
Reform der Straßenverkehrsordnung Kommunen prüfen Ausweitung von Tempo-30-Zonen
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06. Januar 2025, 08:16 Uhr
Mit der Reform der Straßenverkehrsordnung ist es nun einfacher für Kommunen und Städte Tempo-30-Zonen einzurichten – das stört viele Handwerksbetriebe und Zustelldienste. Der Leipziger Beigeordnete für Stadtentwicklung und Bau bittet um Verständnis. Auf lange Sicht müsse es sowieso eine Umverteilung des Raumes zugunsten von Fuß- und Radverkehr sowie dem ÖPNV geben.
- Die Einrichtung von mehr Tempo-30-Zonen sorgt Befürwortern zufolge für einen besseren Verkehrsfluss und mehr Lebensqualität.
- Paketzusteller, Handwerker und Co beklagen immer mehr Einschränkungen bei der Anfahrt.
- Der Grünen-Politiker Dienberg sieht die Grundfrage jedoch in einer Neuordnung des Raumes für Straßen, Bürgersteige und Fahrradwege.
Thomas Dienberg ist Leipzigs Beigeordneter für Stadtentwicklung und Bau. Wenn er aus seinem Bürofenster im Rathaus schaut, sieht er lange Autokolonnen. Er sagt: "Ich habe eine Situation unmittelbar vor der Haustür, die stellt mich nicht zufrieden. In der Spitzenstunde am Nachmittag, wenn die alle nach Hause wollen, dann haben wir da ganz klar einen Rückstau."
Mehr Tempo 30 für einen besseren Verkehrsfluss
Deshalb denkt der Grünen-Politiker darüber nach, wie es besser gehen könnte. Bei den Tempo-30-Zonen sieht er Potential und beschreibt eine typische Beschilderung: "Tempo 30. Und dann kommt wieder ein Abschnitt mit Tempo 50. Dann kommt das nächste Altenheim, da ist wieder Tempo 30." Dienberg fragt, wieso man nicht sinnigerweise an solchen Stellen durchgängig Tempo 30 vorschreibe.
Genau das soll mit den neuen Straßenverkehrsregeln jetzt möglich sein. Das führe nicht nur zu mehr Verkehrssicherheit vor Altenheimen oder Schulen, erklärt Miriam Dross vom Umweltbundesamt. Sie ist Fachgebietsleiterin "Nachhaltige Mobilität in Stadt und Land" und verweist auf entsprechende Studien. Tempo 30 sorge auch für einen besseren Verkehrsfluss: "Das hat den Vorteil, dass man damit nicht so ein häufiges Abbremsen und Anfahren hat, wie das vorher der Fall war; sondern auf längeren Abschnitten Tempo 30 gefahren werden kann."
Befürworter loben mehr Lebensqualität
Mit der Reform der Straßenverkehrsordnung haben die Kommunen jetzt mehr Freiheiten. Sie können leichter Tempo-30-Zonen ausweisen oder Straßen für den Autoverkehr sperren. Auch bei Fußgängerüberwegen und Busspuren haben sie größere Spielräume. Und die würden jetzt ausgelotet, erklärt der Innenpolitiker Rüdiger Erben. Er ist parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt: "Ich kenne allein in meinem Heimatlandkreis im Burgenlandkreis und in meiner Heimatstadt Weißenfels eine ganze Reihe von konkreten Streckenabschnitten, wo die Kommunen daran arbeiten."
Erben sagt, er selbst habe das Glück, in einem geschwindigkeitsbeschränkten Bereich zu wohnen. Dort habe er zwar keine Verkehrslärm-Messungen durchgeführt und keine Berechnung, aber er habe die Situation dennoch auf sich wirken lassen: "Und da merke ich, dass das eine deutliche Erhöhung der Lebensqualität für mich und meine Familie gewesen ist."
Berufe mit vielen Anfahrtswegen leiden unter Einschränkungen
Eine andere Sicht haben Pflegedienste, Paketzusteller oder Handwerker. Sie haben eher das Gefühl, in Tempo-30-Zonen wertvolle Zeit zu verlieren auf dem Weg zum Patienten oder Kunden. Der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Leipzig, Volker Lux, verweist zudem auf die angespannte Parkplatzsituation. "Wir haben viele Handwerker, die im Stadtgebiet unterwegs sind, und die mittlerweile einzelne Wohnquartiere meiden." Außerdem, sagt Lux, spiegelten ihm manche Mitgliedsbetriebe, dass diese, insbesondere in der Stadt Leipzig, gewisse Verkehrsmaßnahmen und -einschränkungen oftmals als demütigend und herabwürdigend empfänden, "weil ihre Bedürfnisse oft auf der Strecke bleiben."
