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Arbeiterinnen nähen im VEB (Volkseigener Betrieb) Polstermöbel Rabenau, Betrieb im Möbelkombinat Dresden, Bezüge über Sitzgruppenteile, aufgenommen 1980. 4 min
Audio: Die DDR lieferte viele Möbel in den Westen, auch unter Mithilfe von politischen Gefangenen. Hier im Bild: Arbeiterinnen des VEB Polstermöbel Rabenau. Bildrechte: IMAGO / Ulrich Hässler

Entschädigungen Härtefallfonds für DDR-Zwangsarbeiter: Ikea bleibt die Ausnahme

01. November 2024, 12:17 Uhr

Ikea steht offen zu einem dunklen Kapitel seiner Unternehmensgeschichte: Der Möbelkonzern importierte Produkte aus der DDR – gefertigt auch von politischen Häftlingen in Gefängnissen. Die offizielle Entschuldigung dafür untermauert Ikea jetzt mit sechs Millionen Euro für einen Härtefallfonds. Das Unternehmen erntet viel Lob dafür. Opfer der SED-Diktatur hoffen, dass sich jetzt auch andere Firmen bewegen.

Britta Veltzke
Bildrechte: MDR / Isabel Gruhle

"Zwangsarbeit in DDR-Gefängnissen: Ikea zahlt sechs Millionen" – mit dieser Schlagzeile, die diese Woche veröffentlicht wurde, verbindet Dirk Meinert ganz persönliche Erinnerungen: "Die Arbeitsbedingungen waren so, dass morgens mit einem Lautsprecher geweckt wurde, mit einer penetranten Musik in den Hafträumen und man dann aufstehen musste. Relativ früh, so um fünf Uhr." Dann ging es zur MeWa, dem Volkseigenen Betrieb Metallwaren Naumburg – ein Hauptzulieferbetrieb für Möbelbeschläge von Ikea. "Ich habe einen Galvanikautomaten gefahren, der Kleinteile für Ikea bearbeitet hat, also vernickelt und verzinkt", erzählt Meinert.

An anderen Orten fertigten Gefangene ganze Möbel, Kerzen oder Lampen, so wie in Waldheim, Döbeln, Stendal, Halle oder Ebersbach – für einen minimalen Lohn. Meinert, 65 Jahre alt und aus Berlin, saß damals wegen versuchter Republikflucht ein. Nach der Wende gehörte er zu denen, die vor inzwischen mehr als zehn Jahren den Kontakt zu Ikea gesucht haben. Die Nachricht, dass der Möbelkonzern nun Geld für einen Opferfonds zusagt – der im Übrigen noch gar nicht eingerichtet ist – freut ihn sehr. "Auf der anderen Seite ist das jetzt über 40 Jahre her und man kann sich überlegen, wie viele Menschen davon überhaupt noch am Leben sind." Aber es sei ein Anstoß in die richtige Richtung.

Andere Unternehmen schweigen

Dieter Dombrowski
Dieter Dombrowski, Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft Bildrechte: IMAGO / Metodi Popow

Dieter Dombrowski von der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft hofft, dass durch die Zusage von Ikea jetzt auch der Druck auf andere Unternehmen wächst, die dank der Arbeitskraft politischer Häftlinge in der DDR Profite gemacht haben: Aldi etwa oder der Versandhandel Otto. Dombrowski selbst hat als politischer Häftling in der DDR Gehäuse für einen Fotoapparat gefertigt. Nachdem er vom Westen freigekauft wurde, fand er die Kamera im Otto-Katalog wieder.

Als die Fakten dann da lagen – danach ist keiner mehr ans Telefon gegangen.

Dieter Dombrowski Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft

Belege für diesen Teil der deutsch-deutschen Wirtschaftsbeziehung führt eine Studie der Humboldt-Universität aus dem vergangenen Jahr an. Trotzdem bleibe Ikea bislang die rühmliche Ausnahme. Im Gegensatz zu den anderen Unternehmen: "Die schweigen sich aus. Als die Fakten dann da lagen – danach ist keiner mehr ans Telefon gegangen."

Ziehen andere Unternehmen jetzt nach? Auf eine Anfrage von MDR Aktuell antworten Aldi Nord und Aldi Süd gemeinsam per E-Mail: "Mit der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft waren beide Unternehmen im Austausch. Aufgrund des großen zeitlichen Abstands ist es den Unternehmen allerdings nicht möglich, einen weiteren Beitrag zur Aufarbeitung zu leisten."

Dombrowskis Reaktion – programmiert: "Völlig unverständlich eigentlich. Wir geben natürlich keine Ruhe."

Opferbeauftragte appelliert

Evelyn Zupke, Die SED-Opferbeauftragte beim Deutschen Bundestag
Evelyn Zupke, Die SED-Opferbeauftragte beim Deutschen Bundestag Bildrechte: picture alliance / Metodi Popow | M. Popow

Die SED-Opferbeauftragte des Bundestags, Evelyn Zupke, appelliert ausdrücklich an die Unternehmen: "Lasst uns miteinander sprechen. Setzt euch mit den Betroffenen an einen Tisch. (…) Es ist einfach der Punkt, dass Firmen, die damals eben diesen Handel betrieben haben, einfach heute sich auch dieser Verantwortung stellen sollten (…). Gerade auch Firmen, die heute Preise dafür bekommen, dass sie eben Lieferkettengesetze einhalten und dergleichen." Die positiven Reaktionen, die Ikea jetzt erhalten habe, zeigten, dass man vor diesem Schritt keine Angst haben müsse.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL - das Nachrichtenradio | 01. November 2024 | 06:09 Uhr

4 Kommentare

von Manger vor 5 Wochen

Bei allem Verständnis ist hier mehr Differenzierung angebracht. Die westlichen Unternehmen haben zu dieser Zeit in einem Land, das ein derartiges Interesse an stabilen Devisen hatte, Handelsabkommen getroffen.

Genau jene Vertreter dieses sozialistischen Bauern- und Arbeiterstaates haben stets suggeriert, wie toll doch alles ist. Für diesen Trugschluss und den Verstoß gegen Treu und Glaube sollen Unternehmen heuten noch bezahlen. Warum?

IKEA heute zu "feiern", halte ich aufgrund der fraglichen politischen Haltung des Gründers von IKEA, ebenfalls für mehr als Zweifelhaft.

kleinerfrontkaempfer vor 5 Wochen

In den Hafteinrichtungen der DDR gab es Arbeitspflicht. Das sollten Berichterstatter und Experten auch erwähnen.
Die Zahlung kann sich Ikea locker leisten und ist damit fein raus. Prekärer wird es bei den sogenannten Privileg-Erzeugnissen für das abhanden gekommene Quelle Imperium. Oder Neckermann. Wer springt da ein!?

Pattel vor 4 Wochen

@kleinfrontkaempfer das ist nicht ganz richtig ,alle Gefangene kamen nicht in Arbeitskommandos.

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