Teilnehmer des Trans Pride Walk in Amsterdam 2 min
Audio: Fragen und Antworten zum Misgendern und Deadnamen. Bildrechte: IMAGO/ANP
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Auf TikTok wird behauptet, "Misgendern" und "Deadnaming" von trans Menschen sei durch das Selbstbestimmungsgesetz strafbar. Was ist da dran?

MDR AKTUELL Fr 22.11.2024 20:50Uhr 01:58 min

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Bis zu 10.000 Euro Bußgeld Trans Personen "misgendern" oder "deadnamen" kann teuer werden

26. November 2024, 08:12 Uhr

Auf TikTok wird erzählt, "Misgendern" und "Deadnaming" von transgeschlechtlichen Personen könne durch das Selbstbestimmungsgesetz strafrechtlich verfolgt werden. Tatsächlich kann beides hohe Bußgelder nach sich ziehen.

  • Eine transgeschlechtliche (trans) Person zu outen, um ihr zu schaden, kann durch das Selbstbestimmungsgesetz mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro geahndet werden.
  • Nicht jedes absichtliche "misgendern" und "deadnamen" fällt unter das Offenbarungsverbot.
  • Eine Interessensvertretung für trans Menschen fordert, Beleidigungen auf Basis von Geschlecht und geschlechtlicher Identität in den "Hassrede-Paragraphen" aufzunehmen.

"Das absichtliche deadnamen und misgendern einer trans Person ist seit dem Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes illegal", erklärt trans Frau Saoirse bei TikTok. Sie sagt, dass Menschen, die ihr schrieben, sie sei ein Mann oder solle "er"-Pronomen benutzen, strafrechtlich verfolgt werden könnten. Stimmt das?

Bußgeld bis zu 10.000 Euro für Zwangsouting

Tatsächlich fällt im Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) weder das Wort "Misgendern" noch "Deadnaming". Was es gibt, ist ein sogenanntes "Offenbarungsverbot" in Absatz 13. Das ist als Schutz gegen ein Zwangs-Outing gedacht, erklärt das Bundesfamilienministerium auf seiner Webseite. Es verbiete, frühere Geschlechtseinträge ohne Zustimmung der betroffenen Person anderen Leuten mitzuteilen.

Wer das trotzdem tut und der Person damit absichtlich schadet, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu 10.000 Euro geahndet werden kann. Die "Deutsche Gesellschaft für Trans*- und Inter*geschlechtlichkeit e.V." (dgti) schreibt dazu, so werde sichergestellt, dass "trans*, inter* und nicht-binäre Menschen" in ihrer neuen Identität respektiert werden. Es gehe um den Schutz der Privatsphäre und die Wahrung der persönlichen Würde.

Misgendern und deadnaming nicht immer von Selbstbestimmungsgesetz erfasst

Rechtsanwalt Oliver Tolmein erklärt, Misgendern und Deadnaming könne unter dieses Offenbarungsverbot fallen, müsse es aber nicht. "Es ist keine Offenbarung, wenn sich zwei Nachbarn über einen Zaun unterhalten, die die Person von früher kennen. Es ist auch keine Offenbarung, wenn ich der Person, die ihren Geschlechtseintrag geändert hat, sage 'Hey, du bist doch ein Mann'." Denn die Person selbst wisse ja um ihren früheren Geschlechtseintrag.

Was TikTokerin Saoirse als Beispiel anführt – nämlich, dass Menschen ihr schrieben, sie sei ein Mann – kann also nach dem SBGG nicht bestraft werden. Es könnte aber Tolmein zufolge als "Beleidigung" strafrechtlich verfolgt werden. Da greife dann Paragraph 185 des Strafgesetzbuches. "Diese Möglichkeit existiert schon seit vielen Jahren, ist aber kein scharfes Schwert".

Oliver Tolmein
Rechtsanwalt Oliver Tolmein vertritt schon seit vielen Jahren trans* Menschen vor Gericht. Bildrechte: Oliver Tolmein

Ein Offenbarungsverbot gab es übrigens in ähnlicher Form auch schon im Transsexuellengesetz. Im Selbstbestimmungsgesetz neu ist das Bußgeld von 10.000 Euro, das verhängt werden kann.

Es gibt also Möglichkeiten für trans Menschen dagegen vorzugehen, wenn sie jemand misgendert oder ihren Deadname verwendet. "Leicht ist es aber nicht", sagt Tolmein. Und es geschehe meist eher im zivil- und nicht im strafrechtlichen Bereich – das habe sich auch mit dem Selbstbestimmungsgesetz nicht geändert.

Trans Menschen nicht durch Hassrede-Paragraph geschützt

Die oben bereits zitierte dgti sieht deshalb Nachbesserungsbedarf beim Selbstbestimmungsgesetz. Der Verband kritisierte bei MDR AKTUELL, dass vorsätzliches Misgendern im Gesetz nicht explizit mitgeregelt worden sei und maximal als Ordnungswidrigkeit geahndet werden könne.

Die dgti kritisiert auch die Ausnahmen des Offenbarungsverbots. "Trans*feindliche Ehepartner*innen und weitere Angehörige sind im Entwurf ausgenommen und können nicht belangt werden. Auch wenn eine Person in der Öffentlichkeit steht, greift das Verbot nicht."

Außerdem fordert die dgti, das Merkmal Geschlecht und geschlechtliche Identität in den Paragraphen 192a im Strafgesetzbuch aufzunehmen. Paragraph 192a stellt "verhetzende Beleidigungen" unter Strafe. Als verhetzend gelten dabei Beleidigungen wegen Herkunft, Weltanschauung, Behinderung oder sexueller Orientierung. Sie können mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden.

Beleidigungen auf Basis von Geschlecht oder geschlechtlicher Identität werden in Paragraph 192a nicht genannt. Deswegen ist er eher nicht für die strafrechtliche Verfolgung von trans-feindlichen Äußerungen anwendbar, sagt auch Anwalt Oliver Tolmein.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 23. November 2024 | 09:48 Uhr

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