Stadtplaner Thomas Dienberg weiß um die Kritik. Doch er wirbt um Verständnis und entgegnet, dass es bei der Verkehrsplanung längst um viel größere Fragen gehe: "Es wird komplizierter für alle Beteiligten. Aber ich glaube, es führt kein Weg daran vorbei, die Frage, die diesem Konflikt zugrunde liegt, zu lösen. Nämlich diesen endlichen Raum zwischen Hauswand und Hauswand an einigen Stellen neu zu organisieren." Dienberg sagt auch, an manchen Stellen müsse dieser Raum neu verteilt werden. Das gehöre auch zur Ehrlichkeit dazu. Das beinhalte auch eine Umverteilung der Fläche vom KfZ-Verkehr zu den Verkehrsarten Zufußgehen, Radfahren und ÖPNV.
Vielleicht auch deshalb ist er Vorsitzender einer Initiative, in der sich bereits mehr als 1.100 Kommunen zusammengeschlossen haben. Sie nennt sich "Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeit" und hat ihren Sitz in Leipzig.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 04. Januar 2025 | 06:09 Uhr
radograph vor 8 Wochen
Ihre Beuhauptung, es gäbe am Hauptstraßennetz keine sozialen Einrichtungen ist falsch, regelrecht absurd. Beispiele gefällig? T30 wurde gerade erweitert in der Kommandant-Prendel-Allee in Leipzig-Stötteritz: Schule, Altersheim, Hospiz. An der Prager Straße ein großes Altersheim, das den Eingang allerdings von der Naunhofer Straße hat und deshalb nach aktueller Verwaltungsvorschrift zur StVO keine Herabsetzung rechtfertigt. Genau wie bisher die neuen Schulen beidseits der Prager Straße (Kregelstraße/Philipp-Rosenthal-Straße) oder daneben an der Philipp-Rosenthal-Straße die Kita, wie auch der Ecke Linnéstraße. Alle am Hauptstraßennetz und das ginge so weiter - Holzhäuser Str. (2x, T30), Bockstraße (T30), Sommerfelder Straße (T30), Schönbachstraße (T30), Stötteritzer Straße (T30 nur in der Holsteinstraße) - um nur 'mal bei Kitas "in der Nähe" zu bleiben.
Viele der bisherigen Anordnungen verringern die Gesundheitsgefährdung von Anwohnern an Lärmbrennpunkten gemäß Lärmaktionsplan.
radograph vor 8 Wochen
Vollständig modellieren! Im typischen Stadtverkehr wird ein nicht unerheblicher Anteil der Energie dafür aufgewendet, nach verkehrsbedingtem Halt zu beschleunigen. Dadurch ergibt sich auch der deutlich höhere Verbrauch in der Stadt als auf der Landstraße, obwohl der Bordcomputer bei konstant 50 km/h wesentlich weniger anzeigt als bei konstant 100 km/h. Die Beschleunigungsenergie von 0 auf 30 km/h beträgt aber nur 36% der bis auf 50 km/h. Dadurch, und den beobachtbaren stetigeren Verkehrsfluss, sieht die Bilanz auf den Abschnitten mit vielen Ampelkreuzugen bei 30 km/h besser aus als bei 50 km/h Höchstgeschwindigkeit.
Zum Verständnis von angeblich "zum Spass" mittig fahrenden Radfahrenden empfehle ich, sich mit den nötigen seitlichen Sicherheitsabständen beim Vorbeifahren an parkenden KFZ (ca. 50 Unfälle/a in L) und beim Überholen (§5 StVO) zu befassen. Sie müssen meist ohnenhin die Gegenspur nutzen, auch bei einem Radfahrer. Deshalb bremst auch Nebeneinanderfahren n. §2(4) nicht aus.
radograph vor 8 Wochen
Die Urteile sind für die Verkehrsunfallstatistik irrelevant, denn diese stützt sich als Datenquelle ausschließlich auf die Einschätzung der Polizei, die den Unfall aufnimmt. Hier liegt, wie man häufig den z.B. den Formulierungen der Unfallmeldungen entnehmen kann, eher eine Verzerrung (Bias) in die entgegengesetzte Richtung, als von Ihnen vermutet, vor. Systematische Studien, die die Urteile mit Gerichtsurteilen vergleichen, kenne ich leider keine.