Bürokratieabbau Expertengremium: Deutschland hat sich eingemauert in Regeln
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01. Oktober 2024, 17:35 Uhr
Die Bürokratielast in Deutschland ist durch Maßnahmen der Ampel-Regierung leicht gesunken, jedoch weiterhin auf hohem Niveau. Zu dem Schluss kommt der Normenkontrollrat in seinem Jahresbericht. Das Expertengremium lobte das Wachstumschancengesetz, am Gesamtphänomen habe sich jedoch wenig geändert. Bundesjustizminister Marco Buschmann hält die Empfehlungen für "wertvoll", sieht die Bundesregierung aber bereits auf dem richtigen Weg.
- Bürokratielast weiterhin hoch, aber Maßnahmen der Ampel-Regierung zeigen erste Wirkung
- Normenkontrollrat: "Deutschland ist und bleibt ein kompliziertes Land"
- Buschmann sieht Ampel-Regierung auf dem richtigen Weg und fordert EU zum Bürokratieabbau auf
Die Bürokratielast in Deutschland ist weiterhin sehr hoch, jedoch durch Maßnahmen der Ampel-Regierung leicht gesunken. Zu diesem Befund kommt der Normenkontrollrat – ein unabhängiges Expertengremium, das die Bundesregierung berät – in seinem am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht. Demnach muss die öffentliche Verwaltung zwar abermals höhere Bürokratiekosten schultern, jedoch wird die Wirtschaft erstmals seit 2019 entlastet.
Experten loben Wachstumschancengesetz
Die Entlastung von insgesamt mehr als 400 Millionen Euro sehen die Expertinnen und Experten nach den Milliardenzunahmen der vorangegangenen Jahre als ersten Erfolg. Dazu beigetragen haben laut Normenkontrollrat die vom Bundestag verabschiedeten Maßnahmen zum Bürokratieabbau. Die Expertinnen und Experten lobten etwa das im April in Kraft getretene Wachstumschancengesetz, das die Wirtschaft um rund 1,4 Milliarden Euro an Bürokratiekosten entlaste. Das Gremium bewertet dies als "wichtigen Schritt" und spricht ein "verhaltenes Lob" an die Bundesregierung aus.
Die Bürokratiekosten der Verwaltung hätten sich derweil jedoch auf 1,7 Milliarden Euro fast verdoppelt, die der Bürgerinnen und Bürger blieben bei 4,8 Milliarden Euro etwa unverändert. Insgesamt ergebe sich damit im zweiten Halbjahr 2023 und im ersten Halbjahr 2024 in Deutschland eine Bürokratielast von rund 16,2 Milliarden Euro.
Am Gesamtphänomen habe sich wenig geändert, sagte der Vorsitzende des Normenkontrollrats, Lutz Goebel, bei der Berichtspräsentation am Dienstag: "Deutschland ist und bleibt ein kompliziertes Land, das sich eingemauert hat in einer Vielzahl von Regeln und Verfahren." Diese seien zwar gut gemeint gewesen, führten aber in der Summe "zu einem Zustand, der uns Wettbewerbsfähigkeit kostet, Innovationskraft bremst und die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand einbremst". Goebel forderte daher unter anderem ein jährliches Bürokratieentlastungsgesetz. Abbau unnötiger Bürokratie sei "ein Konjunkturprogramm zum Nulltarif". sagte er.
Buschmann: Ampel ist "auf dem richtigen Weg"
Bundesjustizminister Marco Buschmann hält die Empfehlungen für "wertvoll", sieht die Bundesregierung aber bereits "auf dem richtigen Weg". Der FDP-Politiker kündigte "ein starkes Jahresbürokratieentlastungsgesetz 2025" an. Der Bericht zeige aber auch: "Die EU muss liefern. Denn die Brüsseler Bürokratie kannte zuletzt vor allem den Weg nach oben."
Zustimmung zu den Forderungen des Normenkontrollrats kam auch von Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger: Der Wiederaufstieg der deutschen Wirtschaft gelinge nur, wenn man auch den "Bürokratie-Ballast" hinter sich lasse, kommentierte er.
Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), erklärte: "Politische Entschlossenheit sowie ein Schulterschluss aller föderalen Ebenen sind für weniger Bürokratie und mehr staatliche Effizienz dringend erforderlich."
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) lobte die ersten Schritte hin zu weniger Bürokratie für Handwerksbetriebe und die Wirtschaft insgesamt. Dies könne aber kein Grund zur Entspannung sein, sondern müsse vielmehr Motivation für weitere notwendige Entlastungsmaßnahmen sein, erklärte Generalsekretär Holger Schwannecke.
afp/dpa (mze)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 01. Oktober 2024 | 12:45 Uhr
nasowasaberauch vor 1 Wochen
Die besten Jahre im neuen Deutschland hinsichtlich Bürokratie waren für mich von 1990 bis zum Jahr 2000 durch den Zustand der Abwesenheit von Herrschaft der Ämter, mit viel Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürgern. Es funktionierte ohne Gängelung hervorragend. Als die Ämter besser funktionierten war diese herrliche Anarchie vorbei.
kleinerfrontkaempfer vor 1 Wochen
Man muß kein Experte mit entsprechender Expertise sein um zu verstehen: Ein Bürokrat wird den Teufel tun und sich nicht selber abschaffen. Bürokratie schafft neue Bürokratie.
"In Deutschland ist alles verboten, was nicht erlaubt ist;
in England ist alles erlaubt, was nicht verboten ist;
in Russland ist alles erlaubt, was verboten ist."
Rudolf von Jhering (1818 - 1892)
Über hundert Jahre alter Leitsatz der bis heute seine volle Gültigkeit hat.
AlexLeipzig vor 1 Wochen
Wir sollten uns allerdings auch vergegenwärtigen, daß wir aus unserem Sicherheitsbedürfnis heraus selbst die Bürokratie erst geschaffen haben. Dazu muß jede Kleinigkeit geregelt werden, um ja nicht bevor- oder benachteiligt zu werden. Das schafft zwar (Rechts)Sicherheit, aber irgendwann sind die Siherheitsgurte so eng, daß man keine Luft mehr bekommt...