eingeführt werden, der Zweckverband Abfallwirtschaft Saale-Orla, der auch für Saalfeld-Rudolstadt zuständig ist, plant ab 2026 ein kombiniertes Hol- und Bringsystem – also Biotonnen vor der Tür und zentrale Annahmestellen.

Warum sich Kommunen gegen die Biotonne stellen

Landkreise mit dem sogenannten Bringsystem betonen, damit gute Erfahrungen zu machen. Die gesammelten Mengen an Bioabfällen stiegen kontinuierlich, heißt es etwa aus dem Eichsfeld und dem Landkreis Nordsachsen. Häufig genannte Argumente gegen die Biotonne: Der hohe Anteil an Eigenkompostierung in ländlichen Gebieten und die langen Strecken, die Fahrzeuge für das Einsammeln der Biotonnen zurücklegen müssten – verbunden mit dem jeweiligen Kraftstoffverbrauch. Im Saale-Holzland-Kreis seien das etwa 4.000 Kilometer je Tour und ein Verbrauch von etwa 2.300 Liter Dieselkraftstoff, erklärt der dortige Werksleiter des Dienstleistungsbetriebs, Ingo Kunze.

In Halberstadt verweist Ingo Ziemann zudem auf die sehr gute Qualität der Abfälle, die die Anwohner zum Wertstoffhof brächten. In Biotonnen landeten dagegen häufiger Plastik und andere Abfälle, die nicht hineingehören – und dafür sorgen könnten, dass alles letztlich als Restmüll entsorgt werden müsse.

Landesverwaltungsamt sieht im Harz Nachbesserungsbedarf

Auch in Sachsen-Anhalt ringen das Landesverwaltungsamt und der Landkreis Harz weiter um die besten Lösungen bei der Sammlung von Bioabfällen. Das Landesverwaltungsamt erklärt, die Abfallentsorgungssatzung des Landkreises Harz sei "bereits mehrfach geprüft und eine Umsetzung angemahnt" worden. Inzwischen liege eine Konzeption zur Einführung der Getrenntsammlung der Bioabfälle vor, "erste Schritte bei der Umsetzung sind getan".

Das Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt sieht ebenfalls landesweit Entwicklungen in die richtige Richtung. Sachsen-Anhalt sei im Vergleich der Bundesländer bei der Getrenntsammlung regelmäßig auf einem der vorderen Plätze, "unter den ostdeutschen Ländern sind wir seit längerem führend". Fast jedes Jahre steige die von den Landkreisen und kreisfreien Städten getrennt gesammelte Pro-Kopf-Menge weiter an.

Entsorgungswirtschaftler Ziemann will die Diskussion nicht allein auf die Biotonne reduzieren, sondern fordert, sich auf die Ergebnisse zu konzentrieren. Die Biotonne könne sich in einem flächenmäßig großen Landkreis unter Umständen auch ökologisch nachteilig auswirken, fürchtet er. Wenn etwa in zehn Kilometern nur zwei Tonnen mit Biomaterial stünden, lohne es sich nicht, dafür Lkws über das Land fahren zu lassen. "Ich spreche da auch immer von ökologischer Effizienz, die man dabei im Auge behalten muss", sagt Ziemann.

Was die Trennung von Grünschnitt und Küchenabfällen bedeutet

Dennoch sieht er auch noch Potenziale bei der Sammlung von Bioabfällen im Harz und verweist auf eine kürzlich durchgeführte Hausmüllanalyse: "Wir rechnen damit, dass wir circa noch 13 Kilo pro Einwohner und Jahr erfassen könnten." Um ökologisch und ökonomisch sinnvoll vorzugehen, seien etwa Bioabfallbehälter in Gebieten mit konzentrierter Wohnbebauung denkbar.

Auf dem Wertstoffhof in Halberstadt landen derzeit noch Grünschnitt und Küchenabfälle in denselben Containern und werden ausschließlich zur Kompostierung weiterverwertet – obwohl sich gerade Küchenabfälle eignen, um durch Vergärung noch zusätzlich Biogas und grünen Strom zu gewinnen. Ziemann erklärt, man denke aktuell darüber nach, diese Abfälle nochmal zu trennen. So habe er kürzlich eine Vergärungsanlage besucht. In den nächsten Monaten solle genauer geprüft werden, welche Möglichkeiten es im Harz gibt, Biogas zu gewinnen. Rechtlich verbindlich ist diese Nutzung von Bioabfällen bisher aber nicht.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 27. September 2023 | 21:45 Uhr

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