Heinrich XIII. Prinz Reuß beim Reichsbürger Prozess in Frankfurt/Main
Heinrich XIII. Prinz Reuß gilt als einer der Rädelsführer der Gruppe, die eine Umsturz geplant haben sollen. Bildrechte: IMAGO / pictureteam

Terrorismusverdacht Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß soll Kontakt zu Trump gesucht haben

19. November 2024, 10:18 Uhr

Nach MDR-Recherchen bemühten sich die mutmaßlichen Terroristen um Prinz Reuß offenbar nicht nur um Kontakt zu Wladimir Putin, sondern auch zu Donald Trump, dem früheren und künftigen US-Präsidenten.

  • Was wird der "Gruppe Reuß" überhaupt vom Generalbundesanwalt vorgeworfen?
  • Wie sind die Ermittler auf die E-Mails und Briefe in die USA gestoßen?
  • Was für Menschen sind mutmaßliche Mitglieder der Gruppe und woran glauben sie?

Mehr als 200 Seiten stark ist der "Hängeordner USA", den das Bundeskriminalamt im Dezember 2022 in den Frankfurter Büroräumen von Heinrich XIII. Prinz Reuß sichergestellt hat. Was die Ermittler darin fanden, deutet nach MDR-Recherchen auf Versuche der mutmaßlichen Terroristen hin, mit US-Politiker Donald Trump Kontakt aufzunehmen.

Zuvor war bereits bekannt geworden, dass die Gruppe um den Frankfurter Immobilienunternehmer Reuß versucht hatte, von russischen Regierungsstellen Unterstützung zu bekommen.

Der Generalbundesanwalt wirft der Gruppe Reuß die Bildung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung sowie die Vorbereitung eines gewaltsamen Umsturzversuchs vor. Dafür soll sie geplant haben, den Bundestag zu stürmen und die Macht in Deutschland mittels 286 paramilitärischer "Heimatschutz-Kompanien" zu übernehmen.

Insgesamt 26 Frauen und Männer sind deswegen in drei verschiedenen, zeitlich nahezu parallel laufenden Strafverfahren vor den Oberlandesgerichten in Stuttgart, Frankfurt am Main und München angeklagt. Prinz Reuß steht in Frankfurt als einer von zwei mutmaßlichen Rädelsführern vor Gericht. Für alle Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.

Betreffzeile: "Bannon"

In dem USA-Ordner des Prinzen findet sich auch eine an ihn weitergeleitete E-Mail vom 17. März 2021, die MDR Investigativ einsehen konnte. Die Betreffzeile lautete "Bannon". Darin befanden sich die Kontaktdaten von Alexandra V. Preate in New York. Preate galt als Vertraute von Steve Bannon. Der ehemalige Hedgefonds-Manager wiederum wurde der Öffentlichkeit während Donald Trumps erster Präsidentschaft als Stratege und Ratgeber im Umfeld des Weißen Hauses bekannt.

Ursprünglich stammt die E-Mail mit den Angaben zu Preates Erreichbarkeit aus dem Bundestagsbüro der AfD-Partei- und -Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel. Eine Büromitarbeiterin hatte die Nachricht an Gerhard W. geschickt. Über zwei weitere Zwischenstationen, Ingrid K. und Monika S., landete die E-Mail mit den Daten der Bannon-Vertrauten schließlich bei Reuß. Von Monika S. soll Reuß auch eine Adresse von Trumps Tochter und ehemaliger Beraterin Ivanka erbeten und bekommen haben. Das zeigen weitere Behördenunterlagen, die MDR Investigativ einsehen konnte.

Auf MDR-Nachfrage ließ Alice Weidel seitens ihrer Anwälte erklären, sie habe von einer Weiterleitung der aus ihrem Büro versandten Kontaktdaten an weitere Empfänger nichts gewusst. Dies gelte insbesondere für eine etwaige Weiterleitung an Prinz Reuß. Frau Weidel kenne Prinz Reuß überhaupt nicht und habe zu ihm weder mittelbar noch unmittelbar Kontakt. Von den Plänen, die der Gruppe Reuß vorgeworfen werden, habe sie erstmals aus der Presse erfahren. Auch Monika S. sei ihr nicht bekannt.

Briefe nach Mar-a-Lago

Sichergestellt wurden die E-Mails mit den Bannon-Daten im Zuge einer bundesweiten Großrazzia im Milieu der sogenannten Reichsbürger Anfang Dezember 2022. Dabei wurden die meisten der mutmaßlichen Verschwörer um den Immobilienhändler Reuß verhaftet. Die E-Mails mit den Bannon-Daten befanden sich in dem offenbar vom Prinzen selbst angelegten Ordner mit der Aufschrift "USA".

Ob sich Reuß tatsächlich an Preate oder Bannon gewandt hat, ist nicht bekannt. Die Anwälte des Prinzen haben einen ausführlichen Fragenkatalog zum Thema USA nicht beantwortet. So bleibt ebenfalls offen, ob Donald Trump die beiden Briefe, die Reuß an ihn adressiert hatte, jemals zu Gesicht bekommen hat.

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Ein Schreiben vom Februar 2021 ging - mit der Bitte um Weiterleitung - an den Direktor von Trumps Golf-Klub Mar-a-Lago in Palm Beach. Dorthin auf den South Eastern Boulevard war bereits im Jahr 2017 ein anderer Reuß-Brief adressiert worden.

Nach Informationen von MDR Investigativ sollen beide Schreiben in einem Jargon verfasst worden sein, der an denjenigen von "Reichsbürgern" erinnert. Reuß selbst soll in diesem Milieu vor allem in Thüringen auf vielfältige Weise aktiv gewesen sein. Vor mehreren Monaten distanzierte er sich gegenüber dem MDR über seinen Anwalt Hans Sieg von dieser Ideologie. Inhaltlich soll es in den Briefen an Trump unter anderem um die Enteignungen von Ländereien und Besitztümern seiner Familie in Thüringen durch die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg gehen.

Trump zentral in Verschwörungserzählung

Dass Leute um Reuß glühende Bewunderer und Fans von Donald Trump gewesen sein könnten, verwundert in keiner Weise. Schließlich ist Trump eine der zentralen Figuren in der herbeifantasierten QAnon-Verschwörungserzählung.

Die meisten Angeklagten sollen felsenfest von der Richtigkeit dieses Hirngespinstes überzeugt gewesen sein und fest an einen vermeintlichen Geheimkrieg geglaubt haben. Auf der einen Seite soll dabei ein angeblicher "Deep State" stehen, der Kinder in unterirdischen Tunnelsystemen gefangenen hält. Die Anführer sollen liberale Politiker und Juden sein. Unsichtbarer Gegenspieler soll die sogenannte "Allianz" sein - angeführt vom russischen Präsidenten Putin und eben von Donald Trump.

An diese Fantasterei glaubte offenbar auch Maximilian E., der in Frankfurt angeklagt ist. Der ehemalige Bundeswehrangehörige soll wenige Tage vor seiner Verhaftung im Dezember 2022 eine Rundmail an mehrere Dutzend Personen verschickt haben.

Darin steckte ein Online-Artikel einer US-amerikanischen Fakenews-Plattform. In dem Text wird von einem angeblichen Treffen Trumps mit Putin in Mar-a-Lago "berichtet". Dabei soll einer angeblichen Quelle zufolge Putin Trump von der Befreiung Tausender Kinder aus Hunderten "Pädophilenlagern" in der Ukraine durch russische Soldaten berichtet haben.

Oder Peter W., ebenfalls ein ehemaliger Soldat der Bundeswehr und auch in Hessen auf der Anklagebank: Der Survival-Trainer soll einem Kunden, der sich am Telefon nach Outdoor-Equipment erkundigt hatte, ungefragt Details zur angeblichen "Allianz" nähergebracht haben. Mehr als 30 Länder seien beteiligt, darunter auch China, soll W. gesagt haben.

Gegenüber einem Mann aus Schleusingen, der eine Waffe für ihn aufbewahrt haben soll, soll W. behauptet haben, in Kontakt mit Amerikanern und Russen zu stehen, die wiederum der angeblichen "Allianz" angehören sollen.

"Allianz"-Verbindungsmann Marco v. H.

Oder Marko v. H.: Dieser in Stuttgart angeklagte mutmaßliche Verschwörer soll sich der Gruppe Reuß gegenüber als Verbindungsmann zur "Allianz" dargestellt haben, was ihm die anderen offenbar glaubten. Bei einem Treffen der Gruppe im Mai 2022 auf Schloss Waidmannsheil im thüringischen Bad Lobenstein soll er ihnen erzählt haben, unlängst an der Befreiung von entführten Kindern in Deutschland beteiligt gewesen zu sein.

Auch einen Monat später bei einem weiteren Treffen auf dem Jagdschloss, das dem Prinzen gehört, soll die Gruppe ausführlich über Trumps Rolle als angeblicher "Allianz"-Anführer diskutiert haben. Der US-Politiker baue ein geheimes weltweites Kommunikationssystem auf, die Amerikaner lagerten mehr als eine Million Notstromaggregate in Deutschland in Erwartung des nahenden System-Umsturzes, den die Gruppe Reuß laut Anklage auslösen wollte. So soll es beim Gespräch an einer langen Tafel im Schloss behauptet worden sein.

Bei diesem Treffen soll Marco von H. seinen mutmaßlichen Mitverschwörern angeboten haben, ein angebliches bereits aufgedecktes Tunnelsystem zu besichtigen. Dieses soll in Baden-Württemberg zu finden sein, unter dem zerstörten Haus einer jüdischen Familie.

Das Besichtigungsangebot soll bei einigen in der Gruppe auf Interesse gestoßen sein. Ob man für die Begehung spezielle Schuhe benötige, ob es einen Lift gebe und ob man dort parken könne, sollen sie v. H. gefragt haben. Die Anwälte von Marco v. H. und Maximilian E. haben auf MDR-Anfragen nicht reagiert. Peter W. hat eine Stellungnahme abgelehnt.

Mutmaßliche "Lauterbach-Entführer" skeptisch

Ursprünglich aufgeflogen war die Gruppe Reuß, weil sie mit der Bitte um Kooperation mit einer weiteren mutmaßlichen terroristischen Vereinigung Kontakt aufgenommen haben soll, den "Vereinigten Patrioten". Allerdings stand diese Gruppierung zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme bereits im Visier des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz. Laut Bundesanwaltschaft sollen die "Vereinigten Patrioten" geplant haben, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu entführen und einen flächendeckenden Stromausfall in Deutschland durch die Sprengung von Strommasten herbeizuführen.

Mehrere Mitglieder müssen sich derzeit vor dem Oberlandesgericht Koblenz verantworten. Auch gegenüber den "Vereinigten Patrioten" behaupteten einige der Reuß-Leute, in Kontakt mit Donald Trump zu stehen. Nach Recherchen von MDR Investigativ, schenkten ihnen die mutmaßlichen "Lauterbach-Entführer" allerdings keinen Glauben, vielmehr sollen sie sich am Telefon über die mutmaßlichen Putschisten um Prinz Reuß lustig gemacht haben.

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